Großer Tresor wird zur Schaustelle
Nach sechsjähriger Abwesenheit kehrt das Berliner Münzkabinett ins Bode-Museum zurück / Gespräch mit Prof. Dr. Bernd Kluge

Am 18. Oktober 1904 wurde das heutige Bode-Museum feierlich als Kaiser-Friedrich-Museum eröffnet, hundert Jahre später kann es nach umfassender Sanierung wieder betreten werden. Wilhelm II. widmete es seinem Vater, Kaiser Friedrich III. Medaille von Wilhelm Haverkamp (1904, Silber, Durchmesser 70 mm). Foto: Caspar

Vor sechs Jahren mußte das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin aus dem Bode-Museum ins benachbarte Pergamonmuseum auf der Museumsinsel umziehen, weil das unter Denkmalschutz stehende Stammhaus einer Generalsanierung unterzogen wurde. Nach Abschluß der Arbeiten kehrt die Sammlung in das 1904 als Kaiser-Friedrich-Museum eröffnete Gebäude zurück. Was in der Zwischenzeit in den leergeräumten Sälen des Münzkabinetts geschah und wie der Arbeitsalltag seiner Mitarbeiter aussah, erfuhr ich von Prof. Dr. Bernd  K l u g e, dem Direktor des Berliner Münzkabinetts.

Frage: Das Bodemuseum als große Baustelle – welche Konsequenzen hatte die aufwendige Generalsanierung des einhundert Jahre alten Hauses für das Münzkabinett?

Kluge: Das 1904 teilweise noch ohne elektrische Beleuchtung eingerichtete Museum mußte technisch auf den Stand des 21. Jahrhunderts gebracht werden, wobei das Erscheinungsbild des Originals nicht beeinträchtigt werden durfte. Das Haus und selbstverständlich auch die Räume des Münzkabinetts sind bis auf das tragende Skelett zurück- und anschließend unter Erhaltung und Restaurierung aller historischen Formen wieder neu aufgebaut worden. Glanzstück des Münzkabinetts war dabei die Restaurierung des fast 60 Meter langen Großen Tresors, dessen 65 Münzschränke einschließlich der sich darüber wölbenden Bibliotheksgalerie komplett restauriert wurden. Dabei mußte die Konstruktion dieser weltweit einmaligen Anlage neu entdeckt und nachvollzogen werden, weil sich keine Unterlagen über sie erhalten haben. Restauriert wurden auch die aus dem 19. Jahrhundert stammenden über 50 Sammlungsschränke aus Mahagoni und Eiche, mit denen wir jetzt in zwei Räumen ein historisches Münzkabinett eingerichtet haben.

Frage: Das Münzkabinett bereitet voraussichtlich für den 24. und 24. Oktober 2004 Tage der offenen Tür vor und lädt die Berlinerinnen und Berliner sowie Gäste der Hauptstadt zur Besichtigung des Großen Tresors ein. Was ist zu erwarten, wenn er kurzfristig zur Schaustelle gemacht wird?

Kluge: Wir bieten die einmalige und unwiederholbare Möglichkeit, entlang der geöffneten Münzschränke im Großen Tresor an einer Straße aus Gold und Silber vorbei zu flanieren. Es gibt an diesen beiden Tagen ein „Sesam öffne dich“ einer sonst fest verschlossenen Schatzkammer.

Frage: Nutzen Sie die Gelegenheit, die Wahrnehmung und Akzeptanz der Numismatik in der Öffentlichkeit zu erhöhen?

Kluge: Mit diesem Spektakel möchten wir natürlich auf uns und die Numismatik aufmerksam machen. Ob sich daraus mehr lassen läßt, muß man sehen. Immerhin wird der Bundesfinanzminister zur Wiedereröffnung des Münzkabinetts erwartet. Die Wahrnehmung und Akzeptanz der Numismatik als Wissenschaft in der Öffentlichkeit wird freilich immer begrenzt sein. Da darf man sich nichts vormachen und nicht glauben, daß Münzen im Museum mit der Gastausstellung des New Yorker Museums of Modern Art (MoMA), mit dem Pergamonaltar oder der Büste der Nofretete konkurrieren können.

