Gigantische Wiederaufbauhilfe -
Statt des amerikanischen Morgenthauplans trat nach dem Zweiten Weltkrieg der Marshallplan in Aktion



Werbeplakat aus den vierziger Jahren für den Marshallplan.
(Repro: Caspar)


Zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) wurde der Marshallplan zum Wiederaufbau Westeuropas, namentlich Deutschlands, gestartet, benannt nach dem US-Außenminister George C. Marshall (1880-1959). Am 4. Juni 1947 hielt der ehemalige Chef des Generalstabs der US-Army an der Harvard Universität einen Vortrag, in dem er sich für ein gigantisches Hilfsprogramm gegen Hunger, Armut und Verzweiflung aussprach. Dreizehn Milliarden Dollar sollten in sechzehn hilfsbedürftige Länder, darunter auch Großbritannien, Frankreich und Italien sowie das ehemalige Deutsche Reich, investiert werden.

Die gigantische Marshallplanhilfe in Form von Warenlieferungen, zum Teil nicht rückzahlbaren Krediten sowie Aufträgen an die Wirtschaft der betroffenen Länder geschah nicht ganz uneigennützig, denn den USA fehlten leistungsfähige Handelspartner, zum anderen belasteten die hohen Besatzungskosten den amerikanischen Staatshaushalt. Daher galt: je schneller die Konsolidierung, umso besser. Schließlich befürchteten die USA, die Sowjetunion könne die weitere Verelendung und Unzufriedenheit in Westeuropa dazu ausnutzen könnten, ihren Einfluss auszudehnen dorthin auszuweiten.

Während in der Sowjetischen Besatzungszone, ab Oktober 1949 DDR, und den anderen unter Stalins Herrschaft stehenden Staaten alles demontiert wurde, was nicht niet- und nagelfest war, und sich über den sowjetischen Herrschaftsbereich hinter dem Eisernen Vorhang Eiseskälte legte, kamen die unter westlichem Einfluss stehenden Ländern auf Grund des Marshallplans wieder zu Kräften. Auf sowjetischen Druck mussten die osteuropäischen Regierungen, die an amerikanischer Hilfe interessiert waren, die Teilnahme an Marshallplan-Konferenz in Paris absagen. Schon bald bildeten sich Militär- und Wirtschaftsblöcke, die sich dann 40 Jahre lang bis an die Zähne bewaffnet gegenüber standen.

Fast ein Viertel der Marshallplan-Hilfe wurde zum Wiederaufbau der Westzonen des untergegangenen Deutschen Reiches aufgewandt. Ziel war es, hier die „Lokomotive der europäischen Wirtschaft“ unter Dampf zu setzen. Großbritannien und Frankreich waren als Verbündete der USA und wie diese Besatzungsmächte wenig begeistert, fürchteten sie doch ein „wieder belebtes Deutschland“, das sich – wie gehabt – schon bald zum Beherrscher Europas aufschwingen würde.

Erste Hilfe organisierte US-Militärgouverneur Lucius D. Clay (1897-1978) mit Unterstützung der Organisation Cooperative for American Remittance to Europe (CARE). Sprichwörtlich wurden die an Hilfsbedürftige ausgelieferten 2,5 Millionen Care-Pakete aus Beständen der US-Streitkräfte. Seit Juni 1946 kamen auch Deutsche in den Genuss dieser Hilfslieferungen. Ein paar Jahre später erlebte Westdeutschland das Wirtschaftswunder, das uns angesichts heutiger Miseren und Unsicherheiten vorkommt wie ein Mythos aus grauer Vorzeit.

Vergessen war bei der Verkündung des Marshallplans eine andere Idee vom September 1944, der nach dem US-Finanzminister Henry Morgenthau jr. (1891-1967) benannte Morgenthauplan. Er sah die Zerstückelung des Hitlerreichs, die Demontage der Fabriken und seine Umwandlung des besiegten Landes in einen schwachen, entmilitarisierten Agrarstaat vor. Da der Geheimplan in die amerikanische Presse gelangte und dort entrüstete Reaktionen hervor rief, sahen sich der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt, der sich auf seine Wiederwahl vorbereitete, und der britische Premierminister Churchill gezwungen, sich von dem Morgenthauplan zu distanzieren.

Helmut Caspar

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