Langbärtiger Herr über Meere und Flüsse
Der Neptunbrunnen war ein Geschenk der Stadt Berlin an Kaiser Wilhelm II. / Märchenbrunnen umfassend saniert



Der 1891 aufgestellte Neptunbrunnen ist zu jeder Tages- und Nachtzeit sehenswert.
Kontovers wird seine Umsetzung auf den Platz vor dem Humboldt Forum diskutiert.




Die auf dem Rand des Neptunbrunnens schweigsam sitzende Symbolfigur
der Oder ist an einem Ziegenbock und an Fellen zu erkennen.



Schweißgebadet brütet Stadtbaurat Ludwig Hofmann über
einem Entwurf für den Märchenbrunnen. Karikatur aus der
Satirezeitschrift "Ulk" von 1901.




Für mehr als eine Million Euro wurde in den vergangenen Jahren der
Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain saniert und restauriert.
(Fotos/Repro: Caspar)

Berlin besaß schon vor Jahrhunderten zahlreiche mit Figuren verzierte Brunnen meist auf öffentlichen Plätzen. Zu nennen sind der Lustgarten und der Opernplatz, aber auch der Pariser Platz und der Schlossplatz. Bis zum Bau von Wasserleitungen dienten die über die ganze Stadt verteilten und mit Spreewasser gespeisten Brunnen der Versorgung der Bevölkerung, aber auch zur Zierde der Stadt. Hinzu kamen an vielen Straßenecken aufgestellte Pumpen aus Gusseisen, von denen nur noch wenige existieren. Im 19. Jahrhundert ging man dazu über, riesige Wassertürme zu errichten, aus denen die umliegenden Haushalte und Betriebe versorgt wurden. Außerdem entstanden am Stadtrand großartig gestaltete Wasserwerke. Solche Bauensembles aus mittelalterlich anmutenden Pumpstationen sind unter anderem in der Nähe des Müggelsees in Friedrichshagen und an der Landsberger Allee erhalten und voll funktionstüchtig.

Wer am Neptunbrunnen gegenüber dem Roten Rathaus vorbei kommt, wird sich vielleicht fragen, wer dieses figurenreiche Kunstwerk geschaffen hat und wann es entstanden ist. Ein Blick in die Berlin-Chronik ergibt, dass der Neptunbrunnen ein Geschenk der Stadt Berlin an Kaiser Wilhelm II. ist. Schöpfer der Bronzefiguren mit dem antiken Meeres- und Flussgott Neptun in der Mitte, war der "bei Hofe" hoch angesehene und mit vielen Staatsaufträgen betraute Bildhauer Reinhold Begas. Das Werk stand ursprünglich zwischen Marstall und Stadtschloss, dessen Ruine 1950 abgerissen wurde und derzeit als Humboldt Forum seine Wiedergeburt erlebt, zumindest was die barocke Fassade und die aus dem 19. Jahrhundert stammende Kuppel betrifft. Mit seinem Brunnen-Geschenk schmeichelte sich der Magistrat der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt bei der obersten Autorität des Deutschen Reiches ein.

Doch Wilhelm II., der ein großer Förderer der Marine war und behauptete, des Reiches Zukunft liegt auf dem Wasser, war von dem Geplätscher des Neptunbrunnens wenig angetan und fühlte sich von dem in Richtung Schloss schauenden Neptun irgendwie beobachtet. Deshalb wurde eine Drehung veranlasst, weshalb der langbärtige Meeresgott in die Breite Straße blickte. Wilhelm II. revanchierte sich für das Geschenk seiner "lieben Berliner" ein paar Jahre später mit der aus 33 Marmorfiguren bestehenden Siegesallee. Die marmornen Standbilder von brandenburg-preußischen Herrschern sowie von Büsten von Ministern und Militärs, Geistlichen, Gelehrte und Künstlern, deren Reste sich nach etlichen Zwischenstationen in der Spandauer Zitadelle ausgestellt werden, kamen bei den spottlustigen Berlinern nicht gut an und nannten die stocksteif stehende Fürstengalerie schlicht "Puppenallee".