Frage: Inwiefern verbessern sich nach der Rückkehr ins Bode-Museum die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter des Münzkabinetts und seiner Besucher? Haben Sie denn auch Platz dazu bekommen?

Kluge: Das Münzkabinett hat neuen Raum für die Bibliothek und Depots hinzugewonnen. Nutzung und Ausstattung der bisherigen Räume wurden so verändert, daß alle Mitarbeiter über deutlich verbesserte Arbeitsbedingungen verfügen. Hinzugewonnen haben auch die Benutzer des Münzkabinetts durch einen neu gestalteten Studiensaal, in dem Teile der Freihand-Bibliothek aufgestellt sind. Das Schönste aber ist, daß es gelungen ist, das historische Ambiente aus der Zeit des Kaiserreichs wieder auferstehen zu lassen. Davon bekommt jeder Besucher sofort einen Eindruck, wenn er das Kabinett betritt.

Frage: Wie haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kabinetts ihr Arbeitspensum angesichts der Auslagerung der Sammlung bewältigt? Kamen sie denn immer an die Stücke heran, etwa wenn Ausstellungen vorzubereiten oder Bücher zu verfassen waren?

Kluge: Es war bisweilen recht schwierig, den Spagat zwischen der Baustelle Bode-Museum und dem Ersatzquartier im Pergamonmuseum durchzuhalten. Die Bestände verblieben während der gesamten Bauzeit großenteils im Bode-Museum und mußten durch den Baufortschritt mehrfache Umräumaktionen über sich ergehen lassen. Das war oft ein logistisch schwieriges Unterfangen, da immer nur geringer Ausweichraum vorhanden war, andererseits die Bestände sicher und eben auch benutzbar aufgestellt werden mußten. Während der gesamten Bauzeit ist der Museumsbetrieb weitergelaufen, teilweise freilich eingeschränkt. Manche Besucher, insbesondere Kollegen aus dem Ausland, die an unaufschiebbaren wissenschaftlichen Projekten arbeiteten, haben das buchstäblich auf der Baustelle getan, und dabei manches Ungemach auf sich nehmen müssen und beispielsweise im Winter jämmerlich gefroren. Wissenschaft fordert eben Opfer. Nicht zugänglich waren eigentlich nur die Sammlungsbestände islamischer und asiatischer Münzen, das Notgeld sowie die Marken und Zeichen. Alles andere haben wir benutzbar gehalten, manchmal bis an die Grenzen dessen, was man Menschen und Münzen zumuten konnte.

Frage: Blieb auch Arbeit aus den genannten organisatorischen Gründen liegen? Besteht Nachholbedarf?

Kluge: Ja, er fällt jetzt vor allem auf die Schultern unserer Restauratoren, denn die Sammlung muß komplett durchgereinigt werden, was etwa zwei Jahre dauern wird. Auch in der wissenschaftlichen Ordnung wird dabei das eine oder andere verbessert.

Frage: Würden Sie, wenn Sie könnten, Spezialisten zur Bearbeitung bestimmter Bestände einstellen, und welche wären das?

Kluge: Es gibt zwei große Engpässe. Das eine sind unsere über 150.000 antiken Münzen, der international gefragteste Sammlungsteil, der mit nur einem Wissenschaftler völlig unterbesetzt ist. Das zweite sind die islamischen und asiatischen Münzen, die wir nur noch verwalten, nicht aber erschließen können, da uns schon seit Jahren ein entsprechender Wissenschaftler fehlt. Hoffnung, daß sich dies in absehbarer Zeit ändert, besteht angesichts der desolaten Finanzlage der Staatlichen Museen nicht. Sie müssen pro Jahr 1,5 Prozent an Personal einsparen.

