Wo ist der Bär, wo der Stier?
Denkmalpflege sucht Fotos von zwei verschollenen Bronzefiguren vom Floraplatz im Berliner Tiergarten



Preußens Königin Luise blickt auf der Luiseninsel im Tiergarten
als Marmorkopie des aus dem 19. Jahrhundert stammenden
Originals freundlich auf die Betrachter.




Die bronzene Amazone hoch zu Ross auf dem Floraplatz soll
wie zu Kaisers Zeiten wider von Tierfiguren umgeben werden.



Diese Wiesentjagd aus Bronze unweit der Siegessäule und weitere
Sklupturen haben manche Katastrophen überstanden. (Fotos: Caspar)

Das wohl bekannteste Erholungsgebiet der Hauptstadt, der schon in der Barockzeit als hochherrschaftliches Jagdrevier angelegte und danach immer wieder veränderte Große Tiergarten, wird in den kommenden Jahren umgestaltet. Grundlage für die gartendenkmalpflegerischen Maßnahmen sind Pläne von Peter Joseph Lenné aus dem frühen 19. Jahrhundert. Kaum ein innerstädtischer Bereich hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so stark verändert wie die Randgebiete des Großen Tiergartens. Nur noch Schautafeln lassen erkennen, dass zwischen den Bezirken Mitte und Tiergarten eine Betonmauer mit Selbstschussanlagen und Todesstreifen verlief. Zugewachsene Botschaftsgärten entlang der Tiergartenstraße haben sich mittlerweile zu schmucken Oasen mit teuren Neubauten gemausert. Wertvolles. Der Potsdamer Platz hat sein Gesicht komplett verändert und ist zu einem in allen internationalen Stadtführern lobend erwähnter Treffpunkt von Touristen aus aller Welt geworden.

Wenig spektakulär verlief die stückweise Rekonstruktion des 220 Hektar umfassenden Großen Tiergartens. Der so genannte Rosengarten an der Tiergartenstraße hat seine historische Gestalt zurück bekommen. Dort wurde das nur als Abguss aus weiß angestrichenem Beton aufgestellte Denkmal der 1810 preußischen Königin Luise durch eine Kopie aus carrarischem Marmor ausgetauscht. Wiederhergestellt ist bereits das Komponistendenkmal auf einer nach alten Plänen rekonstruierten Fläche an der ehemaligen Entlastungsstraße. Diese trostlose Fahrbahn wurde vor einigen Jahren in ein kleines Gartenparadies verwandelt, nachdem der Autoverkehr durch den Tiergartentunnel verläuft. Nach dem Rückbau der Entlastungsstraße wachsen beide Teile des Tiergartens wieder zusammen, und alte Wegeführungen, die dort endeten, werden in Anlehnung an Lennés Pläne neu gestaltet.

Die vom Land Berlin und seiner Denkmalbehörde sowie dem Bezirk Mitte-Tiergarten geplanten Maßnahmen sehen unter anderem die Wiederherstellung von Gewässern im Großen Tiergarten vor. Dazu sind umfangreiche Baggerarbeiten notwendig, es müssen aber auch die Kanäle, die die einzelnen Seen verbinden, wieder freigelegt werden. Außerdem müssen Wege von Gestrüpp befreit und befestigt sowie historische Sichtachsen geschlagen werden. Die Arbeiten nehmen mehrere Jahre in Anspruch, aber die Mühe wird sich lohnen, denn dann wird der Tiergarten noch besser als ein Großstadtpark voller schöner Erlebnisräume zu erkennen sein. Nicht in den Tiergarten kehren die Figuren von der um 1900 auf Befehl von Kaiser Wilhelm II. aufgestellten Siegesallee zurück. Die marmornen Markgrafen, Kurfürsten und Könige finden, so weit sie die Kämpfe am Ende des Zweiten Weltkriegs überstanden haben, in einem Museum für historische Skulpturen in der Spandauer Zitadelle ein neues Zuhause. Dieses Lapidarium wird in nicht allzu langer Zeit eröffnet und gewährt weiteren aus dem Großen Tiergarten und anderen Berliner Parkanlagen stammenden Figuren Asyl.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt sucht aktuell Fotografien, die den Nachkriegszustand des Floraplatzes im Tiergarten nach dem Zweiten Weltkrieg zeigen und auf denen einzelne Tierfiguren zu erkennen sind. Von besonderem Interesse sind die beiden Figuren Bär und Stier. Es ist geplant, die Platzanlage in ihrer kaiserzeitlichen Fassung einschließlich des ursprünglichen Skulpturenbestandes zu rekonstruieren. Für die geplante Rekonstruktion des Platzes wird Bildmaterial der beiden verschollenen Figuren gesucht. Auf dem Floraplatz steht seit Jahrzehnten nur noch die reitende Amazone aus Bronze. Die Skulptur wurde von Louis Tuaillon geschaffen und 1906 aufgestellt. Es ist heute weitgehend vergessen, dass auf dem Platz weitere acht lebensgroße Bronzeskulpturen standen. Von diesen acht Tierfiguren des Bildhauers Rudolf Siemering sind zwei seit dem Ende der 1940-er Jahre verschollen.

Rudolf Siemering hatte zwischen 1878 und 1897 das Reiterdenkmal für den ersten Präsident der Vereinigten Staaten, George Washington, in Philadelphia geschaffen. Im Sockelbereich befanden sich neben weiteren Figuren auch acht Tierskulpturen, und zwar zwei Elche, zwei Hirsche, zwei Bisons sowie ein Bären und ein Stier. Diese acht Tierdarstellungen wurden auf Wunsch von Kaiser Wilhelm II. nachgegossen und rund um den Floraplatz aufgestellt. Die Skulpturen waren nach dem Zweiten Weltkrieg zwar beschädigt, es waren jedoch alle acht Tierfiguren von Siemering erhalten. Allerdings gingen Bär und Stier verloren, man nimmt an, dass Buntmetalldiebe sie haben einschmelzen lassen. Die anderen sechs Tiere befinden sich heute an verschiedenen Aufstellungsorten im Tiergarten. Sollten Berlinerinnen oder Berliner im Besitz der gesuchten Aufnahmen sein, würde sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt um eine Mitteilung freuen (Telefon 030/90139 3234).

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