„Blüten“ aus Sachsenhausen - Neue Ausstellung über das „Unternehmen Bernhard“ im ehemaligen Konzentrationslager nördlich von Berlin




Die im Konzentrationslager Sachsenhausen streng geheim produzierten Pfundnoten waren zum Teil so gut, dass sie sogar britische Experten täuschten.



Interesse finden bei Besuchern die Lebens- und Arbeitsbedingungen der in den Baracken 18 und 19 untergebrachten Häftlinge.(Fotos: Caspar)

Die Herstellung von Falschgeld war und ist eine beliebte Methode, um einen politischen Gegner oder einen militärischen Feind zu schädigen und Mittel für die eigene Staatskasse zu „erwirtschaften“. Sie ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, sondern gab es mindestens schon im 18. Jahrhundert, etwa als der preußische König Friedrich II. durch die Nachprägung geringhaltiger sächsischer Münzen, der sogenannten Ephraimiten, einen Millionengewinn machte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts nahm der französische Kaiser Napoleon I. gefälschte Rubelscheine auf seinem Feldzug nach Russland mit, und im Ersten Weltkrieg fälschten die Briten deutsche Reichsmarkscheine mit dem Ziel, die Währung des Kaiserreichs zu untergraben. Falsche britische Pfundnoten sowie nachgemachte Briefmarken, Pässe und andere Dokumente wurden von den Nationalsozialisten unter streng geheimen Bedingungen seit Herbst 1942 im Konzentrationslager Sachsenhausen in einer Druckerei hergestellt, die, abgetrennt vom übrigen Lager, in zwei Baracken untergebracht war.

Über das „Unternehmen Bernhard“, benannt nach seinem Leiter SS-Hauptsturmführer Bernhard Krüger, berichtet eine voraussichtlich bis Herbst 2010 laufende Sonderausstellung in der ehemaligen Lagerwäscherei der Nationalen Gedenkstätte Sachsenhausen. Die Dokumentation setzt den zur Zwangsarbeit verpflichteten Häftlingen ein ergreifendes Denkmal und berichtet, dass für das Arbeitskommando ganz bewusst jüdische Häftlinge eingesetzt wurden. Sie kamen entweder aus grafischen Berufen oder hatten ein Kunststudium hinter sich beziehungsweise waren vor ihrer Verschleppung im Banken- und Finanzwesen tätig. Den Geldfälschern wider Willen wurden manche Privilegien zuteil, ist in der Ausstellung zu erfahren, und sie erhielten auch bessere Verpflegung als die anderen KZ-Häftlinge. Ungeachtet dieser „Vorzugsbehandlung“ stand den Zwangsarbeitern ständig vor Augen, dass sie früher oder später als Mitwisser ermordet werden.

Zunächst wurde die Fälscherwerkstatt in der Baracke 19 im „Kleinen Lager“ eingerichtet, doch reichte der Platz nicht aus, und so wurde die Baracke 18 hinzugenommen. Wie in der Ausstellung betont wird, wussten nur ganz wenige Personen im Lager, aber auch im Reichssicherheitshauptamt, was in den beiden durch Bretterzäune und Stacheldraht gesicherten Baracken passiert. Eine Vorstellung vermittelt der deutsche Spielfilm „Die Fälscher“, der 2008 mit einem „Oscar“ ausgezeichnet wurde. Zwar folgt das Drehbuch einer Vorlage, die der aus der Slowakei stammende und für das „Unternehmen Bernhard“ abgestellte Häftling Adolf Burger nach dem Krieg unter dem Titel „Des Teufels Werkstatt“ veröffentlicht hat. Burger zufolge war das Drehbuch viermal überarbeitet worden, „bis alles stimmte“, doch wie ein Vergleich mit den historischen Fakten zeigt, gibt es manche Unstimmigkeiten, die den Papiergeldexperten Hans-Ludwig Grabowski, den Verfasser des 2008 im Battenberg Verlag Regenstauf erschienenen Buches „Das Geld des Terrors“ zu der kritischen Bemerkung veranlasste, es sei schade, „daß sowohl Autor als auch Regisseur mit dem Film Geschichtsaufarbeitung zum Teil an der Wahrheit vorbei betrieben haben. Damit haben sie sich und ihren Zielen am Ende keinen Gefallen getan“.

