Hilfreiche Silberpartikel - Warum bayerische Madonnentaler mit Feilstrichen verunziert sind



Unübersehbar sind die Feilstriche auf dem Madonnentaler von 1795 mit dem Porträt des bayerischen Kurfürsten Karl Theodor:



(Ausschnitt, vergr.)



Unbeschädigt ist die von einem Strahlenkranz eingehüllte Mondsichelmadonna auf dem 1545 geprägten Taler der Stadt Goslar. (Repros: Caspar)

Münzen und Medaillen mit der Darstellung der Gottesmutter sind unter Sammlern beliebt. Oft kommen sie mit Henkeln oder vergoldet vor, was auf ihre Verwendung als Schmuck oder Amulett deutet. Dass die Madonna auf einer Mondsichel stehend oder thronend als Himmelskönigin dargestellt wird, der Sonne, Mond und Gestirne untertan sind, geht auf die „Offenbarung des Johannes“, bei der es zu Beginn des Kapitel 12 heißt: „Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen. Sie war schwanger und schrie in Kindsnöten und hatte große Qual bei der Geburt. [...] Und sie gebar einen Sohn, einen Knaben, der alle Völker weiden sollte mit eisernem Stabe. Und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und seinem Thron.“ In dem Bibeltext wird von einem großen roten Drachen mit sieben Köpfen gesprochen. Das Ungeheuer ist nichts anderes als der Teufel, der das Kind, sobald es geboren ist, auffressen will. Unklar ist die Bedeutung des „eisernen Stabes“, ebenso ob mit dem Knaben Jesus und mit der Frau Maria, seine Mutter, gemeint sind.

Das Motiv der Madonna, ob über einer Mondsichel stehend oder sitzend oder ohne sie, war schon im Mittelalter so beliebt, dass man sie auf zahlreichen Wandbildern, Gemälden und Skulpturen dargestellt hat. Seit dem späten Mittelalter erscheint sie als Patronin in verschiedenen Ländern auf Münzen und Medaillen, wobei vor allem Ungarn und Bayern zu nennen sind. Die Bilder unterstreichen die Verehrung der von einer Aureole umgebenen Madonna mit dem Christuskind auf dem Arm. Dass man in ihr eine Königin sah, zeigen die Krone auf ihrem Kopf sowie das Zepter in der Hand. Solche Marienmünzen aus Gold oder Silber hat man gern als Amulette bei sich getragen, um sich vor Krankheit, Unfall und Tod zu schützen. Ähnliches erhoffte man auch von Münzen mit dem als Märtyrer verehrten Heiligen Georg, der nach der Legende einen gräulichen Drachen niedersticht, sowie von Geprägen mit anderen Heiligendarstellungen.

Auf eine Besonderheit sei aufmerksam gemacht, nämlich dass manche Münzen mit Madonnendarstellungen Feilstriche aufweisen. Man könnte meinen, die Beschädigungen hätten etwas mit Justierung zu tun, seien also Spuren für die Berichtigung oder Verminderung des Gewichts einer Münze durch Befeilen. Tatsächlich aber sind diese Beschädigungen Hinweise auf einen alten Volksglauben, demzufolge das abgeschabte Silberstaub bei der Behandlung von Wunden hilfreich ist. Man tat die Staubteilchen in eine Flüssigkeit und bestrich mit ihr eine Wunde. Die uns absonderlich erscheinende Methode hat durchaus einen rationellen Kern, denn Silber besitzt eine keimtötende und heilende Wirkung, weshalb es in chemisch gelöster Form auch in Salben, Nasentropfen, Sprays und anderen Präparaten vorkommt, wie jeder Apotheker bestätigen wird. Auf vielen bayerischen Madonnentalern des 18. Jahrhunderts sind solche Spuren zu erkennen, und zwar bezeichnenderweise nicht auf dem Bild der jeweiligen Kurfürsten, sondern nur auf der Rückseite, auf der die Madonna mit einer Mondsichel zu den Füßen und dem Jesuskind erscheint, das den Reichsapfel als Symbol für die Herrschaft über der Welt in der Hand hält.

Madonnendarstellungen mit und ohne Mondsichel und ganz allgemein solche mit Heiligenbildern und Motiven aus dem Alten und dem Neuen Testament auf geprägtem Metall sind häufig. Sie zu sammeln ist ein ausgesprochen reizvolles und lehrreiches Gebiet. Wenn man sich in dieses Thema vertieft, wird man schnell sehen, dass solche Bilder über alle Bekenntnisse hinweg beliebt waren und nach der Reformation auch in Ländern und Städten geprägt wurden, die sich der Lehre des Kirchenrebellen und Reformators Martin Luther angeschlossen hatten, so wie dort auch Geldstücke mit Heiligendarstellungen als Beschützer eines Landes oder einer Stadt nicht unbekannt sind.

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"