"Jetzt schreien alle, und wenn das Schloss weg ist, dann kräht kein Hahn
mehr danach", behauptete DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl vor 60 Jahren
nach der Besichtigung des riesigen Trümmerhaufen, der einmal das Berliner
Stadtschloss gewesen war. Am 30. Dezember 1950 war der Hohenzollernbau
Vergangenheit. Angekündigt wurde das Ende des Berliner Schlosses, das am 6.
September 1950 mit der Zündung der ersten Sprengladungen begonnen hatte,
durch Walter Ulbricht auf dem III. Parteitag der SED im Juli 1950. Der
Parteischef erwähnte das Schloss nur indirekt, als er sagte: "Das Zentrum
unserer Hauptstadt, der Lustgarten und das Gebiet der jetzigen Schlossruine,
müssen zu dem großen Demonstrationsplatz werden, auf dem der Kampfwille und
Aufbauwille unseres Volkes zum Ausdruck finden können".
Die Ostberliner Presse erweckte den Einruck, die "Ruine" sei nicht mehr zu
retten, und niemand könne sich Wiederaufbaukosten von 50 Millionen Mark
leisten. Appelle von Architektur- und Kunsthistorikern an die Regierung, das
Schloss wegen seiner überragenden künstlerischen und historischen Bedeutung
zu verschonen, wurden vom Tisch gewischt. Offiziell wurde der Abriss damit
begründet, es fehle an Geld und Baumaterial. In Wahrheit aber rächte sich
der SED-Staat an einem unliebsamen Zeugen preußischer und deutscher
Geschichte. Außerdem brauchte er eine Tribüne für Großdemonstrationen, die
jedoch nur wenige Jahre dafür benutzt wurde.
Um die Öffentlichkeit zu beruhigen, verbreitete der Ost-Berliner Magistrat
das Gerücht, man werde die bedeutendsten Teile des Schlosses, etwa den
Schlüterhof, sorgfältig demontieren, um sie an anderer Stelle wieder
aufzubauen. 1963 hat man gerettete Figuren vom Schlossportal V, dem so
genannten Liebknechtportal, der Eingangsfront des Staatsratsgebäudes
eingefügt. Den Relikten wurde nur deshalb Wert zuerkannt, weil der linke
Parteiführer Karl Liebknecht am 9. November 1918 vom Balkon des
Schlossportals die sozialistische deutsche Republik ausgerufen hatte.
Nachdem am 6. September 1950 die ersten Sprengladungen gezündet worden
waren, war kein Halten mehr. Als erstes fiel der Apothekenflügel am
Spreeufer und mit ihm die ältesten Teile des Schlosses. Am 15. September
kamen die Abschnitte an der Schlossfreiheit dran, danach Bereiche am
Schlossplatz. Ende Oktober war das noch gut erhaltene Portal I verschwunden.
Am 14. November fiel der künstlerisch besonders wertvolle Schlüterhof mit
seinem reichen plastischen Schmuck, während das Eosanderportal und die
ausgeglühte Kuppel darüber, ein Wahrzeichen der Stadt, als letzte am 30.
Dezember um 15 Uhr in einer riesigen Dreckwolke in sich zusammen sanken. Das
Zerstörungswerk war früher als geplant beendet.
Um den Hohenzollernbau, den Kenner mit dem Louvre in Paris, dem Petersdom in
Rom und anderen großen Zeugnissen der Kunstgeschichte verglichen, zu
vernichten, wurden 13 000 Kilogramm Sprengstoff gebraucht. Am 1. Mai 1951
kamen die Ost-Berliner zu einer "machtvollen Demonstration für Frieden und
Einheit" auf den in Marx-Engels-Platz umbenannten Schlossplatz zusammen. Die
Debatte über den Wiederaufbau des Schlosses kam nach dem Ende der DDR in
Gang. In zwei Jahren soll nach elend langer Diskussion der Wiederaufbau als
Humboldt-Forum beginnen.
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