Berliner Jubelfeier mit kleinem Webfehler -
Ersterwähnung der Schwesterstadt Kölln wurde schon 1937 für massive Propaganda im Zeichen des Hakenkreuzes missbraucht



Das Berliner Ephraimpalais und die Nikolaikirche (rechts) verdanken ihren Wiederaufbau der 750-Jahrfeier von 1987.
(Foto: Caspar)

Stadtjubiläen sind beliebte Gründe zur Werbung und Selbstdarstellung. Um sie ordentlich begehen zu können, werden öffentliche Gelder locker gemacht, und auch Sponsoren machen ihre Kassen auf. So war es auch 1987, als Berlin sein 750jähriges Bestehen feierte, damals noch im Zeichen der Mauer und schön nach Ost und West getrennt. Auf beiden Seiten gab es Ausstellungen, Tagungen, Politikerreden. Beiderseits der Grenze wurden bei schönstem Wetter prunkvolle Festumzüge veranstaltet. In ihnen wurde mit „lebende Bilder“ Stadtgeschichte illustriert. Man hat damals weder Kosten noch Mühen gescheut, um die Stadt international ins rechte Licht zu setzen und das jeweils eigene System zu preisen.

Berlin putzte sich heraus. Kriegszerstörte historische Bauwerke wie etwa die Nikolaikirche und das Ephraimpalais im Ostteil der Stadt wurden aufgebaut und standen zu Ausstellungszwecken zur Verfügung. Ohne das Stadtjubiläum wäre vieles weiterhin verrottet, und ganz gewiss hätte auch nicht das Nikolaikirchenviertel als Kombination von Altbauten, die den Krieg überstanden haben, und veredelter "Platte" seine Wiedergeburt erlebt.

Auf politischer Ebene gab es in jenem Jahr so etwas wie den Austausch von Freundlichkeiten an die jeweils andere Seite. Bürgermeister und andere offizielle Persönlichkeiten besuchten sich gegenseitig, sprachen auf Empfängen Toaste aus, spiegelten so etwas wie Normalität vor. Die einfache Bevölkerung hatte jedoch weiterhin Mühe, die andere Seite zu besuchen. West-Berliner und Westdeutsche mussten, daran sei erinnert, nach wie vor Anträge stellen und Tagegelder bezahlen, wenn sie in den Ostteil fuhren, ausserdem wurden sie weiterhin unwürdigen Kontrollen unterzogen. Die Bewohner von Ost-Berlin und der DDR mussten im Rentenalter sein, wenn sie einen Besuch im Westen machen wollten, oder wichtige familiäre Gründe bei der Antragstellung vorweisen. Wer Glück hatte, durfte reisen. Kaum noch vorstellbar, dass das erst wenige Jahre her ist!

Bei so viel Jubelstimmung waren Hinweise auf einen kleinen historischen „Webfehler“ unerwünscht, nämlich dass der Anlass der Berliner Jubelfeiern ziemlich an den Haaren herbei gezogen war. Dazu muss man wissen, dass Berlin über Jahrhunderte eine Doppelstadt war, bestehend aus Berlin und Kölln. Seine Ursprünge liegen im Dunkeln. Angelegt wurde die Siedlung irgendwann im frühen 13. Jahrhundert, wie archäologische Funde beweisen. Das 750jährige Stadtjubiläum von 1987 wurde von der Ersterwähnung der Stadt Kölln im Jahre 1237 hergeleitet. Damals unterschrieb ein Geistlicher eine Urkunde und setzte hinter seinen Namen Symeon den Zusatz „de Colonia“, also aus Cölln. Der gleiche Geistliche unterschrieb 1244 eine andere Urkunde, jetzt aber als Symeon, praepositus de Berlin, also Symeon Propst von Berlin. Wäre man korrekt vorgegangen und hätte auf die Historiker gehört, dann hätte das Berliner Stadtjubiläum nicht 1987, sondern erst 1994 stattfinden müssen. Aber so lange wollte man in den 1980er Jahren nicht warten, und überhaupt, was schert einen die Geschichte, wenn ein Anlass gesucht wird und gewollt ist.

Unbeachtet bei den Feierlichkeiten im Jahr 1987 blieb, dass 1937 die 700-Jahrfeier Berlins im Zeichen des Hakenkreuzes mit Pauken und Trompeten begangen wurde. Damals stützten sich die Organisatoren auf den gleichen Eintrag des Symeon de Colonia auf der Urkunde von 1237 und ließen eine Diskussion über die Berechtigung der Jubelfeier ebenfalls mit Umzügen und Ausstellungen nicht zu. Ganz gewiss wird 2037 die Achthundertjahrfeier Berlins begangen, vielleicht denkt man dann daran, dass sie auf wackeligen Füßen steht – wie übrigens andere Stadtjubiläen mit ähnlichem historischem Hintergrund auch. Helmut Caspar

Helmut Caspar

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