Parole war "Wohlstand für alle" -
Der Marshallplan von 1947 legte im Westen Deutschlands die Grundlage für das Wirtschaftswunder



Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, immer mit dicker Zigarre, präsentiert 1957 sein Buch „Wohlstand für alle“. (Repro: Caspar)

Kriegsende 1945, Entnazifizierung, Währungsreform und Wirtschaftswunder – in diese Etappen lassen sich, grob gesagt, die ersten 15 Jahre westdeutscher Nachkriegsgeschichte einteilen. Bereits zwei Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus pumpten die USA große Dollarbeträge in die Westzonen und legten damit den Grundstein für das spätere Wirtschaftswunder. Die rasante Erholung der jungen Bundesrepublik ist untrennbar mit dem damaligen Wirtschaftsminister in der Regierung Adenauer, Ludwig Erhard verbunden. Sein Ziel „Wohlstand für alle“ zu erreichen und damit auch den Staat zu konsolidieren, war eine gigantische mit harter Arbeit, viel Verzicht der Bundesbürger auf Erfüllung persönlicher Wünsche und manchen Rückschlägen verbundene historische Leistung. Nur die Älteren werden sich an die mit manchen Legenden und Mythen verbundene Aufbauarbeit erinnern, für die Jüngeren ist das, womit man nach dem Krieg begann, kaum noch vorstellbar.

Die amerikanische Wirtschaftshilfe, die erst das deutsche Wirtschaftswunder ermöglichte, als Marshallplan bekannt. Er ist benannt nach dem US-Außenminister George C. Marshall. Am 4. Juni 1947 hielt der bisherige Chef des Generalstabs der US-Army an der Harvard Universität einen Vortrag, in dem er sich für ein umfangreiches Programm für den Kampf gegen Hunger, Armut und Verzweiflung aussprach. Dreizehn Milliarden Dollar sollten im Rahmen des Marshallplans in sechzehn hilfsbedürftige Länder, darunter auch Großbritannien, Frankreich und Italien sowie das ehemalige Deutsche Reich, investiert werden. Es ging um riesige Warenlieferungen, zum Teil nicht rückzahlbare Kredite sowie Aufträge an die Wirtschaft der betroffenen Länder.

Die Hilfsaktion geschah nicht ganz uneigennützig, denn den USA fehlten leistungsfähige Handelspartner in Europa. Zum anderen belasteten die hohen Besatzungskosten den amerikanischen Staatshaushalt. Daher galt: je schneller die Konsolidierung in Westeuropa, um so besser auch für die amerikanische Sicherheit. Denn die USA befürchteten, die Sowjetunion könnte instabile Verhältnisse in Westeuropa dazu ausnutzen, ihren Einfluss über ihren an Elbe und Oder begrenzten Machtbereich hinaus auszudehnen.

Während in der Sowjetischen Besatzungszone, ab Oktober 1949 DDR, und den anderen unter Stalins Herrschaft stehenden Staaten alles demontiert wurde, was nicht niet- und nagelfest war, und sich über den sowjetischen Herrschaftsbereich hinter dem „Eisernen Vorhang“ Eiseskälte legte und dort die zentral gelenkte Planwirtschaft nicht auf die Beine kam, gelangten die unter westlichem Einfluss stehenden Länder, allen voran die junge Bundesrepublik Deutschland, auf Grund des Marshallplans und der von Erhard ausgerufenen sozialen Marktwirtschaft wieder zu Kräften. Auf sowjetischen Druck mussten osteuropäische Regierungen, die an amerikanischer Hilfe interessiert waren, die Teilnahme an einer Marshallplan-Konferenz in Paris absagen.

Fast ein Viertel der Marshallplan-Hilfe wurde zum Wiederaufbau der Westzonen des untergegangenen Deutschen Reiches aufgewandt. Ziel war es, hier die „Lokomotive der europäischen Wirtschaft“ unter Dampf zu setzen. Großbritannien und Frankreich waren als Verbündete der USA und Besatzungsmächte vom Aufschwung zwischen Rhein und Elbe wenig begeistert, fürchteten sie doch ein wirtschaftlich und politisch starkes, zudem noch hoch gerüstetes Deutschland, das sich – wie gehabt – schon bald zum Beherrscher Europas aufschwingen würde. Die Geschichte zeigt, dass solche Ängste unbegründet waren.

Vergessen war bei der Verkündung des Marshallplans eine andere Idee vom September 1944, der nach dem US-Finanzminister Henry Morgenthau jr. benannte Morgenthauplan. Er sah die Zerstückelung des Hitlerreichs, die Demontage der Fabriken und die Umwandlung des Landes in einen schwachen, entmilitarisierten Agrarstaat vor. Da der Geheimplan in die amerikanische Presse gelangte und dort entrüstete Reaktionen hervor rief, sahen sich der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premierminister Churchill gezwungen, sich von ihm zu distanzieren.

Helmut Caspar

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