Alte und neue Grabsteine
Der Invalidenfriedhof an der Scharnhorststraße schaut auf eine über 250jährige Geschichte zurück, doch auch die anderen Friedhöfe sind einen Besuch wert



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Auf dem Invalidenfriedhof blieben wertvolle Grabmäler wie das
für Scharnhorst(oben) sowie Rauch und Witzleben erhalten



Eisenbahnkönig August Borsig fand auf dem Dorotheenstädtischen
Friedhof seine letzte Ruhe. Ein Baldachin schützt seine Büste.




Ungewöhnlich farbenprächtig ist die Grabstätte des Fabrikanten und
Erfinders des Ringofens Friedrich Eduard Hoffmann im Stil der
italienischen Renaissance auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof gestaltet.




Der Industrielle Peter Louis Ravené ist auf dem Französischen Friedhof I
unter einem Baldachin bestattet. Die Liegefigur erinnert an das
Grabmal der Königin Luise im Charlottenburger Schlosspark.




Da der Französische Friedhof I an der Invalidenstraße überfüllt
war, wurde an der Liesenstraße 7 ein weiterer geschaffen.
Hier sind Theodor und Emilie Fontane bestattet. (Fotos: Caspar)

Berlin besitzt 224 geöffnete beziehungsweise geschlossene Friedhöfe mit einer Fläche von 1176 Hektar. Von ihnen stehen etwa 80 unter Denkmalschutz, und einer ist schöner als der andere. Bedeutende Persönlichkeiten fanden auf ihnen ihre letzte Ruhe. Auf vielen Friedhöfen ist der Verfall nicht zu übersehen, und wertvolle Grabstätten befinden sich in einem beklagenswerten Zustand. Die staatliche Denkmalpflege, aber auch Kirchgemeinden und Vereine mühen sich um die Rettung der oft mit Skulpturen, Bildnissen und Inschriften geschmückten Anlagen. Wenn man in eine 2008 von Jörg Haspel und Klaus von Krosigk (Landesdenkmalamt Berlin) herausgegebenen Dokumentation über Berliner Friedhöfe als Gartendenkmale schaut, sieht man, dass auf diesem Gebiet manches erreicht ist, aber noch vieles getan werden muss. Indem der reich illustrierte Band über die Geschichte der Berliner Friedhöfe und zahlreiche bemerkenswerte Grabstätten und Mausoleen berichtet, wirbt er für die Übernahme von Patenschaften für einzelne Anlagen, denn ohne privates Engagement sind Ämter und Verwaltungen sowie die Familien der Verstorbenen nicht in der Lage, die zum Teil restaurierungsbedürftigen Grabanlagen vor Verfall zu bewahren. Die zeitliche Spanne des umfangreichen Bild-Text-Bandes reicht von den bescheidenen Gottesäckern rund um mittelalterliche Kirchen bis zu den großen Friedhöfen, die aus hygienischen und Platzgründen seit dem späten 18. Jahrhundert jenseits der Stadtgrenzen angelegt wurden, durch die rasante Erweiterung Berlins inzwischen aber mittendrin liegen. Da das mit zahlreichen Luftbildaufnahmen ausgestattete Buch nach Bezirken und Ortsteilen gegliedert ist und ein Register der Grabstätten besitzt, lassen sich die Anlagen gut finden.

Bekannte und Unbekannte

Am 15. November 1748 bestimmte Preußens König Friedrich II. in einer Instruktion über das neu eingerichtete Invalidenhaus vor den Toren seiner Haupt- und Residenzstadt: "Der Begräbnisplatz wird angewiesen werden". Das war die Geburtsstunde eines der bedeutendsten und bekanntesten deutschen Friedhöfe mit rund 30 000 Bestattungen. Viele bekannte Militärs, Politiker und Gelehrte, aber auch zahllose Personen, die kein Geschichtsbuch nennt, fanden auf dem Invalidenfriedhof an der Scharnhorststraße ihre letzte Ruhe. Wer den Begräbnisplatz besucht und ihn mit dem Zustand bald nach dem Fall der Mauer 1989 vergleicht, die ihn brutal zerschnitten hatte, wird sich erstaunt die Augen reiben. Manche zwischen 1961 und 1989 von Grenzsoldaten umgestürzte Steine sind aufgerichtet und demolierte Grabmäler restauriert. Bäume säumen wieder die Friedhofsalleen, Efeu rankt sich auf den Hügeln. Doch zeigen auch Rasenflächen, dass es hier ursprünglich Grabfelder gegeben hat. Der Förderverein Invalidenfriedhof versetzt mit Unterstützung des Bundes und des Landes Berlin sowie mit Lottomitteln und privaten Spenden den Gottesacker in einen würdigen Zustand. Auf dem 2,54 Hektar großen Areal wurden Kommandanten des benachbarten Invalidenhauses, das heute Teil des Bundeswirtschaftsministeriums ist, begraben, dazu preußische Feldmarschälle, Generale und Kriegsminister, aber auch Offiziere und Soldaten sowie zahllose Zivilisten. Bestattet wurden auf dem Invalidenfriedhof mehrere Nazigrößen und hohe Militärs, die sich wie der Leiter des Reichssicherheitshauptamtes und Planer des Holocausts, Reinhard Heydrich, und Fritz Todt, der der Chef der nach ihm benannten Bauorganisation, schwerster Verbrechen schuldig gemacht haben. Allerdings sind diese Grabstätten nicht mehr auffindbar. Hitlers Plan, auf dem Invalidenfriedhof eine riesige, von Wilhelm Kreis und Albert Speer entworfene "Soldatenhalle" zu errichten, wurde wegen des Kriegsverlaufs und des Endes der NS-Diktatur nicht verwirklicht.

