Grazile Tänzerinnen aus schneeweißem Marmor
Sensationelle Ausstellung im Berliner Bode-Museum würdigt den italienischen Bildhauer Antonio Canova



Vier Tänzerinnen von der Meisterhand des Antonio Canova und weitere
Arbeiten des Genialen Bildhauers sind im Bode-Museum auf der Berliner
Museumsinsel zu einem einzigartigen Ensemble vereint. Im Vordergrund
gießt Hebe Flüssigkeit in eine vergoldete Schale.



Die überlebensgroße Gipsbüste des Antonio Canova ist mit kleinen
Metallstiften zur Übertragung der Konturen auf einen Marmorblock markiert.



Anmutig schwingt eine Tänzerin auf dieser 1799 Temperamalerei aus dem
Jahr 1799 ein Tuch, als wolle sie einen Regenbogen andeuten. (Fotos: Caspar)

Vor zehn Jahren wurde das Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel nach mehrjähriger Sanierung und Restaurierung wiedereröffnet. Die Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz haben sich zu diesem Jahrestag mit einer Ausstellung von Werken des italienischen Bildhauers Antonio Canova (1757 in Possagno - 1822 in Venedig) ein besonderes Geschenk gemacht. Als Kooperationsprojekt mit dem Museo Canova in Possagno und dem Museo Civico in Bassano del Grappa gestaltet, würdigt bis zum 21. Januar 2017 die ohne Übertreibung sensationell zu nennende Ausstellung den bedeutendsten Bildhauer des italienischen Neoklassizismus mit vier von ihm geschaffenen Tänzerinnen aus schneeweißem Marmor sowie farbigen Zeichnungen und weiteren Zeugnissen. Der seinerzeit überaus produktive, mit seinem altgriechischen Kollegen Phidias verglichene Canova war auch in der preußischen Haupt- und Residenzstadt Berlin bekannt. Doch schlug er eine Anstellung als Hofbildhauer aus, die Stelle bekam Johann Gottfried Schadow, der Schöpfer der Doppelstatue der Prinzessinnen Luise und Frederike, der Quadriga auf dem Brandenburger Tor, des Blücher- und des Lutherdenkmals in Rostock beziehungsweise Wittenberg und vieler andere Skulpturen.

Antonio Canova liebte Tanz und Bewegung über alles. Heraus kamen farbige Bilder und köstliche Marmorfiguren, die erstmals in dieser Form für die Ausstellung im Erdgeschoss des Bode-Museums gleich im Anschluss an Kostbarkeiten der Skulpturensammlung zusammengestellt wurden. Der mit Canova befreundete Bildhauer Antonio D'Este berichtet in seinen Erinnerungen, dass die beiden in jungen Jahren an Festtagen in der bergigen Umgebung Roms oder in Trastevere Spaziergänge machten, um Mädchen aus dem Volk tanzen zu sehen. Aus den Betrachtungen der natürlichen Bewegungen habe Canova eine "Lehre zum Vorteil seiner Kunst" gezogen.

Mitglieder der Schadow Gesellschaft zu Berlin e. V. sahen sich jetzt die Ausstellung an, vom Kurator Dr. Volker Krahn sachkundig geführt. Mit zahlreichen Zeichnungen schuf sich der Künstler ein breit angelegtes Fundament für seine Temperamalereien, Gemälde und Marmorskulpturen, die im letzten Jahrzehnt des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden und viel Aufsehen erregten, erklärte Krahn. Höhepunkt seiner Beschäftigung mit dem Tanz sind drei etwa lebensgroße Marmorfiguren, die mit dem Gipsmodell einer vierten Tänzerin und den ebenfalls von Canovas Hand stammenden farbigen Temperamalereien auf Papier in vergoldeten Originalrahmen ein einzigartiges, so noch nie gesehenes Ensemble bilden.

