Kreuze, Steine, Stelen und Skulpturen - Wer sich umschaut, wird auf Schritt und Tritt mit Opfern der Mauer konfrontiert




Ein Mann balanciert vorsichtig auf der Mauer. Skulptur in der Axel-Springer-Straße.



Erwartungsfroh wird in der Wilhelmstraße geschaut, was das „andere“ Deutschland zu bieten hat. (Fotos: Caspar)

Wer sich im Berliner Stadtzentrum umschaut, trifft auf Schritt und Tritt Orte, die an die Mauer und die Menschen erinnern, die zwischen 1961 und 1998 den Versuch, in den Westen zu fliehen, mit dem Leben bezahlen mussten. Historiker haben die Namen von 136 Männern, Frauen und Kindern ermittelt, die bei der so genannten Republikflucht erschossen wurden, ertranken oder auf andere Art ums Leben kamen. Ungleich höher ist die Zahl derer, die im Vorfeld eines Grenzdurchbruchs, wie es auf östlicher Seite hieß, gefasst und verhaftet wurden und anschließend für längere Zeit ins Gefängnis gehen mussten. Namen und Schicksale der Flüchtlinge sind in dem vom Zentrum für Zeithistorische Forschung herausgegebenen Buch „Die Todesopfer an der Berliner mauer 1961-1989“ dokumentiert. Der 528 Seiten starke und mit zahlreichen Fotos ausgestattete Band erschien 2009 im Chr. Links Verlag Berlin (24,90 Euro, ISBN 978-3-86153-517-1).

In unmittelbarer Nähe des Reichstagsgebäudes sind zahlreiche weiße Kreuze mit Namen von Opfern von Mauer und Stacheldraht aufgestellt. Inschriften und frische Blumen und unterstreichen, dass diese Menschen nicht vergessen sind. Ähnliches kann man an einer Bronzestele in der Zimmerstraße beobachten, die dem Ostberliner Bauarbeiter Peter Fechter gewidmet ist. Er war am 17. August 1962 bei einem Fluchtversuch von DDR-Grenzern angeschossen worden und qualvoll verblutete, ohne dass ihm Hilfe zuteil wurde. An Günter Litfin wird am ehemaligen Grenzübergang Invalidenstraße erinnert. Der Stein nahe der Sandkrugbrücke ist dem 24-Jährigen gewidmet, der am 24. August 1961 vergeblich versucht hatte, den Humboldthafen zwischen Mitte und Tiergarten zu durchschwimmen und dabei tödlich getroffen wurde.

Fechter, Litfin und den vielen anderen Opfern des SED-Regimes ist auf der Straße des 17. Juni ein schlichtes Denkmal gewidmet, das aus Hohlblocksteinen besteht, die beim Bau der Mauer verwendet wurde, bevor der „antifaschistische Schutzwall“, wie Ulbricht, Honecker & Co. die Mauer zu nennen pflegten, durch Betonelemente und Selbstschussanlagen ersetzt wurden. Die ursprüngliche Widmung „Den Opfern der roten Diktatur“ wurde aus nicht erfindlichen Gründen vor einigen Jahren durch eine eher neutrale Inschrift ersetzt, die auf den Bau der Mauer am 13. August 1961 hinweist. Wenige Schritte entfernt ebenfalls auf der Straße des 17. Juni läuft der „Rufer“, eine Bronzeskulptur von Gerhard Marcks, in Richtung Brandenburger Tor. Bei der Aufstellung vor 20 Jahren wurde am Sockel eine Tafel mit der Inschrift „Ich gehe durch die Welt und rufe Friede Friede Friede“ angebracht, ein Motto, das auf den italienischen Renaissancedichter Petrarca zurück geht.

An den DDR-Grenzsoldaten Hans Conrad Schumann, der am 15. August 1961 ausgerollten Stacheldraht übersprang und sicher den Westen erreichte, erinnert das Denkmal „Mauerspringer“ am Ort des durch Fotos von Peter Leibling weltweit bekannt gewordenen Geschehens in der Bernauer Straße. Neu ist auch das in der Umgebung des Springer-Hochhauses an der Axel-Springer-Straße errichtete Denkmal „Balanceakt“, ein Werk von Stephan Balkenhol. Die Skulptur eines realistisch bemalten Mannes aus Beton, der vorsichtig auf einem Stück Mauer balanciert, wurde 2009 zum 50. Jahrestag der Grundsteinlegung für das Verlagsgebäude aufgestellt. Eine Inschrift weist darauf hin, dass der Verleger Axel Springer an seinem Traum von der Einheit Deutschlands gegen alle Widerstände festhielt. „Sein unwandelbares Bekenntnis zu Freiheit und Selbstbestimmung der gesamten Nation hat dazu beigetragen, die Mauer zu überwinden“. An der Wilhelmstraße gegenüber dem Bundesministerium der Finanzen stehen dunkel patinierte, zum farbig bemalte Stahlfiguren, mit denen der Künstler Eberhard Foest an den Fall der Mauer am 9. November 1989 erinnert. In ihrer Haltung kommen jene erwartungsfrohe Neugier auf das jeweils „andere Deutschland“ zum Ausdruck, die damals die Menschen beiderseits des Eisernen Vorhangs beseelte und den Ausruf „Waaaahnsinn“ zum Wort des Jahres werden ließ.

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