Geldgeschäfte in prunkvollen Säulensälen
Gedenktafel in der Burgstraße erinnert an die Berliner Börse, eines der prächtigsten Gebäude aus dem 19. Jahrhundert



Die am Ufer der Spree der Museumsinsel gegenüber gelegene Börse gehörte
zu einem der prächtigsten öffentlichen Gebäude der Haupt- und Residenzstadt Berlin.



Die Gedenktafel hält die Erinnerung an das alte Börsengebäude, aber
auch an Verbrechen in der Nazizeit wach.



Das turbulente und lautstarke Geschehen in der Börse fängt die Grafik
aus dem 19. Jahrhunderts eindrucksvoll ein. Die große Uhr im Hintergrund
trieb die Börsianer zu geschäftiger Eile an.




Die Ruine der Börse wurde in den späten 1950-er Jahren abgerissen,
Fragmente hat man zum Verfüllen der Keller verwendet.






Ausgegrabene Sandsteinfragmente und auch eine beschädigte Marmorbüste
Friedrichs des Großen künden von der Pracht dieses Treffpunkts des
Berliner Geldadels. (Repros/Fotos: Caspar)

Die nach Plänen von Friedrich Hitzig von 1859 bis 1864 erbaute Börse an der Burgstraße war nach dem Hohenzollernschloss das wohl prächtigste öffentliche Gebäude der preußischen und seit der Reichseinigung von 1871 deutschen Hauptstadt Berlin. Im Zweiten Weltkrieg durch Bomben schwer beschädigt, wurde der in Stil der Spätrenaissance errichtete Mittelpunkt des Berliner Wirtschafts- und Bankenwesens in den Jahren 1957 und 1958 abgerissen. Die "führenden Genossen" mit SED-Chef Walter Ulbricht an der Spitze konnten mit dem Glanz des alten Börsengebäudes nichts anfangen. Dabei hätte es bei gutem Willen ähnlich wie das Berliner Schloss und viele andere Kriegsruinen gerettet werden können, wenn auch in reduzierter Form und unter Verzicht auf die prunkvolle Innenausstattungen mit Säulen, Stuckaturen, Ausmalungen und kostbaren Möbeln.

Eine am Nachfolgebau der Börse nicht weit vom S-Bahnhof Hackescher Markt, der früher einmal Bahnhof Börse und in DDR-Zeiten Marx-Engels-Platz hieß, angebrachte Gedenktafel erinnert an die wechselvolle Geschichte des Prunkbaus und der ebenfalls mit Blick auf die Friedrichbrücke über der Spree erbauten Zentrale der Deutschen Bank. Die Tafel weist darauf hin, dass im Haus Burgstraße 28 das "Judenreferat" der Gestapo die Verschleppung von mehr als 50 000 Berliner Juden in die nationalsozialistischen Konzentrationslager und damit in den sicheren Tod organisierte. Der Neubau beherbergt den Bundesverband deutscher Banken, den Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes und die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken. Die Befehle zur Verhaftung und Verschleppung jüdischer Berliner in Konzentrationslager kamen vom Haus Burgstraße 28, das zugleich ein so genanntes Schutzhaftlager war. Im Keller und im Gebäude des zweiten Hofes wurden Häftlinge gefoltert und ermordet, und so verbreitete die Bezeichnung Burgstraße unter Berliner Juden Angst und Schrecken. Auch in den angrenzenden Nachbargebäuden arbeiteten mit der Deportation befasste Dienststellen der Ausländerpolizei, der Sicherheitspolizei und der Oberfinanzdirektion.

Schon nach zehn Jahren zu klein

Aus Beschreibungen aus dem späten 19. Jahrhundert ist zu entnehmen, dass die von Friedrich Hitzig großzügig angelegte Börse bereits nach zehn Jahren, also in der Frühzeit des Kaiserreichs, recht eng geworden war, weshalb bis 1880 Erweiterungen nötig wurden. Der Börsensaal war der größte in ganz Berlin. Er bestand aus drei Räumen, die durch Säulenreihen voneinander abgeteilt waren. In den ersten beiden Räumen wurde Handel mit Wertpapieren betrieben, im dritten Raum handelten die Börsianer mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Die Berliner Börse war eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Man erzählte sich wundersame Geschichten über Vorgänge in dem Geldpalast an der Spree gegenüber der Museumsinsel. Ab und zu berichteten die Zeitungen von sagenhaften Kursgewinnen, aber auch vom Unglück jener Börsianer, die sich verzockt hatten und sich das Leben genommen hatten.

