Bodenurkunden zum Sprechen gebracht
Archäologen wurden auf einem bisher freien Gelände auf der Fischerinsel fündig



Die freigelegten Mauern auf der Fischerinsel wurden in den vergangenen
Monaten untersucht und vermessen. In Kürze werden hier Neubauten entstehen.



Solche Keramikfunde sind typisch für das, was die Archäologen in der
Mitte Berlins bisher ans Tageslicht gebracht haben.



Wenn die bei Grabungen auf dem Petriplatz entdeckten menschlichen Gebeine
anthropologisch untersucht sind, werden sie in respektvoller Weise auf
einem Friedhof außerhalb der Innenstadt bestattet.



Das Umfeld der Marienkirche wurde nach Abschluss der Grabungen in einen
rechteckigen Kirchhof verwandelt. (Fotos: Caspar)

Archäologen schließen in diesen Tagen ihre Grabungen auf der Fischerinsel in der Berliner Stadtmitte ab. Die Untersuchungen an der Ecke Fischerinsel/Gertraudenstraße wurden nötig, weil auf dem bisher freien Gelände demnächst Neubauten entstehen werden. Das Areal befindet sich gegenüber der ehemaligen Petrikirche und ist nur durch eine vielbefahrene Straße getrennt. Die Fischerinsel, 1237 erstmals als Stadt Cölln erwähnt, gehört zu den ältesten innerstädtischen Siedlungsgebieten Berlins. Bei den bisherigen Grabungen konnten in etwa 2,50 Meter Tiefe Reste eines Fachwerkhauses aus dem 13. Jahrhundert freigelegt werden. Außerdem sind zahlreiche Kellermauern aus dem 16. bis 19. Jahrhunderts zum Vorschein gekommen

Wo heute tausende Autos entlang fahren, stand die Wiege Berlins, genauer gesagt, es lebten hier die Bewohner der Stadt Cölln, die mit Berlin eine Einheit bildete. Durch kleine Fenster am Bauzaun kann man den Archäologen zuschauen, wie sie auf der Fischerinsel mit Spaten, Kelle und Pinsel Reste mittelalterlicher Bebauung und Zeugnisse uralter Lebensweise freilegen. Ans Tageslicht sind die üblichen Verdächtigen gelangt - Gefäßfragmente, gelegentlich mit den Namen der Hersteller gestempelte Ziegelsteine, aber auch Werkzeuge der Fischer, die hier gelebt und gearbeitet haben, ein kleiner Würfel aus Knochen, einen Ziegelstein mit einem Eindruck in Form eines Schuhs und andere Hinterlassenschaften.

Archäologin Claudia Maria Melisch, die mit ihrem Team schon die Fläche rund um die ehemalige Petrikirche erforscht hat, hofft, durch die Grabungen weitere Einsichten in die Besiedelungsstruktur von Cölln zu bekommen und irgendwann sagen zu können, wo und welche Häuser hier standen, wer hier lebte und womit die Bewohner ihren Lebensunterhalt verdienten. Da Urkunden und Chroniken darüber nichts oder nur wenig aussagen, sind die "Bodenurkunden" als Quellen der historischen Erkenntnis so wichtig.

Die etwa acht Hektar große Fischerinsel bildet die Südspitze einer von Spree und Spreekanal eingeschlossenen Fläche, deren nördlicher als Museumsinsel bekannt ist. Zu den bekanntesten Bewohnern gehörte Hans Kohlhase, der im Streit mit den sächsischen Kurfürsten lag und dem Heinrich von Kleist eine berühmte Novelle über die Verteidigung von Recht und Gerechtigkeit bis zum bitteren Ende gewidmet hat. Die Neubebauung des im Zweiten Weltkrieg stark zerstörten Areals erfolgte in der Ulbricht-Zeit von 1967 bis 1972 durch Hochhäuser mit 18 beziehungsweise 21 Geschossen. Sie bilden das Entree zur Leipziger Straße, die im Rahmen des damaligen Wohnungsbauprogramms überproportional verbreitert und ebenfalls mit solchen Hochhäusern besetzt wurde. Mit der monumentalen Bebauung im Stil des Platenbaus wollte die DDR gegenüber dem nicht wenige hundert Meter hinter der Mauer befindlichen Westberlin auftrumpfen und einen Kontrapunkt zum Springer-Hochhaus hart an der deutsch-deutschen Grenze schaffen.

Ein besonders markantes Bauwerk auf der Fischerinsel war die Mehrzweckgaststätte "Ahornblatt", die im Jahr 2000 abgerissen und einem Hotel Platz machen musste. Bevor dieses Gebaut wurde, haben Archäologen ebenfalls interessante Funde von Mauerresten bis zu Resten von Keramik- und Glasgefäßen machen können. Einige Funde stammten noch aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und befanden sich in den Kellern zerbombter Häuser.

So viele spektakuläre Funde in kürzester Zeit haben die Berliner Archäologen schon lange nicht mehr in der historischen Mitte gemacht. An der Marienkirche wurden im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Neuen Markts sehr gut erhaltene Skelette aus dem 13. Jahrhundert geborgen. Etwa aus dieser Zeit - der Stadtgründung Berlins - stammen auch Mauerreste des einstigen Franziskanerklosters, von dem nur noch die Ruine an der Grunerstraße erhalten ist. Bei Grabungen auf dem Gendarmenmarkt wurden neben dem Französischen Dom ebenfalls Skelette und Knochenreste gefunden.

18. November 2016

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