Gold gab ich für Eisen - Berliner Münzkabinett zeigt Medaillen aus dem Ersten Weltkrieg und solche, die heute an ihn erinnern

 

Kaiser Wilhelm II. behauptete, er kenne keine Parteien mehr sondern nur noch Deutsche, nachzulesen auf der Silbermedaille zum Kriegsbeginn 1914, Ø 33 mm.



Die Eisengussmedaillen nach einem Entwurf von Kurt Hermann Heraeus waren der Dank des Vaterlands für die Abgabe von Edelmetall, Ø 40 mm.



Karl Goetz nannte seine Eisengussmedaille von 1917 „Europas Selbstmord“ und zeigt, wer nach seiner Meinung die lachenden Erben sind, Ø 85 mm.

Für das Vaterland kämpfen und vielleicht auch zu sterben, das war am Beginn des Ersten Weltkriegs für Millionen Soldaten keine Frage. Mit Begeisterung zogen sie vor hundert Jahren in den Kampf, der sich binnen kurzer Zeit aus einem regionalen Konflikt auf dem Balkan zu einem kaum noch zu kontrollierenden Flächenbrand entwickelte. Mit dem Kriegsbeginn am 1. August 1914 war das so genannte Goldene Zeitalter, die eisernen Mühlen des Krieges begannen zu mahlen, rissen unzählige Soldaten und Zivilisten mit sich und führten zu Zerstörungen gigantischer Art. Vier Jahre später verloren Kaiser und Könige ihre Kronen, und auch die Grenzen der unterlegenen Staaten wurden zum Unwillen der betroffenen Völker verändert.

Die Folgen der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, wie man heute sagt, waren für das Deutsche Reich und seine Verbündeten katastrophal. Die Siegermächte sahen in Kaiser Wilhelm II. und seinem Anhang die Alleinschuldigen an dem Gemetzel, und sie ließen vor allem das Deutsche Reich ihre ganze Wut spüren. Die Bestimmungen des Versailler Vertrags knechteten die Deutschen so sehr, dass radikale Gruppen, allen voran Hitlers NSDAP, unter der Losung „Weg von Versailles“ unzählige Unzufriedene um sich zu sammeln vermochten und 1933 die NS-Diktatur errichten konnten, die nach weiteren zwölf Jahren im Blut und Chaos des Zweiten Weltkriegs unterging.

Das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz zeigt bis zum 30. März 2015 im Rahmen des Themenjahrs „Aufbruch 1914 Weltbruch“ im Bode-Museum auf der Museumsinsel eine Auswahl seiner im Ersten Weltkrieg entstandenen Medaillen. Hinzu kommen 30 Arbeiten einer Medaillenedition, die von 16 Künstlerinnen und Künstlern zum einhundertsten Jahrestag über das gleiche Thema geschaffen wurden (siehe Internet www.medaillenkunst.de). Die Ausstellung „Gold gab ich für Eisen - Der Erste Weltkrieg im Medium der Medaille“ macht mit Arbeiten bekannt, die auf beiden Seiten sowohl pure Kriegspropaganda betrieben haben und kommerziellen Interessen dienten als auch das Geschehen an den Fronten und der Heimat differenziert und kritisch hinterfragten. So wurden als „Taler“ bezeichnete Medaillen mit dem Kopf von Wilhelm II. und seiner Behauptung „In aufgedrungener Notwehr mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das Schwert“ beziehungsweise mit dem Porträt von Paul von Hindenburg angeboten, der als Bezwinger der Russen und Befreier Ostpreußens gefeiert wird.

Unzählige Medaillen dieser Art wurden hergestellt. Sie feierten Fürsten und Heerführer und schilderten den Krieg als unvermeidlichen Waffengang unter dem Motto „Mit Gott für Kaiser und Reich“. Das Grauen in den Schützengräben, der Tod durch Giftgas, die schrecklichen Verletzungen der Soldaten, die Not und der Hunger in der Heimat waren nur für wenige Künstler ein Thema. Heute noch in manchen Sammlungen liegende Eisenmedaillen dienten als Quittung für die Abgabe von Gold in Form von Münzen und Juwelen. Versehen mit der Aufschrift „Gold gab ich zur Wehr / Eisen nahm ich zur Ehr“ knüpften die Gussstücke an die Spendenfreudigkeit in den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 an. Damals wurde die Bevölkerung aufgerufen, sich von ihren Wertgegenständen zu trennen, um mit dem Erlös Freiwillige auszurüsten und die Kosten des Kriegs gegen das napoleonische Frankreich zu tragen.