Das Ideal weiblicher Anmut

Alle in der Ausstellung gezeigten Skulpturen und die Bilder an den Wänden verkörpern Canovas Ideal weiblicher Anmut. Die im Auftrag von Joséphine de Beauharnais, der ersten Gattin des französischen Kaisers Napoleon I., geschaffene Tänzerin mit den Händen in den Hüften gelangte 1815 in die Eremitage in St. Petersburg und kam extra für die Ausstellung nach Berlin. Eine Tänzerin mit dem Finger am Kinn, deren Modell vom Museo Canova an die Spree entliehen wurde, entstand 1809 bis 1812 im Auftrag des russischen Botschafters in Wien, Graf Andreas K. Razumovsky. Die Tänzerin mit den Zimbeln gelangte in die Berliner Skulpturensammlung. Seine Passion für den Tanz und für scheinbar schwerelose menschliche Körper zeigt sich bereits in der 1796 entstandenen Hebe. Sie ist üblicherweise in der Alten Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin ausgestellt, kann jetzt aber von allen Seiten betrachtet werden. Das macht diese und die anderen Skulpturen zu Erlebnissen der Extraklasse, wie auch die Teilnehmer der Sonderführung bemerkten. Hebe, die Tochter von Zeus und der Hera, hatte der griechischen Mythologie zufolge die Macht, den Menschen eine neue Jugend zu schenken. Von leichtem, fließendem Stoff bedeckt und auf einer Wolke stehend, ist die anmutige Frau im Begriff, in den Olymp zu den Göttern aufzusteigen.

Antonio Canova hatte sich für die Figur der Hebe und der anderen Tänzerinnen von Werken der antiken Kunst, Malereien auf griechischen Vasen sowie Fresken aus der im Jahr 79 nach Christus durch einen Ausbruch des Vesuv verschütteten Stadt Herculaneum inspirieren lassen. An einer Wand liest man Bekenntnisse des unter Selbstzweifeln und Depressionen leidenden Meisters, der von seinen Arbeiten auch therapeutische Wirkungen erhoffte. "Die Nacktheit ist eine göttliche Angelegenheit, sie ist ein Teil der Arbeiten von Gott selbst", wird Canova aus einem Buch über ihn und sein Werk zitiert. "Ich glaube, wenn das Nackte rein und geschmückt mit höchster Schönheit, lenkt es uns ab von irdischer Versuchung und versetzt uns in jene Tage seliger Unschuld." Die Figur der Hebe wurde 1825 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. für die Berliner Museen erworben und fand dort großen Anklang. Für die Gestaltung des Marmors waren auch antike Bildwerke wie die Tanzende Mänade der Berliner Antikensammlung anregend, die Canova in der Subtilität und Sensibilität ihrer Oberflächenbearbeitung zu übertreffen vermochte. Letzteres wurde von Zeitgenossen voller Anerkennung und Bewunderung vermerkt.

Markt der Liebesgötter

Einen sehenswerten Schlusspunkt der Ausstellung bildet der "Markt der Liebesgötter". Vorbild war ein antikes Fresko aus Pompeji, doch Canova schildert auf dem Temperabild, wie Merkur, der Gott des Handels, aus einem Käfig kleine geflügelte Amoretten an Mädchen zu verkaufen. Canova drückt auf dem drei Meter langen Fries mit subtilem Humor und feiner Ironie nicht nur das Wirken der Liebesgötter sondern auch den Wunsch der Menschen nach ewiger Jugend, Schönheit und Liebe aus. Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe lässt sein Gedicht "Die Liebesgötter auf dem Markte" aus dem Jahr 1797 so beginnen: "Von allen schönen Waren, / Zum Markte hergefahren / Wird keine mehr behagen, / Als die wir euch getragen / Aus fremden Ländern bringen. / O höret, was wir singen! / Und seht die schönen Vogel! / Sie stehen zum Verkauf."

Die Ausstellung "Canova und der Tanz" und das Bodemuseum sind Dienstag und Mittwoch sowie Freitag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, am Donnerstag von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Der von Volker Krahn herausgegebene Katalog erschien im Terra Ferma Verlag in Crocetta del Montello, Treviso, hat 263 Seiten, zahlreiche Abbildungen und kostet 25 Euro (ISBN: 978-88-99657-24-6).

15. Dezember 2016

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