Aus für "Bürger in Bewegung"
Das umstrittene Freiheits- und Einheitsdenkmal auf der Berliner Schlossfreiheit wird nicht gebaut



So hätte das Berliner Einheits- und Freiheitsdenkmal aussehen sollen.
Im Gegensatz zur Jury fand das Modell bei den Berlinern wenig Anklang.




Im Sockel des 1897 von Wilhelm II. eingeweihten Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf
der Berliner Schlossfreiheit leben Fledermäusen. Ihnen wird jetzt die Schuld
gegeben, dass sich die Baukosten des Denkmals massiv verteuern.



Die vergrößerte Quadriga vom Brandenburger Tor hätte ein Schild mit dem Ruf
von 1989 "Wir sind das Volk, wir sind ein Volk" tragen sollen. (Repro/Fotos: Caspar)

Nachdem das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig, der Stadt der friedlichen Revolution von 1989 in der DDR, schon längst im Orkus der Geschichte verschwunden ist, wird jetzt auch das Aus für das Berliner Pendant bekannt. Das 2007 vom Bundestag beschlossene Denkmal sollte nach Plänen des Stuttgarter Designers Johannes Milla und der Berliner Choreographin Sasha Waltz in der Form einer riesigen begehbare Schale auf dem Sockel des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals gegenüber dem Humboldt-Forum errichtet werden. Mit einer Länge von 80 Metern und einer Breite von 40 Metern hätte er dem im Volksmund Bundes- oder Einheitswippe, auch Merkelwippe genannten Erinnerungsmal genügend Platz geboten. Die 1897 von Kaiser Wilhelm II. mit großem Pomp eingeweihten Bronzefiguren mit einer riesigen Steinkolonnade dahinter wurden 1950, zeitgleich mit der Sprengung des Schlosses, beseitigt und bis auf die Löwengruppen eingeschmolzen. Die riesigen Raubtiere sind im Berliner Tierpark gegenüber dem Alfred-Brehm-Haus erhalten.

Das Modell der Einheitswippe ging 2009 aus mehr als 500 Wettbewerbsbeiträgen siegreich hervor. Die Jury hat fast alle wurden als kompletten Schrott und Politkitsch abgelehnt. Im Martin-Gropius-Bau waren unter anderem Modelle der vergoldeten Quadriga vom Brandenburger Tor, ein vor Begeisterung in die Knie gegangener Mann, eine riesige Banane als Allegorie auf die Sehnsucht der DDR-Bewohner nach Südfrüchten und nicht zuletzt als Krönung der Bemühungen sich lustig tanzende und musizierende Schlümpfe mit blau angemalten Gesichtern. Schlimmer ging es nimmer!

Als Grund dafür, dass sich der Bund von dem Freiheits- und Einheitsdenkmal verabschiedet hat, werden die steigenden Kosten angegeben. Statt der geplanten zehn Millionen Euro sollten es jetzt 15 Millionen Euro sein - mindestens. Wenn man die Berliner Verhältnisse kennt, wäre es dabei sicher nicht geblieben. Grund für die Kostensteigerung soll gewesen sein, dass die in den Katakomben des Kaiser-Denkmals lebenden Fledermäuse hätten aus- und umgesiedelt werden müssen. Ins Gewicht fallen bei der Kostenrechnung, dass die unter das Motto "Bürger in Bewegung" gestellte Einheitswippe nicht behindertengerecht gestaltet ist. Man hätte eine Rampe bauen müssen, die ihr jeden gestalterischen Charme geraubt hätte. Die Berliner Denkmalpflege forderte den Schutz der Mosaiken auf dem Boden des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals. So lagen auf dem Weg zum Bau des ehrgeizigen Projekts nur Steine, weshalb der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Mitte April 2016 die Reißleine zog.

Dabei war der Standort für das Denkmal ideal, denn auf der Berliner Schlossfreiheit fand 1848 die Märzrevolution statt, hier hat man 1871 die Reichseinheit gefeiert und 1918 die Republik ausgerufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Abriss des Hohenzollernschlosses war der Platz im Herzen Berlins Ort von Kundgebungen und militärischen Spektakeln. Im Palast der Republik beschloss die erste frei gewählte Volkskammer am 23. August 1990 den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland, und wenig später wurde im Kronprinzenpalais Unter den Linden der Einigungsvertrag unterzeichnet.

Eigentlich sollte das Einheitsdenkmal am 9. November 2014, dem 25. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze, eingeweiht werden. Kulturstaatsministerin Monika Grütters zeigte sich tapfer überzeugt, dass sich gestalterische und finanzielle Probleme lösen lassen. Auch der 3. Oktober 2015 als 25. Jahrestag der deutschen Einheit als Tag der Weihe ist überschritten. Jetzt wird sich zeigen, ob der Projekt ganz fallen gelassen wird, was ausgesprochen blamabel wäre, oder ob es eine neue Ausschreibung gibt und das Freiheits- und Einheitsdenkmal als zentraler Punkt in Berlin für ehrendes Gedenken unter neuen Voraussetzungen vielleicht an einem anderen Standort doch noch gebaut wird. Erinnert sei, dass das Leipziger Völkerschlachtdenkmal etwa ein Jahrhundert brauchte, bis es 1913 eingeweiht werden konnte. Bis 2089 ist mit dem Berliner Projekt viel Zeit...

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