Frage: Die Ausstellungs-, Forschungs- und Publikationstätigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kabinetts, Ihre eingeschlossen, war in den vergangenen sechs Jahren ungebrochen. Können Sie bitte einige wichtige Themen und Titel nennen?

Kluge: Eigentlich hatten wir gedacht, dass der Umbau des Bode-Museums und das Exil ins Pergamonmuseum uns auch ein paar ruhige Tage für Forschung und Wissenschaft bescheren würden. Das Gegenteil war der Fall. Die Planung, Vorbereitung und Begleitung der denkmalpflegerischen Sanierung des Münzkabinetts erwies sich als viel zeitaufwendiger als ich mir das vorher vorstellen konnte. Dennoch ist auch bei Ausstellungen und Publikationen einiges geleistet worden. Ich erinnere etwa an die Ausstellung zur Medaillenkunst des 20. Jahrhunderts mit einem Kataloghandbuch im Jahr 2000 (W. Steguweit, Die Medaille und Gedenkmünze des 20. Jahrhunderts in Deutschland, Berlin 2000) oder zu Leben und Werk des Medailleurs Raimund Faltz 2003 (W. Steguweit: Medailleur des Königs. Raimund Faltz (1658-1703). Modelle, Medaillen, Münzen [Das Kabinett 8]). Zu Raimund Faltz wird in diesem Jahr von Wolfgang Steguweit dann die ultimative Monographie vorgelegt, was für den Medailleur und Bildhauer Leonhard Posch 2002 schon geschehen ist (A. Forschler-Tarrasch: Leonhard Posch 1750-1831. Porträtmedailleur und Bildhauer, Berlin 2002). Im Bereich der antiken Numismatik haben wir intensiv am Voranschreiten des Unternehmens Roman Provincial Coinage (RPC) mitgearbeitet. In der mittelalterlichen Numismatik ist die Neubearbeitung der deutschen Münzen des 10. und 11. Jahrhunderts begonnen (Conspectus Nummorum Germaniae Medii Aevi – CNG), und zusammen mit den Münzkabinette Paris und Wien wurde eine Sylloge Nummorum Sasanidarum (SNS) auf den Weg gebracht. Für die historischen Münzstempel und Prägewerkzeuge wurde ein Findbuch dieser über 15.000 Objekte umfassenden Sammlung veröffentlich (E. Bannicke: Münz- und Medaillenstempel, Modelle, Proben, Fälschungen. Die Sammlung des ehemaligen Stempelarchivs der Berliner Münze im Münzkabinett (Das Kabinett 6), 1999).

Frage: Vorbereitet wird vom Münzkabinett eine Neubearbeitung des „Schrötter“, also der berühmten Dokumentation über die brandenburgisch-preußischen Münzgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, die Friedrich Freiherr von Schrötter im frühen 20. Jahrhunderts veröffentlicht hat. Was können Fachwelt und Sammler erwarten? Ist denn nicht alles schon erforscht?

Kluge: Der „Schrötter“ ist in der Tat ein Werk, das man kaum überbieten kann und bis heute vorbildlich in der Darstellung und Verbindung von Münz- und Geldgeschichte. Die Katalogteile sind aber durchaus in manchem zu ergänzen und vor allem benutzerfreundlicher zu machen. In diese Richtung zielt die „Neubearbeitung“, die kein neuer Schrötter, sondern ein verbessertes Referenzwerk zum Zitieren und Nachschlagen der brandenburg-preußischen Münzen sein soll. Außerdem reicht der „Schrötter“ nur bis zum Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (reg. 1640-1688) hinunter. Die Zeit vor 1640 muß ihren Schrötter noch finden. Auch das steht auf unserer numismatischen Agenda 2010.

Frage: Welche anderen Forschungsprojekte und Publikationen sind aktuell oder in der Planung?

