Nicht alle erreichten das rettende Ufer - Spektakuläre Fluchtgeschichten in dem Buch „Der Letzte macht das Licht aus...“



In der Nähe des Reichstagsgebäudes erinnern weiße Kreuze daran, dass Menschen bei der Flucht durch die Spree erschossen wurden oder ertranken.



Eine Ausstellung im Nordbahnhof zeigt, dass es Flüchtlingen gelang, die Sperren in den so genannten Geisterbahnhöfen und in unterirdischen Bahnstrecken zu überwinden.



Die Freiluftausstellung in der Gedenkstätte Bernauer Straße dokumentiert die Grausamkeit des Grenzregimes zwischen Ost und West. (Fotos: Caspar)

Der letzte DDR-Flüchtling der DDR war Erich Honecker. Wie es dem am 18. Oktober 1989 gestürzten SED-Chef und Staatsratsvorsitzenden gelang, sich seinen Richtern zu entziehen, aber mehr noch, wie es bis zum Fall der Mauer am 9. November 1989 so genannten Republikflüchtlingen erging, schildert der Historiker Klaus Behling in seinem Buch „Der Letzte macht das Licht aus“. Es erschien jetzt im Verlag Berlin Story, hat 198 Seiten und kostet 16,80 DM (ISBN 978-3-86368-038-1).

Zahlreiche Gedenkstätten erinnern in Berlin und entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, dass zu allem entschlossene Leute immer wieder unter Lebensgefahr versucht haben, dem Machtbereich erst von Walter Ulbricht und dann ab 1971 von Erich Honecker zu entweichen. Behling dokumentiert 250 besonders spektakuläre Fluchtgeschichten und dokumentiert die Motive tausender Menschen, Zuhause und Arbeitsstelle sowie Familien und Freunde zu verlassen, um im Westen ein neues Leben zu beginnen. Die einen kletterten über den „antifaschistischen Schutzwall“, wie die DDR-Propaganda die Mauer nannte; andere versuchten es mit Ballons und Kleinflugzeugen, durchschwammen Flüsse oder zwangen sich unter Lebensgefahr durch Tunnel und durch das Labyrinth der Berliner S- und U-Bahn. Ab und zu gelang die Flucht mit gefälschten Papieren, mit Hilfe von westlichen Fluchthelfern oder auch versteckt in umgebauten Autos. Wer es schaffte, hatte mit Traumata zu tun, und wenn es sich um prominente Personen handelte, litten sie unter der Angst, eines Tages in den Osten verschleppt zu werden. Auch solche Fälle schildert das Buch.

Einer großen Zahl von DDR-Bewohnern gelang es nicht, das rettende Ufer zu erreichen oder die schwer bewachte Sperrmauer zu überwinden. Die Zahl derer, die es per Ausreiseantrag schafften, ging in die Hunderttausende. Doch vielen dauerte das mit Diskriminierung und Ausgrenzung verbundene Verfahren zu lange. Und wenn Flüchtlinge geschnappt wurden, machte sich die Stasi über sie her. Deren wichtigste Aufgabe es war, die Grenze zu sichern und mit allen Mitteln Durchbrüche zu verhindern. In Sorge um den Bestand des Arbeiter-und-Bauern-Staates schleuste Mielkes Ministerium, wie Behling schildert, Spitzel in „feindlich-negative“ Kreise ein, um Fluchtpläne auszuspionieren. Wegen Republikflucht oder dem Versuch dazu zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt, hatten die zu Staatsfeinden erklärten DDR-Bewohner nur noch eine Hoffnung – Freikauf durch die Bundesrepublik Deutschland. Für 33 755 Häftlinge kassierte die DDR rund 3,4 Milliarden DM.

Wenn es nach Honecker gegangen wäre, dann hätte der Arbeiter-und-Bauern-Staat seine marode Wirtschaft mindestens noch 50 oder hundert Jahre auf diese Weise alimentiert.

Als der mächtigste Mann der DDR Anfang 1989 zu allgemeinem Entsetzen diese Prognose abgab, war das der Grund für zahlreiche Menschen, alles daran zu setzen, über Ungarn oder die bundesdeutsche Botschaft in Prag in den Westen zu kommen. Ungeachtet dieser Massenbewegung gab es selbst unmittelbar vor dem Mauerfall noch Fluchtversuche mit tragischem Ausgang. Zwei endeten im Oktober und November auf dem Bahnhof Bad Brambach beziehungsweise in den eiskalten Fluten der Oder. Dass Honeckers Nachfolger Egon Krenz in den dramatischen Wochen des Wendeherbstes 1989 seine Flucht und die seiner engsten Genossen nach Moskau planten, ist kein Staatsgeheimnis mehr. Klaus Behling weist am Ende eines Buches nach, dass den SED- und DDR-Oberen am Ende doch die eigene Sicherheit näher lag als das Wohl ihrer Untertanen.

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