In Frankreich verfolgt, in Brandenburg willkommen -
Massenmord in der Bartholomäusnacht an den Hugenotten



Großzügig und nicht ohne Eigeninteresse nahm der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm französische Glaubensflüchtlinge auf. Stich von Daniel Chodowiecki. (Repro: Caspar)

Im 16. und 17. Jahrhundert tobten in Frankreich (und nicht nur dort!) blutige Religionskriege. Gegen die Übermacht der katholischen Kirche und des katholischen Adels lehnten sich in Frankreich die Hugenotten auf, die für Glaubensfreiheit kämpften. Ihr zunächst spöttisch gemeinter, dann aber ehrenvoll gebrauchter Name wurde von den huguenots, den schweizerischen Eidgenossen, abgeleitet. Schauriger Höhepunkt der Auseinandersetzungen war die Bartholomäusnacht, bekannt auch als Pariser Bluthochzeit. In der Nacht zum 25. August 1572, dem Tag des Heiligen Bartholomäus, wurden während der Vermählung des Königs Heinrich IV. von Navarra, des späteren französischen Königs Heinrich IV. (reg. 1589-1610), und Margarete von Valois mehrere tausend Hugenotten oder, wie man auch sagte, Reformierte ermordet. Unter den Toten war auch der militärische Anführer der Glaubensbewegung, Admiral Gaspard de Coligny.

Inszeniert wurde das Massaker von Katharina de Medici, der Mutter des noch unmündigen französischen Königs Karl IX., und ihren Helfern. Mit dem Mordanschlag war der Versuch, Frankreich von der Übermacht der römischen Kirche zu lösen, gescheitert. Es sollte über 200 Jahre dauern, bis dies in der Französischen Revolution von 1789 gelang.

Die Religionskriege fanden erst unter Heinrich IV. ein Ende. Er sicherte den Reformierten 1595 im Edikt von Nantes Glaubensfreiheit und Gleichberechtigung zu. Spätere Könige von Frankreich verstärkten im Zuge der Gegenreformation den Druck auf ihre protestantischen Untertanen immer weiter, um sie zur Rückkehr in den Schoß der katholischen Kirche zu bewegen. Der Sonnenkönig Ludwig XIV. (reg. 1643-1715) setzte bei den von bewaffneten Reitern (Dragonern) veranstalteten Dragonaden zu diesem Zweck militärische Gewalt ein und hob das Edikt von Nantes wieder auf. Wer jetzt noch zum protestantischen Glauben hielt, war vogelfrei und hatte schärfste Repressionen zu erwarten.

Die ihrer Lebensgrundlagen beraubten Hugenotten, unter denen wohlhabende Unternehmer, Militärs, Künstler und Gelehrte, aber auch Bauern und Handwerker waren, flohen in die Schweiz, nach England, Skandinavien und in einzelne deutsche Fürstentümer, so nach Mecklenburg und nach Kurbrandenburg. Insgesamt sollen es 200 000 gewesen sein. Mit dem Edikt von Potsdam sicherte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (reg. 1640-1688) den Glaubensflüchtlingen Freundschaft und vielfältige Privilegien zu. Das geschah nicht nur aus religiösen Motiven und aus Mitleid, sondern hatte auch recht handfeste ökonomische Gründe. Die Neuankömmlinge sollten der danieder liegenden Wirtschaft Brandenburgs auf die Sprünge helfen und das kulturelle Niveau verbessern. Zahlreiche Refugiés erhielten einflussreiche Posten am Berliner Hof, in der Verwaltung und der Armee. Ihre Integration in die neue Umgebung gelang nicht immer reibungslos; auch das Zusammenspiel mit der einheimischen Kirche brachte Probleme. So musste zum Beispiel Paul Gerhardt, einer der bedeutendsten Kirchenlied-Dichter, als Folge anhaltender Streitigkeiten zwischen den Reformierten, wie sich die Hugenotten nach ihrem religiösen Bekenntnis nannten, und den Lutheranern seine Berlin-Brandenburgische Heimat verlassen und ging nach Lübben im Spreewald, das damals zu Sachsen-Merseburg gehörte. Die spätere Geschichtsbetrachtung der Hugenotten in Berlin und Brandenburg übertünchte manches, so dass eine gewisse Mythologisierung stattfand, bei der ihre Rolle teilweise zu positiv dargestellt wurde. Insgesamt aber brachten die Zugewanderten feinere Sitten und Gebräuche ins Land, und auch die eher karge märkische Küche profitierte von ihnen. Viele französische Wörter fanden Eingang in die Umgangssprache, etwa blümerant (bleu mourant, sterbendes Blau), Buddel (bouteille), Budike (boutique), forsch (avec force, mit Kraft), Kinkerlitzchen (quincailleries), Muckefuck (moque faux, falscher Kaffee) oder aus der Lamäng (la main, aus der Hand, routiniert).

Helmut Caspar

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