Munteres Funktionärsleben mit Sonderzuteilungen –
Ulbricht & Co. richteten sich im Pankower Ortsteil Niederschönhausen wohnlich ein, wie eine neue Ausstellung berichtet



Walter Ulbricht als Staatsratsvorsitzender 1964 in seinem Arbeitszimmer, das ihm nach dem Tod von Wilhelm Pieck im Schloss Schönhausen eingerichtet wurde. (Repro: Caspar)



In den beiden Torhäusern zum Schönhausener Schlosspark erinnert eine neue Dauerausstellung an die Geschichte der Funktionärssiedlung Niederschönhausen und seiner dort wie im goldenen Käfig lebenden Bewohner. (Foto: Caspar)

Wer in den frühen fünfziger Jahren „Pankow“ sagte, muss nicht unbedingt den bekannten Bezirk in Ostberlin gemeint haben, sondern hatte vielleicht den zweiten deutschen Staat und seine kommunistischen Führer insgesamt im Visier. Zumindest sprach Bundeskanzler Konrad Adenauer grundsätzlich von „Pankoff“ und brachte mit diesem Schimpfwort, aber nicht allein damit, die SED-Riege um Walter Ulbricht auf die Palme. Für die Ost- und die Westdeutschen war das von der Außenwelt durch Mauern und Gitterzäune vom übrigen Stadtbezirk abgetrennte „Städtchen“ im Pankower Ortsteil Niederschönhausen und unweit des ehemaligen königlichen Schlosses Schönhausen nicht zu durchschauen. Man wusste irgendwie, dass sich hier Spitzenfunktionäre, die dem SED-Politbüro beziehungsweise seinem Zentralkomitee angehörten, sowie Angehörige der DDR-Regierung mit ihren Familien in Villen aus der Kaiserzeit wohnlich eingerichtet hatten, die nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet worden waren. Durch die DDR-Medien erfuhr man dann und wann, dass Staatspräsident Wilhelm Pieck im edlen Rokoko-Ambiente des Schlosses Schönhausen Empfänge gab, Botschafter empfing, Orden verlieh und Nationalpreisträger mit der goldenen Goethe-Medaille dekorierte. Dann bogen sich die Tische von den schönsten Speisen und edelsten Getränken, die vielfach vom „Klassenfeind“ im nahe gelegenen Westteil der Stadt herbeigeschafft worden waren.

Für die Bewohner des nach sowjetischem Vorbild für die Spitzen der DDR-Nomenklatura errichteten Städtchens galt selbstverständlich nicht, was für den Rest der DDR-Bevölkerung obligatorisch war. Rund um den Majakowskiring musste man sich nicht einschränken, hatte immer freie Fahrt und bezahlte lächerliche Mieten für die gediegen eingerichteten Wohnhäuser mit Möbeln oft noch von den früheren Besitzern. Für alle Dinge des täglichen Lebens gab es Sonderzuteilungen und spezielle Kontingente, und die Bediensteten hatten ihren Chefs alle Wünsche von den Augen abzulesen. Das Haus von Walter Ulbricht hatte sechs Zimmer, im Keller waren Stasi-Mannschaften untergebracht, die das gesamte Areal bewachten und jeden Besucher streng kontrollierten. Die Journalistin Carola Stern berichtete in einer 1964 veröffentlichten Biographie des SED-Chefs und Staatsratsvorsitzenden, das „Herrenzimmer“ erinnere an die gute Stube eines Werkmeisters oder Kleinunternehmers. Wenn sehr vertraute Genossen über das Wochenende oder noch am späten Abend zu einer Besprechung kamen, konnte es vorkommen, „dass sie ihr Generalsekretär in Wolljacke und Kamelhaarschlappen empfing. Dann wirkte er wie ein biederer Handwerksmeister, der von seinem ersparten Geld ein kleines Haus gebaut hat“.

Hinter der Fassade des jovialen Biedermanns und freundlichen Gastgebers verbarg sich ein knallharter Machtmensch, der über Leichen ging und sich wegen seines halsbrecherischen Politkurses in Richtung auf den Aufbau des Sozialismus und Kommunismus in der DDR sogar mit der Sowjetführung anlegte und 1971, als er nicht mehr zu halten war, von Erich Honecker, seinem Ziehsohn, abgelöst und in die Wüste geschickt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Funktionärssiedlung Niederschönhausen schon ihren Rang als „verbotene Stadt“ an die fünf Jahre nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 errichtete Waldsiedlung Wandlitz abgegeben, während das Schloss Schönhausen in ein Regierungsgästehaus umfunktioniert wurde. Erst im so genannten Wendeherbst 1989 wurden Einzelheiten über das Leben sowohl im „Städtchen“ Niederschönhausen, wenige hundert Meter vom Schloss Schönhausen entfernt, beziehungsweise in der von der Außenwelt durch schwer bewachte Sperrkreise abgeschotteten Waldsiedlung Wandlitz bekannt. Dort waren die Häuser von Honecker, Stoph, Mittag, Mielke, Krenz und anderen Politbüromitgliedern ähnlich piefig eingerichtet wie das von Ulbricht in Niederschönhausen. Allerdings waren Fliesen, Badezimmerarmaturen, Fernseher und ähnliches nicht ostdeutscher Produktion, sondern stammten vom verhassten Klassenfeind, so wie auch das Angebot in Sonderläden in den wenigsten Fällen volkseigener Herkunft war. So viel Komfort und Distanz zum Rest der DDR musste schon sein!

Deutsch-deutsche Geschichte wurde 1990 im Schloss Schönhausen und dem benachbarten Kongresszentrum bei den Zwei-plus-vier-Verhandlungen über die Modalitäten der Wiedervereinigung geschrieben. Außerdem tagte hier der Zentrale Runde Tisch, an dem es um den Umgang mit den politischen und wirtschaftlichen Hinterlassenschaften der untergehenden DDR ging. Ende 2009 wird das von Dach bis Keller sanierte Schloss Schönhausen wieder zugänglich sein. Dann will die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg an die Zeit erinnern, als hier die Gemahlin Friedrichs des Großen, Elisabeth Christine, residierte, Wilhelm Pieck sich als „Arbeiterpräsident“ feiern ließ und Ulbricht beziehungsweise Honecker Staatsgäste empfingen. Eine Ausstellung in den beiden Torhäusern zum Schlosspark Niederschönhausen erinnert an die wechselvolle Geschichte des Viertels und lässt die „verbotene Stadt“ anhand von Bildern und Dokumenten aufleben.

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