Schloss Biesdorf ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht
Ehemaliger Landsitz der Industriellenfamilie Siemens erhielt seine historische Gestalt zurück und wird als Museum und Kulturstandort genutzt



Die Büste im Biesdorfer Schlossgarten ehrt den Industriellen
und Erfinder Werner von Siemens (1816-1892), der 1887 das Gut am
östlichen Ende der Reichshauptstadt Berlin gekauft hatte.




Schon von weitem kann man das Schloss auf der linken Seite der B 1
sehen, der auffällige Anstrich in Altrosa ist historisch verbürgt.



An der Freitreppe zum Biesdorfer Schlossgarten sind bis zum
September 2016 noch einige Erdarbeiten zu absolvieren.




Vor einigen Jahren wurde das ganz aus Holz gefügte Teehäuschen
im Park denkmalgerecht wiederhergestellt. (Fotos: Caspar)

Nach umfangreichen Um- und Ausbauten bereitet sich das Schloss Biesdorf im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf auf einen neuen Abschnitt seiner Geschichte vor. Im September 2016 wird der von Dach bis Keller sanierte und restaurierte ehemalige Landsitz der Industriellenfamilie Siemens mit einer Ausstellung von Gemälden, Grafiken und Skulpturen von DDR-Künstlern eröffnet. Das Schloss war 1868 als spätklassizistische Turmvilla für den Rittergutsbesitzer Hans-Hermann von Rüxleben erbaut worden. Nächster Besitzer war der Kaufmann Günther von Bültzingslöwen, der während einer Zuckerkrise große Verluste machte und in Geldschwierigkeiten kam. Seiner nahm sich der Berliner Industrielle Werner von Siemens, der mit ihm seit seiner Schulzeit verbunden war. Beim Vater seines Freundes hatte der 1888 von Kaiser Friedrich III. in den Adelsstand erhobene Siemens das Feldmessen erlernt hatte und war von diesem auch für das preußische Ingenieurwesen empfohlen worden.

Anfang 1887 erwarb Siemens das Rittergut für 1,2 Millionen Mark, hatte aber an seinem neuen Besitz wenig Interesse, weshalb er ihn schon zwei Jahre später seinem Sohn Wilhelm überließ. Dieser veranlasste am Schloss umfangreiche Umbauten und bewohnte es mit seiner Familie während der Sommer. Wilhelm von Siemens ließ den Schlosspark zwischen 1891 und 1898 auf 14 Hektar erweitern und von dem Gartenarchitekten Albert Brodersen in einen Landschaftspark umgestalten. An diesen Gartenkünstler erinnert im Schlosspark eine Allee. Der von der Bundesstraße 1 (B 1) zerschnittene Gutshof wurde nach neuester Landwirtschaftstechnik eingerichtet. Überall gab es, wie konnte es bei einem Siemens anders sein, elektrisches Licht. Dass der Schlossherr in seinem Park elektrische Fahrzeuge getestet hat, ist eine langlebige Legende. Verbürgt sind hingegen Flüge, die von einem nahe gelegenen Freigelände mit dem Ballon unternommen wurden.

Das Schloss Biesdorf wurde von den damaligen Stararchitekten Martin Gropius und Heino Schmieden, den Schöpfern des Berliner Martin-Gropius-Baus, repräsentativ umgestaltet und erweitert. 1927 gingen Schloss und Gut in den Besitz der Stadt Berlin über, die sich aber nicht sonderlich um diese Perle spätklassizistischer Schloss- und Gartenkunst kümmerte. Ein ähnliches Desinteresse kann man auch beim Schloss und Park Glienicke am anderen Ende der Stadt Richtung Potsdam feststellen, das erst nach dem Zweiten Weltkrieg aus seinem Dornröschenschlaf geholt wurde und jetzt ein Touristenmagnet der Extraklasse ist. Ein Brand am Ende des Zweiten Weltkriegs vernichtete das Obergeschoss des Schlosses Biesdorf, das notdürftig gesichert wurde und bis zu seinem Ausbau nur ein Torso war. Genutzt wurde der ehemalige Landsitz der Familie Siemens nach 1945 zeitweilig von der Sowjetischen Besatzungsmacht, sowie in DDR-Zeiten als Gemeindesaal, Kulturhaus und Bibliothek sowie von 1994 his zum Beginn des Umbaus 2013 als Stadtteilzentrum, das sich um soziale und kulturelle Belange der ortsansässigen Bevölkerung kümmerte.

Der wenig erfreuliche Zustand des Schlosses rief im Jahr 2000 das "Sofortprogramm zur Rettung des Schlosses Biesdorf" und den Bürgerverein Stiftung Ost-West-Begegnungsstätte Schloss Biesdorf auf den Plan, die sich für die Wiederherstellung des Bauwerks in der Form einsetzten, wie es bis zum April 1945 existierte. Die wichtigste und teuerste Maßnahme war die Rückgewinnung des durch jenen Brand verloren gegangenen Obergeschosses. Es gelang auch, den klassizistischen Eingangsportikus, die Loggia mit der repräsentativen Treppe zum Garten und den Turm nach alten Bauplänen und Fotografien wiederherzustellen. Zwei Bronzetafeln am Eingang würdigen das finanzielle und personelle Engagement der Stiftung Ost-West-Begegnungsstätte Schloss Biesdorf e. V., der Stiftung Deutsche Klassenlotterie, der Europäischen Union, des Landesdenkmalamtes Berlin, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, des Bezirks Marzahn-Hellersdorf und zahlreicher privater Sponsoren und Helfer. Der denkmalgerechte Aufbau des Obergeschosses wurde mit der Übergabe an das Kulturamt am Tag des Offenen Denkmals am 13. September 2015 beendet. Am 17. April 2016 gab es unter enormer Beteiligung von Neugierigen eine erste Begehung der noch leeren Räume. Das "Bilderschloss Biesdorf" wird in den kommenden Monaten eingerichtet. Alle Beteiligten sind sich einig, dass es sich schon bald einen guten Ruf als Kunst- und Kulturort erwerben wird. Die Galerie "Bilderstreit" wird Kunstwerke aufnehmen, die bisher in der Burg Beeskow aufbewahrt und gezeigt wurden. Geplant sind ein Museumsshop und ein Café, und es werden auch Räume für Vorträge, Lesungen und Kammerkonzerte eingerichtet.

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