Im Zweiten Weltkrieg beschädigt, wurde der im Stil des Neobarock gestaltete Neptunbrunnen in seine vielen Einzelteile zerlegt und auf der Museumsinsel eingelagert. Nachdem fehlende Teile nachgegossen worden waren, hat man den Neptunbrunnen auf einer leer geräumten Fläche gegenüber dem Roten Rathaus neu aufgestellt. Die Anlage gehört zu der größten dieser Art weltweit und ist eines der Hauptwerke von Reinhold Begas. Nach seinem Willen thront der mit einem Dreizack bewaffnete Meeresgott auf einer riesigen Muschel, die auf einem felsenförmigen Unterbau liegt. Neptun zur Seite und zu Füßen erkennt man Putten und fischleibige Tritonen, die als Wasserspeier und Dekoration fungieren. Auf dem Brunnenrand aus rotem Granit haben Frauenfiguren Platz genommen. Sie symbolisieren die Flüsse Rhein (mit Fischernetz und Weintrauben), Elbe (mit Ähren und Früchten), Oder (mit Ziege und Fellen) und Weichsel (mit Hölzern) und bilden, wie der ganze Brunnen, zu jeder Jahreszeit ein beliebtes Fotomotiv. Da die Berliner für alles gern Spitznamen erfanden, nannten sie den Neptunbrunnen "Forckenbecken" in Anspielung auf den Dreizack in Neptuns Hand und den Namen des damaligen Berliner Oberbürgermeisters Max von Forckenbeck. Außerdem lief die Behauptung als geflügeltes Wort um, die vier schweigsamen Flussfiguren seien die einzigen Berlinerinnen, "die den Rand" halten.

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat vor einiger Zeit eine Spende in Höhe von zehn Millionen Euro für die Umsetzung des Neptunbrunnens auf den Schlossplatz, seinem alten Standplatz. Wenig begeistert zeigt sich der Berliner Senat von dem Angebot wenig begeistert. Er möchte den beliebten Brunnen an dem Ort belassen, wo er seit sich Jahrzehnten befindet. Hingegen verlangen die Gesellschaft Historisches Berlin e.V. und weitere Traditionalisten, dass der Neptunbrunnen "im Kontext zu den barocken Fassaden des wieder aufgebauten Berliner Schlosses an seinen historischen Ort zurück versetzt werden." Alle Beteiligten können nicht übersehen, dass die Bronzefiguren des Neptunbrunnens und seine Umrandung aus rotem Granit, aber auch die Wasserversorgung und die Ableitungen dringend sanierungsbedürftig sind. Was nichts anderes bedeutet, als dass der Brunnen über kurz oder lang unter einer Plane von Metallrestauratoren übernommen werden muss.

In den vergangenen Jahren konnte der Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain umfassend saniert und restauriert werden. Die 1913 nach Plänen des damaligen Berliner Stadtbaurats Ludwig Hoffmann geschaffene Anlage und ihr Umfeld hatten eine Verjüngungskur dringend nötig. Der figürliche und ornamentale Schmuck auf der Säulenhalle und an den Wasserbecken war zum Teil stark beschädigt beziehungsweise ganz verloren, was in den vergangenen Jahren vor allem auf vandalische Zerstörungswut zurückzuführen ist. Außerdem waren Skulpturen und Brunnenwände durch Graffiti beschmiert und verunstaltet. Bildhauer haben nach den originalen Vorlagen Kopien von Märchenfiguren wie Rotkäppchen und der Wolf, Hans im Glück, Schneewittchen und Dornröschen sowie weitere Skulpturen neu aus französischem Muschelkalkstein gehauen. Die zum Teil beschädigten Vorlagen kamen in die Obhut des Grünflächenamtes an der Landsberger Allee. Um den Märchenbrunnen vor Zerstörung und Bemalung zu bewahren, wurden Überwachungskameras und eine nächtliche Beleuchtung installiert sowie ein Gitterzaun gebaut, der nachts abgeschlossen wird.

(23. Mai 2016)

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