Erinnerung an Opfer des NS-Rassenwahns
Sonderausstellung der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin
in der Topographie des Terrors bis Ende Januar 2017



In der Ausstellung kann man auf einem Video zuschauen, wie Gunter Demnig
Stolpersteine in der Berliner Poststraße, die zum Nikolaiviertel gehört, verlegt.



Der Metallkunsthandwerker und Bildhauer Michael Friedrichs-Friedlaender
fertigt im Künstlerhof Berlin-Buch die Stolpersteine an und verwendet
Vorgaben von Holocaust-Forschern und anderen Fachleuten.



Im Pflaster der Berliner Stierstraße werden Bewohner in Erinnerung
gerufen, die dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer fielen.




Adressbücher sind wichtige Unterlagen für die Frage, für wen und an
welcher Stelle ein Stolperstein in den Boden gelegt werden soll.




Die Ausstellung ruft in Bild und Schrift Nazi-Opfer ins Gedächtnis und
ehrt zugleich diejenigen, die aus sie ehrend erinnern. (Fotos: Caspar)

Die Topographie des Terrors auf dem ehemaligen Gelände des Reichssicherheitshauptamtes der SS an der Wilhelmstraße/Käthe Niederkirchnerstraße zeigt bis zum 31. Januar 2017 die Sonderausstellung "Stolpersteine - Gedenken und Soziale Skulptur". Das Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig erinnert an Menschen, die zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Die auf dem Künstlerhof in Buch von dem Metallkunsthandwerker und Bildhauer Michael Friedrichs-Friedlaender durch Einschlagen von Buchstaben- und Zahlenpunzen mit Namen, Lebensdaten und Ortsangaben versehenen Messingplatten bringen Juden, Sinti und Roma, Menschen aus dem antifaschistischen Widerstand, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Opfer der "Euthanasie"-Morde sowie Männer und Frauen ins öffentliche Bewusstsein zurück, die als vermeintlich "Asoziale" verfolgt und ermordet wurden. Die Betonquader mit einer Kantenlänge von zehn Zentimeter werden in den Gehweg vor dem letzten Wohnort von Verfolgten und Opfern des Naziregimes eingelassen. Auf einer Messingplatte an der Oberseite sind der Name und das Schicksal der Menschen zu lesen, an die erinnert wird.

Seit über 20 Jahren sind die Stolpersteine im Berliner Stadtbild verankert. Oftmals liegen mehrere dieser kleinen Erinnerungsmale vor Wohnhäusern in der Berliner Stierstraße und Ackerstraße sowie an vielen anderen Orten. Die Ausstellung schildert die häufig nicht bekannten Grundlagen und vielfältigen Facetten dieses europäischen Kunst- und Erinnerungsprojekts. Am Entstehungsprozess sind Hinterbliebene der Ermordeten, aber auch Historiker und Archivare sowie Schulklassen und Studenten beteiligt.

Die Idee für die Mahnmale im Boden hatte der Kölner Bildhauer Gunter Demnig. Er gibt den NS-Opfern, die in den Konzentrationslagern zu Nummern degradiert wurden, ihren Namen zurück und greift auf Angaben in Archiven, Adressbüchern und anderen Quellen sowie Erinnerungen von Überlebenden zurück, wie die Ausstellung veranschaulicht. Das Bücken der Passanten, die die Texte auf den Stolpersteinen lesen wollen, wertet Demnig als symbolische Verbeugung vor den Opfern. Mit der Markierung von Tatorten der Deportationen häufig in dichtbesiedelten Bereichen geht er gegen die von Zeitzeugen und in der rechtsgerichteten Propaganda vorgebrachte Schutzbehauptung vor, von den Deportationen direkt vor der eigenen Haustür nichts bemerkt zu haben. Trotz des Begriffs Stolpersteine geht es Demnig nicht um tatsächliches "Stolpern". Auf die Frage nach dem Namen des Projektes zitiert er gern einen Schüler, der nach der Stolpergefahr fragte: "Nein, nein, man stolpert nicht und fällt hin, man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen."

In Köln wurde 1990, 50 Jahre nach der Verschleppung von Sinti und Roma, behauptet, in der Domstadt hätten niemals "Zigeuner" gelebt. Da Demnig forschte nach und stellte fest, dass das nicht stimmt und die Deportation dieser Menschen nur die Generalprobe für den geplanten Mord an Juden und anderen "Untermenschen" war, wie die Nazipropaganda lautete. In Köln markierte der Künstler die Deportationsstrecke mit Farbe. In Berlin und hier speziell in den Bezirk Kreuzberg, Schöneberg und Mitte ging er einen Schritt weiter und verlegte nach und nach die aus Messingplatten, um ebenfalls an den in der damaligen Reichshauptstadt geplanten und in den Vernichtungslagern realisierten Massenmord zu erinnern.

Die Reaktion auf seine Aktion, die Namen ermordeter Mitbürger "zurückzuholen", wie Demnig sagt, schwankte zwischen Zustimmung und Nachdenklichkeit bis zu strikter Anlehnung und Androhung gerichtlicher Schritte, weil Hausbesitzer eine Minderung des Wertes ihrer Immobilien befürchten. Dem sah und sieht der Künstler, stets mit einem Hut auf dem Kopf, gelassen entgegen. Dass er in Berlin schon mehr als 7000 und in ganz Deutschland ein Mehrfaches dieser verstörenden Erinnerungstafeln verlegt hat, zeigt ihm, dass er auf dem richtigen Weg ist. In ganz Europa brachten Demnig und seine Mitstreiter bis heute an die 70 000 Stolpersteine in den Boden.

21. November 2016

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