Aussagestarke Leichtgewichte - Im 12. und 13. Jahrhundert entstanden mit den Brakteaten Meisterwerke der Gravierkunst



Besonders prächtig gestaltet ist dieser Brakteat des Sachsenherzogs Heinrich des Löwen, an den in Braunschweig ein prächtiges Löwendenkmal aus Bronze erinnert. Die Silbermünze ist in der Ausstellung des Münzkabinetts im Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel zu sehen.



Im Brandenburger Paulikloster, dem Archäologischen Museum des Landes Brandenburg, sind etliche Münzschätze ausgestellt, darunter auch solche aus der Brakteatenzeit mit ganzen und zerschnittenen Hohlpfennigen. (Fotos: Caspar)

Die Brakteaten gehören zu den Meisterwerken der mittelalterlichen Gravierkunst. Bei den leichtgewichtigen und zerbrechlichen Hohlpfennigen aus Silber erscheint das erhabene Bild der Vorderseite vertieft auf der Rückseite. Bei der Namenswahl mag der Berufsstand der Goldschläger Pate gestanden, die man lateinisch „Brakteator“ oder „Bractearius“ nannte. Die Bezeichnung für die ungewöhnlich großen Münzen erscheint laut Friedrich von Schrötters „Wörterbuch der Münzkunde“ (1930) erstmals in einer Urkunde von 1368, wo von einem „holen Pfennig bracteati“ die Rede ist. Die mittelalterlichen Brakteaten hatten Vorläufer, denn schon in nachantiker Zeit stellte man dünne Goldbleche her, die entfernt an die Hohlmünzen der Stauferzeit (1138-1254) erinnern. Auf Kleidungsstücke genäht oder am Hals und Arm getragen, dienten die kleinen Goldbleche als Schmuck und Abzeichen feudaler Macht. Archäologen haben sie da und dort in fürstlich ausgestatteten Gräbern gefunden.

Zahlreiche geistliche und weltliche Fürsten traten mit den prächtig dekorierten, aber im täglichen Geldverkehr recht unpraktischen Brakteaten hervor. Ungewöhnlich groß und mit hohen Reliefs ausgestattet, unterschieden sie sich von den kleinen und kompakten Silberdenaren. Die Hohlpfennige boten mehr Platz als alle anderen Münzen, um Stand und Macht der jeweiligen Feudalherren und ihre Nähe zu Gott und den Heiligen zu würdigen. Als sich im späten 17. Jahrhundert die Numismatik als historische Wissenschaft etablierte und sich Forscher und Sammler auch für das frühe Geld ihrer Heimat interessierten, nannte man die oft talergroßen Geldstücke mit ihren prächtigen Porträt-, Reiter-, Tier- und Architekturdarstellungen schlicht Blechmünzen. In einem 200 Jahre alten „Handwörterbuch der gesammten Münzkunde für Münzliebhaber und Geschäftsleute“ heißt es, die Gepräge seien meistens schlecht, aber unendlich verschieden. „Die Untersuchung der Brakteaten ist überhaupt schwierig, und leider ist die Sache dadurch noch verworrener geworden, daß müßige Köpfe neuerlich die Kunst erfanden und fleißig ausübten, seltene Brakteaten nachzuschlagen, um die Liebhaber zu befriedigen, daß dabei Verfälschungen der Urgepräge, auch wohl ganz neue Erfindungen mit unterlaufen, läßt sich leicht denken“. Die Bemerkung von Carl Christoph Schmieder in dem Lexikon zielt auf das Interesse von Münzsammlern an den leichten Blechmünzen und auf Fälscher ab, die die begehrten Stücke mit nachgeschnittenen Stempeln in alter Technik produzierten und damit nicht nur einigen Profit machten, sondern auch viel Verwirrung stifteten. Dass nicht nur Brakteaten von solchen Machenschaften betroffen waren und sind, sondern auch andere Münzen gleich welchen Alters, sei ausdrücklich vermerkt.

Nach damaligem Brauch galten Münzen nur dort, wo sie geprägt wurden, weshalb man auch von regionalen Pfennigen spricht. Um aber reibungslose Ware-Geld-Beziehungen gewährleisten und auszubauen, entstanden überall Münzstätten, die nicht nur für den Kaiser und die großen Territorialfürsten arbeiteten, sondern auch für Klöster und Burgherren. Forscher haben an die 400 solcher Schmieden gezählt. Brakteaten sind aus den geistlichen und weltlichen Territorien an der Nordseeküste sowie aus der Mark Brandenburg, vom Bereich des Harzes bis nach Thüringen, Hessen, Bayern und aus der Schweiz überliefert. Weitere bedeutende Zentren der durch den deutschen König privilegierten Hohlpfennigprägung waren die Mark Meißen und der Herrschaftsbereich Herzog Heinrichs des Löwen mit Braunschweig als Residenz. Die dort geprägten Brakteaten Heinrichs des Löwen und seines Sohns Otto IV. sind gut an dem Wappentier der Welfen, dem Löwen, zu erkennen. Auf den Münzen sind die Löwen zumeist ohne Beiwerk dargestellt; besonders prächtige Ausführungen zeigen den König der Tiere in prachtvollem architektonischem Rahmen. Aus Schatzfunden geht hervor, dass diese Brakteaten in einem begrenzten Raum umliefen, allerdings wurden welche auch in größeren Entfernungen entdeckt.

Dass man auf schöne Münzbilder großen Wert legte und fantasievolle Darstellungen mit ungewöhnlich hohen Reliefs erfand, ist Ausdruck der aufblühenden Kultur und Kunst in der Zeit des Stauferkaisers Friedrich Barbarossa und seiner Nachfolger. Stempelschneider mögen für ihre numismatischen Bilderfolgen Anregungen aus der damals florierenden Buchmalerei und Bildhauerkunst bekommen haben; doch ließen sie sich wohl auch von Erzählungen der Kreuzritter und ihren Mitbringseln aus dem Heiligen Land inspirieren. Unverkennbar sind stilistische und handwerkliche Bezüge zu damals in reichem Maße zur Beglaubigung von Urkunden und zum Verschließen von Briefen verwendeten Darstellungen auf Siegeln. Auffällig sind auf vielen Brakteaten Verbindungen zur romanischen Architektur etwa dort, wo Bilder von Heiligen und Fürsten durch Türme und Bögen eingerahmt sind.

Da man die aus einer guten Silberlegierung bestehenden Brakteaten nach ihrem Gewicht bewertete, kam es vor, dass man sie zerschnitt oder zerbrach, wenn kleine Beträge zu bezahlen waren. Deshalb kommen in Münzfunden viele auf diese Weise zugerichtete Hälblinge und noch kleinere Werte vor. Da etwa 290 Hohlmünzen auf die Gewichtseinheit kölnische Mark zu 233,8 Gramm gingen, entfallen auf jeden Brakteaten nur etwa 0,7 bis 0,9 Gramm. Zwar besaß jedes einzelne dieser Leichtgewichte eine beachtliche Kaufkraft. Aber wenn größere Summen im Spiel waren, rechnete man nach größeren Gewichtseinheiten wie Schillingen zu je zwölf Pfennigen, nach Talenten, auf die 240 Pfennige gingen, oder nach Mark Silber.

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