Erfinden, sammeln, patentieren -
Ausstellung in der Berliner Kunstbibliothek über Gewerbe und Industrie in Preußen



Die von Christian Daniel Rauch geschaffene Büste von Christian Peter Wilhelm Beuth lädt am Beginn der Ausstellung zu einer Zeitreise durch ein wenig bekanntes Kapitel preußischer Wirtschafts- und Industriegeschichte ein.



Musikinstrumente wie dieses Bathyphon (Kontrabassklarinette) aus dem frühen 19. Jahrhundert gehören zu den besonderen Schaustücken der Ausstellung in der Kunstbibliothek.



Das Schaubild am Eingang zur Ausstellung nach einem Aquarell von Karl Friedrich Schinkel zeigt rechts unten Aktenbündel aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. (Fotos: Caspar)

Preußen war zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein in vieler Hinsicht noch recht rückständiges Agrarland. Wie er sich dann aber doch zu einem allseits geachteten, ja gefürchteten Industriestaat mauserte, schildert eine bis zum 6. Juli 2014 laufende Ausstellung am Kulturforum im Berliner Bezirk Tiergarten. Im Mittelpunkt der vom Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Zusammenarbeit mit der Kunstbibliothek Preußischer Kulturbesitz und der Technischen Universität Ilmenau veranstalteten Dokumentation „Klosterstraße 36. Sammeln, Ausstellen, Patentieren. Zu den Anfängen Preußens als Industriestaat“ stehen Peter Wilhelm Beuth, der Chef des im Haus Klosterstraße 36 untergebrachten Gewerbeinstituts und Freund des Architekten Karl Friedrich Schinkel, sowie weitere unerschrockene Staatsbeamte, innovative Gelehrte, Künstler, Erfinder, Konstrukteure und Fabrikanten. Mit ihrer Arbeit und ihren Ideen reagierten August Borsig, Gottlieb Daimler, Franz Anton Egells, Alfred Krupp, Nikolaus Otto, Lucius Schwartzkopff, Werner (von) Siemens und viele andere auf die soziokulturellen Herausforderungen nach der französischen Revolution von 1789 und den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815. Auf dem Weg in die Moderne trat Preußen in Konkurrenz mit England, der damaligen Werkstatt der Welt. Die Regierung in Berlin gab viel Geld aus, um neuartige Maschinen bauen zu lassen, und sie schickte Wissenschaftler und Techniker nach England auf Erkundungsreise mit dem Ziel, von der Konkurrenz zu lernen. Bei solchen Spionagereisen wurde die eine oder andere Erfindung abgekupfert, um sie in der Heimat nachzubauen. Um eigene Erfindungen vor Ideenklau und Nachbau zu schützen, wurde in Preußen und im Deutschen Reich eine strikte Patentgesetzgebung erlassen.

Die Akten, die im Geheimen Staatsarchiv für diese einzigartige Ausstellung gesichtet wurden, zeigen, dass man in England die preußische Konkurrenz zu fürchten begann. Um 1900 hatte das 1871 gegründete Deutsche Reich England schon lange abgehängt und sich nach den USA zur führenden Industrienation gemausert. Daran hatten jene von Höhenflügen und Rückschlägen gezeichneten Anstrengungen, Preußen fit für das 19. Jahrhundert zu machen, in der Frühzeit des 19. Jahrhunderts einen beachtlichen Anteil. Das Siegel „Made in Germany“, ursprünglich mit billig und schlecht assoziiert, wandelte sich vom Negativen ins Positive und hat bis heute als Ausdruck von Qualitätsarbeit weltweit einen guten Ruf.

Wie die Kuratorin der Ausstellung, Christiane Brandt-Salloum, sagt, werden viele Dokumente, Bilder und Sachzeugen über Erfindergeist, Industrie- und Gewerbeförderung in Preußen und das sich langsam entwickelnde Ausstellungswesen zum erstenmal gezeigt. Technikbegeisterte Besucher sowie junge Gäste würden ihre helle Freude an der Dokumentation haben, in denen es um Spinnmaschinen, medizinische Geräte, Musikinstrumente, Dampf- und Rechenmaschinen, Waffen und andere Erfindungen geht. „Das Thema der Ausstellung scheint weit entfernt zu sein, doch weist es in die Gegenwart und Zukunft, weil auch unsere Zeit ungewöhnliche Ideen und risikobereite Leute braucht, die das Alte, das Hergekommene infrage stellen“, sagt Kuratorin Brandt-Salloum. Die Ausstellung füge sich gut in das Themenjahr „Aufbruch 1914 Weltbruch“ anlässlich des Beginns des Ersten Weltkriegs vor einhundert Jahren ein. Viele Bemühungen um einen wirtschaftlich starken Staat und um neue Geräte und Maschinen hätten einen militärischen Hintergrund gehabt. Deshalb werden am Ende der Ausstellung Dokumente, Patente und Bilder zum Thema Luftfahrt und Luftkrieg gezeigt. Die Ausstellung in der Kunstbibliothek ist Dienstag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr und am Wochenende von 11 bis 18 Uhr geöffnet; der reich illustrierte Katalog hat 216 Seiten.

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