Heilige Lehrer in Kirchengewölben - Neue Dokumentation über
brandenburgische Wandmalereien



In erstaunlicher Frische blieb das Bild des heiligen Hieronymus, der einen Dorn aus einer Löwenpranke zieht, in der Sakristei der Marienkirche in Beeskow (Landkreis Oder-Spree) erhalten. Repro aus dem besprochenen Band

Das hundert Jahre alte und immer wieder neu aufgelegte Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, als "Dehio" gut bekannt nach seinem ersten Herausgeber, dem Kunsthistoriker Georg Dehio, erwähnt sie meist am Rande. Doch gehören sie zu den herausragenden Kunstschätzen aus mittelalterlicher Zeit - die Ausmalungen von Kirchen und Kapellen. Wie Glasfenster und geschnitzte Altäre wurden die Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament und die gemalten Märtyrerlegenden von den Gläubigen, die meist nicht lesen und schreiben konnten, als "heilige Lehrer" geschätzt. Vielfach überstanden die Fresken, zu denen auch Pflanzen, groteske Figuren und phantasievoll gestaltete Ornamente gehören, den Bildersturm in der Reformationszeit und den Geschmackswandel danach. Oft hat man den bunt bemalten Putz aus Sparsamkeitsgründen nur überstrichen, nicht aber gänzlich abgeschlagen.

Nach jahrelanger Forschungsarbeit hat jetzt das Brandenburgische Landesdenkmalamt den ersten Band einer Schriftenreihe zu diesem weitgehend unbekannten Thema herausgebracht. Erfasst sind in der Dokumentation die Wandmalereien in der Niederlausitz. In der vielgestaltige Kulturlandschaft im brandenburgischen Südosten sind viele Raumausmalungen vom 13. bis zum 15. Jahrhundert erhalten. Landeskonservator Detlef Karg hob bei der Vorstellung des Buches hervor, bisher habe man mit der Substanzerhaltung hauptsächlich von Bauwerken zu tun gehabt, bei den Ausstattungen aber stehe man erst am Anfang. Nur ein Sechstel des Bestandes sei bisher bekannt, doch das sei ein "Sahnehäubchen" der Kunst und der Denkmalpflege. Moralische und finanzielle Unterstützung werde weiterhin gebraucht, um bei der Erforschung und Erhaltung dieses unvergleichlichen Schatzes voranzukommen, sagte Karg. Er sprach damit direkt die brandenburgische Kulturministerin Martina Münch an, die sich bei der gleichen Gelegenheit klar dafür einsetzte, die großartigen, ausdrucksstarken Hinterlassenschaften weithin bekannt zu machen und damit zu sorgen, dass auch künftige Generationen sie betrachten und verstehen können.

Viele in dem Buch erfasste Malereien wurden in den vergangenen Jahren entdeckt und sind in dem Buch erstmals publiziert. Da und dort haben sich Heimatfreunde stark gemacht, die Ausmalungen zu sichern und zugänglich zu machen. Das Buch nennt, stellvertretend für weitere Bürgerinitiativen, den Verein Briesener Fresken e. V.

Nach Aufsätzen über die Niederlausitz als Kunstlandschaft und ihren Kirchenbau, über sakrale Ausmalungen im Spiegel der Laienfrömmigkeit, über die Maltechniken und Maßnahmen zur Pflege dieser oft nur noch schemenhaft erkennbaren Bilder folgt ein von Atterwasch bis Zaune reichender Katalogteil. Kirche für Kirche wird hier erläutert, was die Bilder bedeuten, wie sie erhalten sind und welche restauratorischen Maßnahmennötig sind.

Über seine Bedeutung als Wegleitung durch mittelalterliche Kirchen und Kapellen hinaus ist das Buch eine Anleitung für den Umgang mit Wandmalereien. Viele gingen durch Umbauten, aber auch durch Veränderungen in der Liturgie verloren, manche aber blieben hinter Kanzeln, Emporen, Orgeln, Grabmälern und anderen Einbauten in erstaunlicher Frische erhalten. Dass man in der Niederlausitz weniger bemalten Putz abgeschlagen hat als in anderen Regionen, ist offenbar sparsamem Denken geschuldet. Lange waren die Ausmalungen verborgen; erst im 19. Jahrhundert schwante Denkmalpflegern, dass man sich um sie kümmern sollte. Doch ging man mit ihnen oft rigoros um, ergänzte Fehlstellen nach eigenem Gusto oder überstrich sie nach kurzer Freilegung wieder. Das wäre heute unmöglich. Das Buch leistet deutschlandweit Pionierarbeit; es ist ein gelungener Auftakt für weitere Bände. Erwartet wird für die kommende Zeit eine weitere Folge über den Bestand in der Gegend um Herzberg und Jüterbog.

Mittelalterliche Wandmalerei in Brandenburg. Band 1: Der Südosten - die Brandenburgische Lausitz. Herausgegeben vom Brandenburgischen Landesamt und Archäologischen Landesmuseum, Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2010, 238 S., zahlreiche meist farbige Abb., 48 Euro.

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