Zur Mittagszeit zählte man in der Berliner Börse etwa 4000 Besucher. "Ihr Rufen, Verhandeln, Sprechen, Schnarren, Hin- und Hergehen erzeugt ein dumpfbrausendes Geräusch, als ob man am Meeresstrande weile", schreibt Paul Lindenberg in seinem Buch von 1895 "Berlin in Wort und Bild", das recht genaue Beschreibungen der Lebensverhältnisse, der Betriebsamkeit und der Sehenswürdigkeiten in der Reichshauptstadt enthält und bis heute eine verlässliche Quelle zur Stadtgeschichte darstellt. "Hier die Geldfürsten, deren Namen in fünf Weltteilen Klang und Geltung haben, dort sorgsam strebende Banquiers, deren Parole ,Sicherheit und Festigkeit' lautet, da kleine und große Jobber, die frischdrauflos spekulieren, denn sie haben meistenteils wenig zu verlieren, junge Bankangestellte, welche ihre Chefs suchen und gelegentlich selbst ein ,kleines Geschäftchen' machen, Lehrlinge der Bankgeschäfte, welche die Kurse sammeln,. Boten, welche unaufhörlich Depeschen austragen." Von waghalsiger Spekulation, fieberhafter Schnelligkeit, Verwendung von abgekürzten Sätzen und Worten sowie bestimmten Gesten weiß Lindenberg zu berichten, mit denen weittragende Abschlüsse gemacht und Hunderttausende häufig in Sekunden umgesetzt. " Bei diesen Geschäften wird der größte Lärm verursacht, hier ballen sich Dutzende, Hunderte von Besuchern zusammen, die Hände mit den Notizbüchern hoch erhoben, um sie gleich darauf wieder sinken zu lassen und die Käufe resp. Verkäufe einzutragen, hier wird auch von interessierter Seite ,viel Stimmung gemacht', mit Geschrei und Scheinaufträgen, welch' letztere allerdings für den Betreffenden zum Unheil ausschlagen können".

Die Berliner Börse verfügte außer den mit polierten Granitplatten ausgelegten und reich mit Stuck veredelten Säulensälen unter einer wundervoll kassetierten Decke über einen stattlichen Restaurationsraum, wie Lindenberg schreibt, sowie einen Lesesaal, ein Pressezimmer, in dem Vertreter von mehr als 30 Zeitungen tätig sind, und weitere Räumlichkeiten. Außerdem gab es um 1895 im Erdgeschoss nicht weniger als 88 Fernsprechzellen, von denen man in nicht weniger als 125 Städte telefonieren konnte. "Bei der enormen Inanspruchnahme der Zellen ist die Dauer des Gesprächs genau festgestellt", schreibt der Verfasser, und das bedeutete nichts anderes, dass man sich kurz fassen musste.

Armenfriedhof entdeckt

Bei archäologischen Ausgrabungen auf dem ehemaligen Börsengelände wurden vor einigen Jahren Gesteinsbrocken, Säulenfragmente sowie Reste des Skulpturenschmucks gefunden. Die Nachforschungen des Berliner Landesdenkmalamtes wurden nötig, weil ein neues Geschäfts- und Bürohaus errichtet werden sollte. Nach dem Verursacherprinzip musste der Bauherr für die Kosten der Grabungen aufkommen. In der Nähe haben die Archäologen Reste eines zum mittelalterlichen Heiliggeisthospital gehörenden Armenfriedhofs freigelegt. Die karitative Einrichtung nahm vornehmlich Alte, Kranke und Fremde auf. Doch haben auch wohlhabende Leute nach Bezahlung einer gewissen Gebühr ihren Lebensabend hinter den Mauern des Hospitals dicht am Spandauer Tor verbracht. Das führte offenbar zu Spannungen mit den Gros der völlig mittellosen, von vielfältigen Krankheiten behafteten Insassen. Dass es soziale Differenzierungen im Armenasyl gegeben hat, zeigen Grabbeigaben wie kleine Silbermünzen, die man in den Mund von einigen wenigen Toten gelegt hat, oder der Fund von 27 säulenförmig aufgeschichteten Silbermünzen aus dem frühen 13. Jahrhundert. Archäologen sprechen von einer eigentlich heidnischen, doch auch unter christlichen Verhältnissen geübten Sitte, Verstorbenen Totenpfennige als Zehr-, Reise- oder Eintrittsgeld in das Himmelreich mitzugeben.

12. Dezember 2016



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