Berliner lehnten sich gegen die Zwingburg auf -
Aus der wechselvollen Geschichte der Hohenzollernresidenz, die als Humboldtforum genutzt wird



Die Zeichnung aus dem Jahr 1690 zeigt den Innenhof des Berliner Schlosses vor dem Umbau nach Plänen von Andreas Schlüter und anderen Künstlern des Barock.



Das Monogramm FR (Fridericus Rex) erinnert an den preußischen König Friedrich I., der seine Residenz aufs Prächtigste im Stil des Barock ausbauen und verschönern ließ.



Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekrönt eine riesige, nach Plänen August Stüler gestaltete Kuppel das Berliner Schloss, hier dargestellt auf einer Postkarte mit dem Bildnis von Kaiser Wilhelm II. (Repros: Caspar)

Mehrfach haben die Berliner versucht, gegen obrigkeitliche Bedrückung zu rebellieren, meistens gelang das nicht, und die Folgen waren furchtbar. Berühmt wurde unter der Bezeichnung „Berliner Unwillen“ ihr Widerstand im Jahre 1448 gegen den Bau einer kurfürstlichen Zwingburg, der aber keinen Erfolg hatte. Genau 400 Jahre später versuchten die Bewohner der preußischen Haupt- und Residenzstadt noch einmal, ihrem Monarchen Friedrich Wilhelm IV. demokratische Rechte abzutrotzen. Die Revolution 1848/49 endete mit der Stärkung der Königsmacht, aber das Volk hatte, erstmals nach so langer Zeit, ihrem Herrscher und seiner Kamarilla die Zähne gezeigt.

Das Jahr 1415 stellt in der Geschichte Brandenburg-Preußens eine wichtige Zäsur dar. Auf dem Konzil zu Konstanz wurde dem Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg vom König (ab 1433 Kaiser) Sigismund die Würde des Markgrafen von Brandenburg sowie Kurfürsten und Erzkämmerers des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation verliehen. Damit begann für fünfhundert Jahre die Herrschaft des Hauses Hohenzollern, die erst mit dem Thronverzicht Kaiser Wilhelms II. in der Novemberrevolution 1918 endete. Kurfürst Friedrich II. Eisenzahn, der Sohn und Nachfolger des 1440 verstorbenen ersten hohenzollernschen Landesherrn Friedrich I., legte 1443 den Grundstein für sein Schloss in Cölln an der Spree. 1451 konnte sein Nachfolger Friedrich II. das burgenartige Schloss beziehen. In zeitgenössischen Chroniken auch „Zwing Cölln“ genannt, war der Palast das wichtigste Machtzentrum des brandenburgischen, ab 1701 des preußischen Staates. Zahlreiche von den Hohenzollern unterschriebene Urkunden, Gesetze und Verordnungen tragen den Ortsvermerk „Cölln an der Spree“.

An dem landesherrlichen Sitz wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein gebaut, erst im Stil der Gotik, dann im späten 16. Jahrhundert in den Formen der Renaissance. Große Architekten, Bildhauer und andere Künstler wie Andreas Schlüter, Martin Grünberg, Eosander von Göthe, Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Johann Gottfried Schadow, Karl Friedrich Schinkel, August Stüler und Ernst von Ihne wirkten maßgeblich an der Gestaltung des Schlossers außen und innen mit und haben aus ihm berühmtes und vielfach gepriesenes Gesamtkunstwerk gemacht.

In königlicher Zeit ab 1701 wurde der Bau in einen riesigen Palast verwandelt, der zu den bedeutendsten Schöpfungen barocker Schlossbaukunst gehörte. Nur in Ausnahmefällen wohnten die Hohenzollern im Berliner Schloss, denn sie bevorzugten andere Residenzen in Berlin und Potsdam. Lediglich bei besonderen Staatsakten wie der Eröffnung des Preußischen Landtages oder des Deutschen Reichstages bot es die prächtige Kulisse für monarchische Selbstdarstellung.

Kaiser Wilhelm II. ließ vor und nach 1900 das Berliner Schloss prächtig ausgestalten, wobei zumeist Rücksicht auf die Leistungen der alten Meister genommen wurde. So ließ er den Weißen Saal im Stil des Neobarock erweitern und die Weiße Treppe umgestalten. Die Maßnahmen wurden als wichtig erachtet, um Staatsakten und Banketten einen festlichen Rahmen geben sowie Macht und Größe des neuen deutschen Kaisertums demonstrieren zu können. Als der Erste Weltkrieg in der Novemberrevolution von 1918 beendet wurde und die preußisch-deutsche Kaiserherrlichkeit im Orkus der Geschichte verschwand, erlitt das Berliner Schloss durch Beschuss der Revolutionäre einige Schäden an der Fassade, die aber in der Weimarer Republik behoben wurden. Die ehemalige Hohenzollernresidenz wurde als Kunstgewerbemuseum genutzt und war Ort zahlreicher Ausstellungen. Während der Nazizeit wurde das Bauwerk von den Plänen nicht tangiert, Berlin in die Welthauptstadt Germania zu verwandeln. Hitler und sein Stararchitekt Albert Speer machten um das Stadtschloss einen großen Bogen.

Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, aber nicht vernichtet, wurde 1950 die ehemalige Residenz Kaiser Wilhelms II. und seiner Vorgänger auf Befehl des damaligen SED-Chefs Walter Ulbricht abgerissen. Er kündigte am 22. Juli 1950 auf dem III. Parteitag der SED den Abriss des Schlosses ungeachtet vielfältiger Proteste im In- und Ausland an. „Das Zentrum unserer Hauptstadt, der Lustgarten und das Gebiet der jetzigen Schlossruine müssen zu dem großen Demonstrationsplatz werden, auf dem der Kampfwille und Aufbauwille unseres Volkes Ausdruck finden“, rief Ulbricht seinen Genossen zu. In der staatlich gelenkten Ost-Berliner Presse wurde die Ankündigung als Teil eines „großangelegten Wiederaufbauplans“ gefeiert. Kein Wort wurde darüber verloren, dass der Verlust des 500 Jahre alten Schlosses eine schmerzliche Lücke in die Innenstadt reißen würde. Unerwähnt blieb auch, dass an dem Bau mit seinen beiden Innenhöfen und der gewaltigen Kuppel zur Spreeseite hin seit dem 15. Jahrhundert die Crème der brandenburgisch-preußischen Architekten, Bildhauer und Maler gewirkt hatte. Und auch das Argument, das Schloss lasse sich zunächst sichern, um es dann in den kommenden Jahrzehnten ohne Zeitdruck aufzubauen, war keine Zeile wert. Übersehen wurde in der damaligen Pressekampagne auch, dass bald nach Kriegsende in der Schlossruine erste Ausstellungen gezeigt wurden.

Das Berliner Schloss, an dessen Stelle 1973 bis 1976 der Palast der Republik errichtet wurde, hätte aufgebaut werden können, wenn die Mächtigen in der DDR nur gewollt hätten; darin waren sich Experten einig. Die dicken Außenmauern waren im Wesentlichen erhalten, wenn auch stark beschädigt, und viele Innenräume und Treppenhäuser existierten noch. Die Kostengründe waren nicht stichhaltig, denn die Sicherung der Ruine wäre billiger zu haben gewesen als dann der Abriss und die Entsorgung des Trümmerschutts zu Buche schlugen. Zwar fiel in Ostberliner Presseberichten nicht der Begriff „Roter Platz“, aber man wusste, dass die SED und die DDR-Regierung einen großen Aufmarschplatz verlangten, in dem wie vor dem Lenin-Mausoleum in Moskau die werktätigen Massen paradieren würden.

Ulbrichts Ankündigung schlug hohe Wellen. Im Westteil der Stadt gab es beißende, aber leider fruchtlose Kommentare. Von Kulturbarbarei war die Rede, von schändlichem Umgang mit kulturellen Werten. Da der Abriss beschlossene Sache war, schob die Parteispitze und die Regierung Gutachten und Memoranden beiseite. In einer dieser Deklarationen schrieb der allseits geachtete Kunsthistoriker Richard Hamann, Berlin sei an Denkmälern der Vergangenheit arm. Aber es besitze ein Werk, „das sich den größten der Vergangenheit würdig anreiht und in allen Kunstgeschichten der Welt genannt und abgebildet ist: das Berliner Schloss. Sein Schöpfer ist der größte Bildhauer und Architekt in Norddeutschland, Andreas Schlüter. In Ruinen steht es da: noch immer von einer faszinierenden Wucht und Monumentalität, ein Repräsentant des spezifisch norddeutschen Barock, der sich Michelangelos St. Peter in Rom, dem Louvre in Paris würdig zur Seite stellt.“ Eine Wiederherstellung des Gebäudes und eines Teils der Innenräume sei möglich, so Hamann. Bei einem in Berlin so seltenen und in der Welt einzigartigen Denkmal der schöpferischen Kräfte des Nordens dürften Kosten keine Rolle spielen, schon garnicht politische Gründe. Das Schloss sei der „regierende Bau, jede Regierung könnte ihn mit neuem Leben füllen“, mahnte der Kunsthistoriker, doch die SED-Gewaltigen waren an seinem Rat nicht interessiert. DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl verstieg sich zu der Behauptung, in ein paar Jahren werde „kein Hahn“ mehr nach dem Schloss krähen, wenn es erst von der Bildfläche verschwunden ist. Wie sollte er sich irren! Das Schloss war und blieb in Erinnerung, und sein Wiederaufbau als Humboldtforum ist gerade in vollem Gang.

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