Magnushaus in Gefahr -
Architekten und Denkmalpfleger fordern Respekt für barockes Stadtpalais



Architekten und Denkmalpfleger fordern, auf einen Neubau im Garten des Magnushauses zu verzichten. (Foto: Caspar)

Streit und viel Kummer gibt es um das Magnushaus am Kupfergraben 8 vis à vis der Museumsinsel, eines der wenigen noch aus dem 18. Jahrhundert stammendes Stadtpalais, vorn mit repräsentativer Freitreppe und verträumtem Garten auf der Rückseite. Dort will der Siemenskonzern eine bis zu vier Etagen hohe Firmenrepräsentanz sowie eine Tiefgarage bauen. Das Unternehmen verweist auf Genehmigungen und positive Voten des damaligen Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit und der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Auf der anderen Seite lehnen Experten vom Landesdenkmalrat und weitere Fachleute den Neubau ab, weil jegliche Überbauung des Gartens das Denkmal schwer beeinträchtigt und zudem die Liegenschaft innerhalb der Pufferzone des Weltkulturerbes Museumsinsel Berlin liegt. Das Magnushaus und sein Garten seien ein historisches Zeugnis von höchster Bedeutung.

Jetzt regt sich gegen das Projekt heftiger Widerstand. In einem offenen Brief fordern die Architektenkammer Berlin, der Architekten und Ingenieurverein Berlin, der Bund Deutscher Architekten Berlin, der Bund Deutscher Baumeister Berlin, der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten Berlin-Brandenburg, der Landesdenkmalrat Berlin, die Vereinigung freischaffender Architekten Berlin-Brandenburg, die Baukammer Berlin und die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung, den Boykott des Wettbewerbs für diesen Neubau. Der Glücksfall, dass die frühere Situation in diesem einzigartigen Fall erhalten ist, mache aus dem Magnushaus mit seinem unversehrten Freiraum ein historisches Zeugnis von höchster Bedeutung. Architekten und Architekturbüros werden darauf aufmerksam gemacht, dass der oder die Wettbewerbssieger voraussichtlich mit Widerstand in der Bevölkerung und in Fachkreisen rechnen müssen. Es sei abzusehen, dass der öffentliche Protest gegen das Bauvorhaben nach Abschluss des Wettbewerbs nicht beendet sein, sondern noch zunehmen wird. Das vom Siemenskonzern vorgesehene Raumprogramm und die von ihm geforderte Tiefgarage stehe nicht im Einklang mit der baulichen Situation im Umkreis der 1999 zum Weltkulturerbe erklärten Museumsinsel. Durch eine gemeinsam vertretene, klare Haltung könnte die Bauherrin, die Siemens AG, möglicherweise zu einem Umdenken bewegt werden. Einige zur Teilnahme aufgeforderte Büros und Preisrichter hätten bereits verzichtet und abgelehnt. Damit diese nicht einfach durch andere ersetzt werden, bitten die Verfasser des offenen Briefs weitere Architekten und Juroren, auf die Teilnahme an dem Verfahren zu verzichten.

Im Magnushaus gründete und leitete Gustav Magnus von 1840 bis 1870 das erste Physikalische Institut Deutschlands. Das Gebäude besitzt für die Siemens AG besondere Bedeutung, weil hier ab 1843 das Physikalische Colloquium stattfand, bei dem sich Studenten mit Wissenschaftlern, Künstlern, Politikern und Jungunternehmern zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch trafen. Die Berliner Unternehmer Werner (von) Siemens und Johann Georg Halske, die 1847 die Firma Siemens & Halske gründeten, trafen sich in dem Stadtpalais, das für die Firma Siemens als Gründungsort besondere Bedeutung besitzt. Das nach 1756 für den Kriegsrat Johann Friedrich Westphal erbaute Palais war, wie eine Tafel links neben der Freitreppe berichtet, von 1911 bis 1921 Wohnort des berühmten Theaterregisseurs Max Reinhardt. Danach war es Heimstatt wissenschaftlicher Institute und nach dem Zweiten Weltkrieg Sitz von Dienststellen der Sowjetischen Besatzungsmacht. In den Kellerräumen hielt Stalins Geheimdienst deutsche Kriegsverbrecher und solche, die dafür gehalten wurden, gefangen, um sie vor Gericht zu stellen oder in die Sowjetunion zu deportieren. In DDR-Zeiten von der Physikalischen Gesellschaft und weiteren Institutionen genutzt, wurde das Magnushaus 1993/1994 mit einer Spende der Siemens AG saniert und zu einem wissenschaftlichen Begegnungszentrum ausgebaut, das es bis heute ist.

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