Die Ausstellung über die Herstellung falscher Pfundnoten sowie gegen Ende des Krieges über Versuche, Dollarscheine nachzuahmen, schildert Episoden aus dem Alltag der in Fälschertruppe, zeigt täuschend echt nachgebildete Pfundnoten sowie dazu gehörige Druckplatten, die sorgfältig bearbeitet wurden, und vermittelt etwas von der Atmosphäre, unter denen die unter großem psychischen Druck tätigen Häftlinge arbeiten mussten. Zu erfahren ist, dass kranke Häftlinge von der SS „ausgesondert“, das heißt ermordet wurden, weil sie die geforderte Leistung nicht mehr brachten oder weil man sie verdächtigte, die geheimen Tätigkeiten zu sabotieren. In der Ausstellung wird berichtet, dass die ersten 26 Häftlinge, die im September 1942 die Arbeit im Fälscherkommando aufnahmen, aus den Konzentrationslagern Buchenwald und Ravensbrück sowie Sachsenhausen stammten. Bis Ende 1944 wuchs das Sonderkommando auf etwa 140 Häftlinge an, viele von ihnen wurden aus Auschwitz nach Sachsenhausen gebracht. Die Produktion fand in mehreren Arbeitsbereichen und auch im Schichtbetrieb statt. Bis Februar 1945 sollen Scheine im Gesamtwert von mehr als 134 Millionen Pfund gefälscht worden sein, davon waren weniger als zehn Prozent so gut, dass Bernhard Krüger sie an seinen Auftraggeber, das Reichssicherheitshauptamt in Berlin, abliefern konnte. Für diese etwa zehn Millionen Pfund beschafften die Nazis im Ausland Devisen und Gold und bezahlten ihre Agenten. Für diejenigen Exemplare, die den Qualitätsansprüchen nicht genügten, gab es den Plan, sie über Großbritannien abzuwerfen, um die britische Wirtschaft zu schädigen, doch war dies von Hitler untersagt worden.

Philatelistisches Interesse verdienen echten britischen Postwertzeichen nachempfundene Propagandabriefmarken. Mit ihnen wurde massive Hetze gegen die englische Krone betrieben. Neben den echten Vorbildern erkennt man Nachahmungen mit den Bildnissen von König Georg VI. und Josef Stalin beziehungsweise Stalin anstelle von König Georg V. Inschriften behaupten, dass dieser Krieg ein „jüdischer Krieg“ ist. Wie in der Ausstellung zu erfahren ist, wurden diese Machwerke in Sachsenhausen von besonders versierten Häftlingen hergestellt. Es ist anzunehmen, dass ihre Wirkung gering war. Die Dokumentation macht deutlich, dass die unter ständiger Todesdrohung arbeitenden Häftlinge in vieler Hinsicht privilegiert waren. Zwar konnten sie hinter der Stacheldrahtumzäunung relativ frei bewegen und waren nicht jenem Terror der Wachmannschaften ausgesetzt, unter denen die übrigen KZ-Insassen leiden mussten. Berichtet wird, dass sie an arbeitsfreien Sonntagen lesen und Radio hören, natürlich keine „Feindsender“, außerdem war ihnen erlaubt, Karten, Schach und Tischtennis zu spielen. Dass sie auch zeichnen durften, unterstreichen einige erhalten gebliebene Blätter. Einmal in der Woche wurden die Häftlinge des Fälscherkommandos unter strenger Bewachung sogar zum Baden geführt. Trotz all dieser Vergünstigungen ließen die völlige Isolation und Todesangst das Leben in den Fälscherblocks zur Qual werden. Überlebende haben darüber ausführlich berichtet, und auch der Spielfilm „Die Fälscher“ gibt etwas von der gespenstischen Atmosphäre wieder.

Im Hinblick auf das bevorstehende Kriegsende versuchten die Häftlinge, unauffällig im Bereich der Dollarproduktion die Arbeit zu verzögern, um sich ihren Auftraggebern in der schwarzen SS-Uniform so lange wie möglich unentbehrlich zu machen und ihre geringen Überlebenschancen ein wenig zu verbessern. Dann kam am 20. Februar 1945 angesichts der herannahenden Roten Armee aus Berlin der Befehl, die Werkstatt aufzulösen. Maschinen, Werkzeuge und weitere Gegenstände wurden nach Österreich in das kleine Lager Schlier transportiert, in ein Außenlager des KZ Mauthausen. Dort sollten die evakuierten Häftlinge die Falschgeldproduktion wieder aufnehmen. Allerdings kam es durch die Kriegsereignisse jedoch nicht mehr dazu. Am 6. Mai 1945 wurden 134 Angehörige des Fälscherkommandos von den Amerikanern im KZ Ebensee, ebenfalls einem Außenlager von Mauthausen, befreit. Die Überlebenden des Falschgeldkommandos haben über Jahre hinweg freundschaftliche Kontakte gepflegt, einige publizierten ihre traumatischen Erlebnisse oder haben sie in Form von Zeichnungen zu verarbeiten versucht. So sind in der Ausstellung Erinnerungsbücher der ehemaligen Häftlinge Adolf Burger und Peter Edel sowie Zeichnungen von Leo Haas ausgelegt, der später in der DDR ein bekannter Karikaturist wurde. Die Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, einem Ortsteil von Oranienburg nördlich von Berlin, ist täglich von 8.30 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet. Weitere Informationen im Internet unter www.gedenkstaette-sachsenhausen.de oder telefonisch im Besucherdienst 03301-200300.

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