Aus dem Dornröschenschlaf erweckt - Bundestag richtet das Schadowhaus in der Schadowstraße für seine Zwecke her



Johann Gottfried Schadow blickt von seinem Wohnhaus in der Schadowstraße auf die Passanten zurück. Der Deutsche Bundestag richtet das Gebäude für seine Zwecke her, ob auch für die kunstinteressierte Öffentlichkeit, hängt von der obersten Volksvertretung ab. (Foto: Caspar)

Wer auf der Straße Unter den Linden flaniert, sollte einen Abstecher in die Schadowstraße ein paar hundert Meter vom Brandenburger Tor entfernt machen. Im klassizistischen Wohn- und Atelierhaus, in dem der Bildhauer Johann Gottfried Schadow von 1805 bis zu seinem Tod 1850 lebte und arbeitete, richtet sich der Deutsche Bundestag derzeit ein Verwaltungsgebäude ein. Restauratoren haben in den weitgehend noch im Zustand des 19. Jahrhunderts befindlichen Räumen wertvolle klassizistische Ausmalungen gefunden, die im Zusammenhang mit der Generalsanierung wieder sichtbar gemacht werden sollen. Diese Wand- und Deckendekorationen und das Wandgemälde von Eduard Bendemann, das die „Künste am Brunnen der Poesie“ versinnbildlicht, warten darauf, öffentlich gezeigt zu werden.

Die Wiederherstellungsarbeiten, ja die Erweckung des Schadowhauses aus jahrzehntelangem Dornröschenschlaf sind deshalb so bedeutsam, weil es in Berliner Innenstadt außer dem Schadowhaus kein anderes Gebäude dieses Alters gibt, das eine solche künstlerischen Ausstrahlung und historische Authentizität besitzt, wenn wir einmal vom Nikolaihaus in der Brüderstraße absehen, das zuletzt von der Stiftung Stadtmuseum als Ausstellungsgebäude genutzt wurde und nun vom Suhrkamp Verlag als neuer Firmensitz hergerichtet wird.

Die Wohnräume des Bildhauers und Akademiedirektors Johann Gottfried Schadow sind im Schadowhaus noch erhalten, wenn auch das Inventar fehlt. Es ist überliefert, dass gekrönte Häupter und prominente Reisende gelegentlich bei dem berühmten, durch Berliner Wortwitz gesegneten Künstler vorbei schauten und sich von ihm porträtieren ließen. Ein Jahr nach seinem Einzug in sein neues Haus verfiel Schadow in tiefe Depression, als er von den französischen Besatzern gezwungen wurde, seine in Kupfer getriebene Quadriga vom Brandenburger Tor auseinander zu nehmen und für den Abtransport als Kriegsbeute nach Paris vorzubereiten. Um so glücklicher war er, als die schöne Wagenlenkerin mit ihren vier Pferden 1814 im Triumphzug zurück kehrte und wieder auf das Tor gehievt wurde.

Die Schadow Gesellschaft Berlin, die mehrere Jahre im Wohnhaus des Künstlers untergebracht war und mit großem Engagement dafür sorgte, dass sechs bronzene Generalsfiguren wieder den Zietenplatz unweit der Wilhelmstraße schmücken, möchte das klassizistische Wohn- und Atelierhaus Schadows wenigstens teilweise für Ausstellungen und andere Veranstaltungen zugänglich machen und weist den Deutschen Bundestag darauf hin, dass es nicht angemessen wäre, den Bau nur für Bürozwecke zu verwenden. Neben seiner Inanspruchnahme durch die oberste Volksvertretung sollte das Haus, dessen Fassade mit einem Altersporträt des Bildhauers und mit anderen, zur Zeit allerdings im Depot befindlichen Reliefs nach Schadows Entwürfen geschmückt ist, ein lebendiger Ort der Begegnung von Menschen werden, die in historischem Ambiente an Vorträgen, Lesungen, Konzerten und Ausstellungen teilnehmen wollen.

Um ihre Wünsche zu bekräftigen, hat die Schadowgesellschaft dem Deutschen Bundestag Reliefs, die Skulptur „Paris mit dem goldenen Apfel“ sowie Erklärungstafeln zum Einbau in den Eingangsflur geschenkt. Die künftige Nutzung des Schadowhauses als Kombination von Bürogebäude und Kulturzentrum ist noch nicht entschieden. Der Deutsche Bundestag gewänne viel Sympathie, wenn er sich entschlösse, unter bestimmten Bedingungen dem Schöpfer der Quadriga auf dem Brandenburger Tor und weiterer großartiger Bildwerke durch Öffnung des Gebäudes für kunst- und geschichtsinteressierte Besucher seine Reverenz zu erweisen.

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