„Vollstreckung dauerte 3 Sekunden“ - Makabre Zeugnisse aus der Geschichte der DDR-Justiz in Hohenschönhausen



Fast wäre der Grotewohlexpress genannte Gefangenentransporter verschrottet werden, dank der Intervention ehemaliger Häftlinge kam er in den früheren Stasiknast Hohenschönhausen.



Zahllose Stasi-Akten entgingen der Vernichtung und erzählen authentisch, wie die Geheimpolizei und die DDR-Justiz ihre Opfer behandelte.



Im Original erhalten ist das Dienstzimmer des Gefängnisdirektors, der zugleich Leiter der zentralen Gefängnisabteilung XIV des MfS mit 18 Referaten und 255 Mitarbeitern war. (Fotos: Caspar)

Wer die Gedenkstätte im ehemaligen Untersuchungsgefängnis besucht, braucht beim Anblick der Hinterlassenschaften der Stasi und der DDR-Justiz starke Nerven. Was man beim Besuch von Minister Mielkes Amtsräumen an der Normannenstraße/Ruschestraße in Lichtenberg erfährt, vertieft die weitgehend im Original erhalten gebliebenen Stasi-Knast an der Genslerstraße, und zwar durch die Ausstellung und durch die ober- und unterirdischen Haft- und Verhörräume einschließlich der so oben vergitterten Tigerkäfige, in denen Häftlinge ab und ihre Füße vertreten konnten. Ausgesprochen makaber ist ein in der Ausstellung ausgelegtes Blatt über die Hinrichtung eines wegen Spionage verurteilten Mannes am 21. Oktober 1961 in der Strafvollzugsanstalt Leipzig. Beim Lesen des Protokolls fühlt man sich an ähnliche Dokumente erinnert, die in der NS-Hinrichtungsstätte Plötzensee gezeigt werden. „Bei der Verkündung des Urteils machte der Verurteilte einen verängstigten Eindruck. Besondere Wünsche wurden nicht geäußert. Der Verurteilte verbrachte seine letzten Stunden liegend in seiner Zelle. Im übrigen verhielt er sich ruhig und bereitete keine Schwierigkeiten. Um 4.00 Uhr wurde er gefesselt und in den Richtraum gebracht, wo im Beisein der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft, der Vollstreckungsbehörde und des Oberstleutn. der med. Dienste Dr. Jung vom Anstaltsleiter das Urteil verkündet wurde. Er wurde dem Scharfrichter übergeben. Die Vollstreckung dauerte 3 Sekunden. Nach Anfertigung der vorgeschriebenen Papiere und der Freigabebescheinigung des Staatsanwalts wurde die Leiche nach dem Krematorium gebracht und dort verbrannt“. Die Hinrichtung erfolgte durch so genannten unerwarteten Nahschuss ins Hinterhaupt. Er war von 1968 bis zur gesetzlichen Abschaffung der Todesstrafe 1987 die einzige Hinrichtungsmethode in der DDR. Davor wurden Todesurteile überwiegend durch das Fallbeil vollstreckt. Ort der Erschießungen war die JVA Leipzig im ehemaligen Königlichen Landgericht Leipzig. Die Leichen der Hingerichteten wurden unter größter Geheimhaltung zum nahe gelegenen Südfriedhof gebracht und anonym verbrannt. In den Krematoriumsbüchern stehen keine Namen, sondern lediglich der Vermerk „Anatomie“. Die Asche wurde anonym begraben.

Der Alltag im Stasiknast war nach dem System „Zuckerbrot und Peitsche“ organisiert, wie man an anderer Stelle aus dem Mund von ehemaligen Häftlingen erfährt, die auf Monitoren ihre Erlebnisse auf Bildschirmen schildern. Drohungen und Lockangebote wechselten sich ab, Anbiederung und brutaler Terror. Die Behandlungs- und Verhörmethoden wurden im Laufe der Jahrzehnte subtiler, ist in der Ausstellung zu erfahren. Physischer Terror in den vierziger und fünfziger Jahren nach sowjetischem Vorbild ging in psychische „Bearbeitung“ über. Wie die aussah, lässt sich aus aufgefundenen Dienstanweisungen ablesen, die ungeachtet einer hektischen Vernichtungsaktion im Schredder erhalten blieben. Ein solches Gerät wird in der Ausstellung gezeigt. Die Verhöroffiziere versuchten, Häftlinge durch „Freundlichkeiten“ wie besseres Essen, Zigaretten und gutes Zureden, aber auch durch erlogene Nachrichten aus der Familie oder dem Freundeskreis gesprächig zu machen. Wichtig waren immer Namen und Adressen von „Komplizen“, die dann Grundlage weiterer Ermittlungen bildeten.

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