Kaiser Nero und der Brand von Rom


Auf römischen Münzen ist Nero, der Kaiser mit dem feisten Gesicht und den Locken in der Stirn, unverkennbar. (Foto: Caspar)

Im Juli 64 nach Christus wütete in Rom ein großer Brand. Mehrere Stadtteile fielen in Schutt und Asche. Niemand weiß genau, wie es dazu kam und von wem das Feuer gelegt wurde, das sich von den Ladengassen rund um den Circus maximus ausgehend über die Stadt ausbreitete. Doch seit fast 2000 Jahren wird dem römischen Kaiser Nero die Schuld an dem verheerenden Brand zur Last gelegt. Beweisen konnte man nichts, aber die Anschuldigung zeigt, wessen man den Alleinherrscher für fähig hielt. Angeblich soll sich Nero an dem Anblick ergötzt haben, wenigstens wird das in der populären Literatur und auch in Historienfilmen immer wieder behauptet. Fest steht nur, dass der absolutistisch regierende Imperator, dessen eigentlicher Name Nero Claudius Drusus Germanicus Caesar war, die Gelegenheit nutzte, das zerstörte Rom prächtiger den je aufzubauen. Häuser aus Holz sollten durch solche aus Backstein mit Verkleidungen aus Marmor ersetzt werden, alles sollte großzügiger und prächtiger erscheinen. Die Millionenmetropole Rom sollte, auch was ihre Bauten betrifft, zur Hauptstadt der Welt werden. Um von dem Verdacht abzulenken, der Brand sei sein eigenes Werk, befahl Nero die grausame Verfolgung der Christen, denen die Schuld in die Schuhe geschoben wurde. Unzählige Anhänger des neuen Glaubens wurden verfolgt und wie Jesus Christus nach damaliger Sitte ans Kreuz geschlagen.

In der Biographie des Nero sind zwei Phasen zu unterscheiden. Die erste wurde von seinen Höflingen geradezu als goldenes Zeitalter gepriesen, jene Periode, als der aus einer vornehmen Familie stammende Monarch unter dem Einfluss des Philosophen Seneca stand und den Senat und die überlieferte Ordnung respektierte. Die wenigen guten Jahre, in denen Nero Eroberungen gelangen und er auch die inneren Verhältnisse ordnete, wurden ab etwa 59 nach Christus durch eine Periode abgelöst, in der der Kaiser ein tyrannisches Regime errichtete. Er duldete nur noch Schmeichler und Speichellecker um sich und unterdrückte jeden Anflug von Kritik oder auch gut gemeintem Rat im Keim und schreckte selbst vor Morden in der eigenen Familie nicht zurück. Wer ihm in diem Quere kam, wurde wegen Majestätsbeleidigung oder Verrat verfolgt und ermordet. Auch Neros Lehrer, der berühmte Staatsmann, Philosoph und Schriftsteller Seneca, bekam Neros Zorn zu spüren und wurde von diesem als angeblicher Mitwisser einer Verschwörung gegen die Majestät des Kaisers zum Selbstmord gezwungen.

Es war nur noch eine Frage der Zeit, dass sich gegen den auschweifend lebenden und verschwenderischen Nero Widerstand formierte. Auch dass er als Wagenlenker, Schauspieler und Sänger dilettierte und sich damit lächerlich machte, wog in der Verachtung, die man insgeheim dem Alleinherrscher und Möchtegernkünstler entgegen brachte, schwer. So kam es, wie es kommen musste. Die weit verbreitete Unzufriedenheit über Nero, sein Luxusleben und Ausschweifungen, die teuren Staatsbauten und vieles andere drängten nach einer gewaltsamen Lösung. Der römische Senat fasste Mut und erklärte Nero zum Reichsfeind; die Prätorianergarde, die für die Sicherheit des Kaisers zuständig war, löste sich von ihm. In aussichtsloser Lage beging Nero im Jahr 68 nach Christus Selbstmord.

Jetzt war der Weg frei, dem toten Nero alles Böse dieser Welt anzuhängen. Geschichtsschreiber bemächtigten sich seiner und schmückten die vielen Grausamkeiten seiner Herrschaft mit erfundenen Details aus. Natürlich gehörte dazu auch der Brand von Rom, dessen Urheber im Dunkeln bleiben. Die Christen, die unter Nero so viel zu leiden hatten, erklärten ihren Unterdrücker zum Antichristen schlechthin, in der römischen Kaisergeschichte wurde Nero zur Unperson. Wo es möglich war, wurde sein Name aus Inschriften getilgt und seine Denkmäler gestürzt. Mit 16 Jahren auf den Thron gelangt, von seiner großen Macht überfordert, doch den Künsten zugewandt und in ihren dilettierend, dabei unberechenbar und grausam, gilt Nero seither als Inbegriff des Tyrannen und durch ihn der Begriff „neronisch“ als eine Haltung, die zutiefst zu verachten ist.

Helmut Caspar

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