Nadelmalereien mit Szenen aus der Bibel -
Textile Schätze des Brandenburger Doms werden erstmals umfassend vorgestellt



Die Heiligen drei Könige auf einer Dalmatika aus der Zeit um 1455/60. (Foto aus dem besprochenen Band)

Das Domstift zu Brandenburg an der Havel besitzt Schätze, die kaum jemand kennt – kostbar bestickte liturgische Gewänder aus dem hohen und späten Mittelalter und aus späteren Zeiten. Wie durch ein Wunder hatten die reich mit Goldfäden und kleinen Perlen besticken Dalmatiken, Kaseln, Pluvialen und all die anderen Stoffe aus Samt, Seide, Leinen und Wolle Kriege und Katastrophen überstanden. Nach der Einführung der Reformation im Kurfürstentum Brandenburg (1539) hat man die Textilien nicht wie woanders in bilderstürmerischer Absicht vernichtet, sondern in eingeschränktem Maße sogar weiter verwendet. Das rettete die „Nadelmalereien“ mit Szenen aus der Bibel beziehungsweise mit Heiligenbildern, Pflanzenmotiven und Wappenschildern und sicherte ihnen im frühen 19. Jahrhundert, als man bauliche und künstlerische Werte der Vergangenheit neu entdeckte, die Aufmerksamkeit von Kunst- und Kirchenhistorikern. Bei Aufarbeitung des Bestandes zeigte sich schon vor über hundert Jahren, dass sich längst verflossene Generationen um Ordnung und Übersicht in der kirchlichen Kleiderkammer mühten, auch wenn ihnen heutiges Wissen um ihre Bedeutung fehlte. Viele im Besitz des Domstifts befindliche Textilien stammen aus anderen Kirchen und Kapellen, so auch aus der Residenz der Brandenburger Bischöfe in Ziesar, wo demnächst eine Ausstellung zur Kirchengeschichte der Mark Brandenburg eröffnet wird.

Wie Helmut Rehlein in dem jetzt vorgelegten Inventarband bemerkt, war die Wiederentdeckung der so lange in Schränken und Kisten verborgenen Textilien nicht unproblematisch. Bei Ausstellungen etwa traf grelles Licht auf sie und bewirkte Verfärbungen; unsachgemäße Restaurierung und gar Nutzung der Originale zur Gewinnung von Vorlagen für die Textilproduktion hinterließen ebenfalls irreparable Spuren. Was erhalten blieb und nun ausführlich in Bild und Schrift vorgestellt wird, lässt sich sehen und hält jeden Vergleich mit ähnlich reichhaltigen Textilbeständen in den großen Kichenschätzen zu Halberstadt, Stralsund oder Braunschweig aus.

Das Buch mit Darlegungen über die Geschichte des Brandenburger Domstifts und seiner liturgischen Gewänder setzt den unbekannten Webern und Stickern ein Denkmal, und es würdigt zugleich die Leistungen heutiger Restauratoren, die die zum Teil aus dem Fernen Osten stammenden und daher besonders teuren Stoffe in einen vorzeigbaren Zustand versetzen oder wenigstens vor weiterem Verfall schützen. Jedes einzelne Kleidungsstück, jeder Behang wird ausführlich kommentiert. Damit liegt ein umfangreiches Nachschlagewerk vor, das auch Landes- und Kirchengeschichte lebendig werden lässt und die weit reichenden Beziehungen der Brandenburger Bischöfe verdeutlicht. Zugleich zeigt der aufwändig gestaltete Band, dass den Brandenburger Dom immer wieder kostbare Geschenke erreichten. So ist eines der jüngsten Stücke aus dem frühen 19. Jahrhundert ein nach Schinkels Entwurf gefertigter Altarvorhang, den preußische Prinzessinnen dem Dom anlässlich seiner Wiedereinweihung 1836 nach umfangreichen Baumaßnahmen gestiftet haben. In einer zeitgenössischen Beschreibung wird extra hervor gehoben, dass die Wappen und Borten von mehreren königlichen Hoheiten „selbst gemacht“ wurden, was wohl auch die besondere Wertschätzung der Hohenzollern für den Dom zu Brandenburg unterstreicht.

Liturgische Gewänder und andere Paramente im Dom zu Brandenburg, herausgegeben von Helmut Rehlein. Verlag Schnell & Steiner Regensburg 2004, 496 S., ca. 500 Abb., 148 Euro; der Ergänzungsband „Heilige Gewänder –Textile Kunstwerke“ hat 140 S., 40 Abb. und kostet 19,90 Euro.

Helmut Caspar

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