Vor dem Rathaus oder am Schloss? -
Um den Standort des aus der Kaiserzeit stammenden Neptunbrunnens gibt derzeit Diskussionen



Der 1891 aufgestellte Neptunbrunnen ist zu jeder Tages- und Nachtzeit sehenswert.



Die auf dem Brunnenrand sitzende Symbolfigur des Rheins ist am Fischernetz und Weintrauben zu erkennen. (Fotos: Caspar)

Während das Berliner Schloss als Humboldtforum wächst und wächst, gibt es in Berlin eine Debatte darüber, wie das Umfeld aussehen soll und ob der Neptunbrunnen aus der Kaiserzeit am jetzigen Standort gegenüber dem Roten Rathaus bleiben oder an seinen ursprünglichen Standort unweit des ehemaligen Marstalls zurück kehren soll. Vor Jahren hatte sich schon der Berliner Architektenverein für die Wiederherstellung der historischen Situation ausgesprochen, und auch der Schlossbauverein plädiert für diese Lösung. Es gibt auch die Forderung, sicherheitshalber die Wasserleitungen für den Brunnen im Boden zu verlegen, falls sich der Senat eines Tages dazu durchringen sollte, das figurenreiche Wahrzeichen zu verlagern.

Schöpfer der Bronzefiguren mit dem antiken Meeres- und Flussgott Neptun in der Mitte, war der am Kaiserhof hoch angesehene und mit vielen Staatsaufträgen betraute Bildhauer Reinhold Begas. Sein monumentales, an barocken Brunnenanlagen in Rom orientiertes Werk stand ursprünglich zwischen Marstall und Stadtschloss, dessen Ruine 1950 abgerissen wurde und jetzt als Humboldtforum wieder aufersteht. Mit seinem Brunnen-Geschenk huldigte der vom Oberbürgermeister Max von Forckenbeck geführte Magistrat der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt dem 1888 auf den deutschen und preußischen Thron gelangten Kaiser Wilhelm II. Er hatte sich lange geweigert, den progressiven, um kommunale Autonomie bemühten Politiker in seinem Amt zu bestätigen und musste schließlich kleinbei geben. Würde man den Platz zwischen Marstall und Humboldtforum nach Forckenbeck benennen, wäre das einer sehr schöne Art der Danksagung an dieses leider weitgehend vergessenen Stadtoberhaupt.

Doch Wilhelm II., der sich als großer Förderer der Marine verstand und einmal sagte, des Reiches Zukunft liegt auf dem Wasser, revanchierte sich für den Neptunbrunnen um 1900 mit der aus 33 Marmorfiguren bestehenden Siegesallee. Die marmornen Standbilder von brandenburg-preußischen Herrschern sowie die Büsten, die an Minister, Militärs, Kirchenmänner, Künstler und Gelehrte erinnern, kamen bei den spottlustigen Berlinern nicht gut an, weshalb sie die stocksteif stehende Fürstengalerie schlicht „Puppenallee“ nannten.

Im Zweiten Weltkrieg beschädigt, wurde der Neptunbrunnen in seine Einzelteile zerlegt und auf der Museumsinsel eingelagert. Nachdem fehlende Details nachgegossen worden waren, hat man den Neptunbrunnen auf einer leer geräumten Fläche gegenüber dem Roten Rathaus neu aufgestellt. Der Neptunbrunnen gehört zu den größten Anlagen dieser Art weltweit und ist eines der Hauptwerke von Reinhold Begas. Nach seinem Willen thront der mit einem Dreizack bewaffnete Meeresgott auf einer riesigen Muschel, die auf einem felsenförmigen Unterbau liegt. Neptun zur Seite und zu Füßen erkennt man Putten und fischleibige Meeresgötter, die Tritonen, die als Wasserspeier und Dekoration fungieren. Auf dem Brunnenrand aus rotem Granit haben vier spärlich bekleidete Frauenfiguren aus Bronze Platz genommen. Sie symbolisieren die Flüsse Rhein (mit Fischernetz und Weintrauben), Elbe (mit Ähren und Früchten), Oder (mit Ziege und Fellen) und Weichsel (mit Hölzern) und bilden, wie der ganze Brunnen, zu jeder Jahreszeit ein beliebtes Fotomotiv. Da die Berliner für alles gern Spitznamen erfanden, nannten sie den Neptunbrunnen „Forckenbecken“ in Anspielung auf den Dreizack in Neptuns Hand und den Namen des Berliner Oberbürgermeisters Max von Forckenbeck. Außerdem lief die Behauptung als geflügeltes Wort um, die vier schweigsamen Flussfiguren seien die einzigen Berlinerinnen, „die den Rand“ halten.

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