Geist der Toleranz im Nicolaihaus - Bürgerhaus in der Berliner Brüderstraße hatte viele prominente Bewohner und Nutzer




Gedenktafeln an der Fassade erzählen von der bewegten Geschichte des Nicolaihauses Brüderstraße 13 im Bezirk Mitte und nennen berühmte Bewohner und Gäste. (Foto: Caspar)

Die Hauptstadt ist mit originalen Künstlerhäusern nicht gerade reich gesegnet. Wir kennen, um im Bezirk Mitte bleiben, das Brechthaus in der Chausseestraße, das Schadowhaus in der Schadowstraße, und das Nicolaihaus in der Brüderstraße 13, die auf das ehemalige Staatsratsgebäude zuläuft. Das aus dem 18. Jahrhundert stammende Bürgerhaus ist benannt nach seinem einstigen Bewohner, dem Verleger und Schriftsteller Friedrich Nicolai, der von 1733 bis 1811 lebte und in dem Gebäude seinen Verlag unterhielt und zahlreichen Künstlern und Gelehrten ein angenehmer Gastgeber war. Zuletzt diente das Haus, an dessen Fassade mehrere Inschriftentafeln von prominenten Bewohnern und Gästen erzählen, eine Dependance der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Doch wurde dieser Standort abseits des brausenden Verkehrs auf der Leipziger Straße und der Breiten Straße von den Besuchern wenig angenommen. Ausstellungen etwa über Berliner Theater- und Zirkusgeschichte wurden kaum frequentiert, so dass sich Unterhalt als Museumsstandort für die Stiftung wohl nicht mehr lohnte.

Jetzt wurde bekannt, dass der Suhrkamp Verlag, der demnächst von Frankfurt am Main nach Berlin zieht, in das Nicolaihaus ziehen will. Die Wahl ist gut; sie führt die Nutzung des Hauses als Verlagsgebäude fort. Das Haus mit zwei Seitenflügeln und einem Hintergebäude rund um einen malerischen Hof mit einem Nussbaum in der Mitte war in DDR-Zeiten Sitz des Instituts für Denkmalpflege, dessen Mitarbeiter sich liebevoll um die Reste des originalen Interieurs sorgten und Veränderungen innen und außen verhinderten. Manch ein Leser wird sich vielleicht an die barocke Treppe im Vorderhaus und an die klassizistische, aus einem Stadtpalais in der Nähe stammende Treppe im hinteren Flügel und an die Laubengänge erinnern und vielleicht noch wissen, dass im Sommer unter freiem Himmel ein „Hoftheater“ mit typisch Berliner Sujets und frechen Gassenhauern gespielt wurde.

Ursprünglich war das Nicolaihaus Domizil von Johann Ernst Gotzkowsky, eines reichen Kriegslieferanten König Friedrichs des Großen und Kunstsammlers. Nachdem der Unternehmer im Ergebnis des Siebenjährigen Kriegs Bankrott gemacht hatte und die von ihm gegründete Berliner Porzellanmanufaktur dem König hatte verkaufen müssen, gab es einen Besitzerwechsel. Verleger Friedrich Nicolai ließ das Haus von dem Maurermeister Carl Friedrich Zelter, seines Zeichens Mitglied der Berliner Singakademie und einziger Duzfreund Goethes [1], umbauen. Das Nicolaihaus barg nicht nur die verlagseigene Büchersammlung, Lagerräume und eine Druckerei sowie im Erdgeschoss einen Buchladen, sondern auch edel ausgestaltete Salons und eine der größten Privatbibliotheken Berlins.

Unter Friedrich Nicolai und seinem Schwiegersohn, dem Verleger Gustav Friedrich Parthey, war das Haus Brüderstraße 13 eine bekannte und begehrte Adresse. Hier verkehrten der Bildhauer Johann Gottfried Schadow, der Architekt Karl Friedrich Schinkel, der Grafiker Daniel Chodowiecki, der Dichter der Befreiungskriege Theodor Körner und weitere Vertreter des künstlerischen und gebildeten Berlin, wie man damals sagte. 1910 wurde im Nicolaihaus ein Lessing-Museum eingerichtet. Der Standort hätte nicht besser sein können, unterhielt Lessing doch zu Nicolai freundschaftliche Beziehungen. Der Geist der Aufklärung und Toleranz, der lange Zeit für dieses Haus charakteristisch war, missfiel den Nazis so sehr, dass sie das Lessingmuseum 1936, im Jahr der Berliner Olympiade, schlossen.

Wie viele andere Bürgerhäuser im Berliner Zentrum durch alliierte Bomben beschädigt, aber nicht gänzlich zerstört, erlebte das Haus nach dem Zweiten Weltkrieg ein Comeback als Sitz der DDR-Denkmalpflege – und nun, nach musealem Zwischenspiel, als Verlagshaus. Suhrkamp und seiner Chefin Ulla Unseld-Berkéwicz, sei dieser ans Herz gelegt, ihren neuen Sitz dem Berliner Kulturleben auch außerhalb der Bürostunden offen zu halten, vielleicht sogar eine kleine Ausstellung über Nicolai und seine Freunde einzurichten und es im Sommer wieder möglich zu machen, dass im Schatten des alten Nussbaums wieder Theater gespielt wird.

[1] mehr über diesen bemerkenswerten Handwerker und Musiker,
der es bis zum Professor brachte, hier.(Wikipedia)

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