Kluge: Man sollte mit vollmundigen Ankündigungen vorsichtig sein. Mit dem eben erwähnten Projekt zu Brandenburg-Preußen sind wir schon erheblich hinter dem Fahrplan zurück. Weitergehen wird die Sylloge Nummorum Sasanidarum als Gemeinschaftsunternehmen Wien, Paris, Berlin. Große Projekte haben wir für die antike Numismatik, für die wir aber dringend auf Aufstockung des wissenschaftlichen Personals angewiesen sind, wenn wir hinter London und Paris nicht noch weiter zurückfallen wollen. Bisher steht unser Kustos Bernhard Weisser hier in einem titanischen Alleinkampf und verschleißt seine wissenschaftlichen Potenzen im Alltagsgeschäft. Für das Mittelalter habe ich mir als Alterswerk einiges vorgenommen, aber zunächst müssen wir bis 2006 alle Kräfte auf die Neueinrichtung der ständigen Ausstellungen sowohl im Bode-Museum als auch im Pergamonmuseum konzentrieren. Der Schwerpunkt der neuen Dauerausstellung im Bode-Museum wird in den nachantiken Epochen liegen und vier Räume umfassen. Hinzu kommt ein fünfter Raum für wechselnde Ausstellungen kombiniert mit der Möglichkeit an besonders konstruierten Schautischen „Münzen satt“ zu erleben.

Frage: Vor kurzem erhielt das Münzkabinett als Schenkung eine Sammlung konstantinischer Münzen, die im frühen 4. Jahrhundert in Trier geprägt wurden.

Kluge: Schenkungen kommen – und kamen auch früher - selten vor, besonders wenn es sich wie in diesem Fall um eine vor allem wissenschaftlich, erst in zweiter Linie materiell interessante Spezialsammlung von über 900 konstantinischen Bronzemünzen der Beata Tranquillitas-Serie handelt, die in Trier 321-323 nach Christus gemünzt wurden. Das war schon ein Glücksfall, und man ist besonders gerührt, wenn es der Ruf des Münzkabinetts ist, der den Stifter bewogen hat, diese Sammlung nach Berlin zu geben. Wir werden dafür sorgen, daß diese Sammlung als wissenschaftliches Vermächtnis erhalten und benutzbar bleibt. Die Alternative wäre die Zerstreuung. Wir sorgen für ein Stückchen Unsterblichkeit und erhalten eine besondere Sammlerleistung für die Nachwelt. Die Beata Tranquillitas Münzen im Münzkabinett werden für immer mit den Namen Dieter Alten und Carl-Friedrich Zschucke verbunden sein.

Frage: Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Numismatischen Gesellschaft zu Berlin aus, deren langjähriger Vorsitzender Sie waren?

Kluge: Seit ihrer Gründung 1843 stand die älteste deutsche numismatische Vereinigung in großenteils enger Verbindung mit dem Münzkabinett. Die Mitgliederzahlen haben sich inzwischen auch so erfreulich entwickelt, daß der Studiensaal des Münzkabinetts für die monatlichen Vortragsveranstaltungen zu klein sein wird und wir auf den Vortragsraum im Bode-Museum hoffen müssen, der aber wohl erst 2006 benutzbar sein wird. An der engen Zusammenarbeit zwischen Münzkabinett und Gesellschaft hat sich nichts geändert. Sie hat in ihre neue Satzung die Förderung des Münzkabinetts aufgenommen und fungiert gegenwärtig quasi als Förderverein des Kabinetts. Darüber hinaus wollen wir einen eigenen Förderverein des Münzkabinetts ins Leben rufen. Das soll ein Kreis von Personen sein, die etwas für das Münzkabinett tun möchten, auf deren Engagement man bauen kann. Dieser Einsatz muß sich nicht allein in Geld ausdrücken; es gibt auch vielfältige andere Möglichkeiten, das Münzkabinett zu unterstützen und mitzuhelfen, daß die Münzen in der Museumslandschaft wieder eine Lobby gewinnen. Gern würde ich aus dem Kreis Ihrer Leser dazu ein Echo hören und verspreche, auf jede diesbezügliche Anfrage zu antworten.

Helmut Caspar

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