Auch das Berliner Münzkabinett musste, wie dessen Direktor Bernd Kluge bei der Ausstellungseröffnung erklärte, einen Obolus an die „goldlose“ Zeit erbringen, die am 1. August 1914 mit dem Übergang zur Papierwährung und der massenhaften Einziehung von Gold- und Silbermünzen begann. Aus dem in die Sammelstellen geflossenen Edelmetall flossen laut Kluge nur wenige bescheidene Stücke ins Berliner Münzkabinett. Das Buch zur Ausstellung nennt einige Beispiele und weist darauf hin, dass der Hauptnutznießer die Reichsbank war. Dann aber wurde das Berliner Münzkabinett unfreiwillig zu einer eigenen, wesentlich größeren Kriegsspende genötigt. „Es musste im August 1917 seine mittelalterlichen und neuzeitlichen Goldmünzen komplett an die Reichsbank abliefern. Die Antiken blieben verschont, und Reichsbank zahlte den Goldpreis in Höhe von 127.406 Mark und 76 Pfennige an die Museen. Zur drohenden Einschmelzung ist es aber nicht. Gleich nach Kriegsende wurden die versiegelten und unberührten Kisten zurückgegeben und die Museen erstatteten der Reichsbank jene 127.406 Mark und 76 Pfennige“, schildert Bernd Kluge die Rettung der dem Münzkabinett gehörenden Goldmünzen. Die sich dem Ersten Weltkrieg anschließende Inflationsspirale wirkte sich verheerend aus. Wer etwa ein goldenes Fünfmarkstück, die kleinste Goldmünze des Kaiserreichs, über die Inflation gerettet hatte, konnte am Ende an die 5 noch zwölf Nullen schreiben. Mit diesen fünf Billionen Mark habe er mehr Geld besessen als alle Sparer des Deutschen Reiches vor dem Krieg zusammengenommen, allerdings nur in wertloser Papiermark.

Die Kriegsgegner gingen, wie die Ausstellung zeigt, miteinander alles andere als fein und fair um. Nichts blieb unversucht, die andere Seite zu verteufeln und sie der schlimmsten Verbrechen zu bezichtigen. Die Ausstellung und das zu ihr erschienene Buch „Gold gab ich für Eisen. Der Erste Weltkrieg im Medium der Medaille“ (278 S., zahlr. Abb., 24,95 Euro ISBN 978-3-88609-748-7) bietet markante Beispiele für den Ge- und Missbrauch von Medaillen für die Kriegspropaganda. Darüber hinaus wird daran erinnert, dass der damalige Direktor des Berliner Münzkabinetts, Julius Menadier, im Dezember 1915 zur Schaffung einer Medaillenedition aufrief, um „die Persönlichkeiten und die Taten unserer Führer, unserer Helden, die Einmütigkeit und die Hingebung des gesamten Volkes in kleinen, aber höchst bedeutsamen Kunstwerken zu verewigen“. Der Aufruf des Vereins der Freunde der deutschen Schaumünze fand großen Widerhall. Die von namhaften Künstlern geschaffenen Medaillen und Plaketten, von denen einige in der Ausstellung und im Buch vorgestellt werden, bilden die ganze Breite damaliger Haltungen zum Krieg an, beginnend bei unverhohlener Begeisterung und Heldenverehrung bis zur ungeschminkten Darstellung des Todes, der unter Soldaten und Zivilisten grausige Ernte hält.

Im Laufe des Ersten Weltkriegs wich die anfängliche Kriegsbegeisterung der Ernüchterung, und es erscholl immer lauter der Ruf, den sinnlosen Massenmord zu beenden und eine stabile Friedensordnung zu schaffen. „Reicht die Bruderhand als schönste aller Gaben / übern Graben, Leute, übern Graben“, schrieb Kurt Tucholsky in einer Zeit, als eine deutsche Diktatur und ein weiterer, noch schrecklicherer Krieg nicht mehr fern waren.

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