Flurbereinigung vor und nach dem Mauerbau

Bereits in den fünfziger Jahren waren auf dem nicht mehr belegten Invalidenfriedhof zahlreiche Grabsteine und Kreuze sowie gusseiserne Einfriedungen tonnenweise abgetragen worden. Diese "Flurbereinigung" wurde nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 forciert, um für die Grenzsoldaten Sicht- und Schussfreiheit zu gewinnen. Dass auf dem Friedhof einige von der DDR-Geschichtsschreibung als progressiv eingestufte Persönlichkeiten wie der General der Befreiungskriege Gerhard von Scharnhorst und der Mitbegründer der Turnerbewegung Karl Friedrich Friesen liegen, bewahrte ihn vor der kompletten Zerstörung. In den späten achtziger Jahren hat das damalige Institut für Denkmalpflege der DDR erste Bestandserhaltungsmaßnahmen in Grenznähe begonnen. 1991 konnte das wichtigste Monument, das von Karl Friedrich Schinkel entworfene und von den Bildhauern Christian Friedrich Tieck und Christian Daniel Rauch ausgeführte Scharnhorst-Grabmal durch ein Glasdach geschützt werden, das inzwischen wieder abgebaut ist. Um das umlaufende Sockelrelief des Hochsarkophags, das die Vita des 1813 bei Prag gefallenen Kriegshelden darstellt, vor den Unbilden der Witterung zu schützen, wurde ein Abguss angefertigt. Das Original kam ins Museum. Neben dem Scharnhorst-Grab mit einem schlafenden Löwen obenauf steht ein weiterer Schinkel-Entwurf, das Denkmal aus Eisenkunstguss mit grünem Schutzanstrich für den preußischen Kriegsminister Job von Witzleben. Viele der noch erhaltenen Steine sind wieder aufgerichtet. Steine unbekannter Herkunft kommen in ein Lapidarium auf dem Friedhofsgelände, während der Förderverein dort neue Grabsteine setzt, wo die alten Platten verloren sind. Bei archäologischen Ausgrabungen wurden mehrere Steinplatten aus dem 18. Jahrhundert mit Inschriften und figürlichem Schmuck gefunden. Sie wurden restauriert und, vor den Unbilden der Witterung geschützt, neu aufgestellt.

Wenn wir weiter zur Chausseestraße gegen, dann kommen wir zum Dorotheenstädtischen Friedhof. Dem Borsighaus schräg gegenüber befindet sich das Wohnhaus von Bertold Brecht und Helene Weigel. Der Dichter und die Schauspielerin und Intendantin bezogen 1953 das Gebäude Chausseestraße 125. Die Wohn- und Arbeitsräume sowie das Literaturarchiv der beiden Künstler sind original erhalten, ihr Grab befindet sich mit den Grabstätten zahlreicher anderer Berliner auf dem benachbarten Dorotheenstädtischen Friedhof. Auf ihm fand politische, kulturelle und wissenschaftliche Prominenz aus dem 19. und 20. Jahrhundert seine letzte Ruhe, wie man sie in dieser Dichte nirgend woanders in der Hauptstadt findet. Das verschafft dem Gottesacker besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung.

Patenschaften werden erbeten

Was investiert wurde und was noch kommt, ist gut angelegtes Geld, heißt es im Landesdenkmalamt und der Landesregierung. Berlin sei zwar arm, was seine Kassenlage betrifft, aber reich an historischem Erbe, das auf keinen Fall verkommen soll. Wo Mittel des Staates fehlen, sind die Bürger gefragt. Schon für einen vergleichsweise geringen Betrag können sie Patenschaften über historische Grabanlagen übernehmen, und wo es sich einrichten lässt, ist es auch möglich, dass man sich und seine Familie auf verschiedenen Friedhöfen in einem wieder hergerichteten Mausoleum bestatten lässt.

Mit Mitteln der Lottostiftung, des Landesdenkmalamtes und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sowie mit privaten Zuschüssen wurden in den vergangenen Jahren bedeutende Grabmäler auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof saniert und restauriert, doch sind die Arbeiten wie die auf anderen Anlagen dieser Art noch lange nicht abgeschlossen. Restauriert wurden unter anderem Gräber des Bildhauers Christian Daniel Rauch, des Architekten Johann Heinrich Strack und von Ernst Litfaß, dem wir die nach ihm benannten Anschlagsäulen verdanken. Beim spätklassizistischen Strack-Grabmal etwa wurden verloren gegangene Marmorsäulen und Schmuckdetails ergänzt, und auch das Gitter aus geschmiedeten Eisenblättern konnte nach historischen Fotos wiederhergestellt werden. Saniert und teilweise durch neue Steinplatten ergänzt wurde auch die mit Engelfiguren versehene monumentale Säulenkolonnade, die sich um das Grab des Diplomaten und Geheimen Justizrats Max Siegfried Borchardt und seiner Familie zieht. Außerdem wurde die Sanierung des 1882 errichteten und mit wertvollen Fresken geschmückten Mausoleums der Architektenfamilie Hitzig in Angriff genommen.

Der Französische Friedhof I in unmittelbarer Nachbarschaft des Dorotheenstädtischen Friedhofs gehört ebenfalls zu den bedeutendsten Anlagen dieser Art in Berlin. Er wurde 1780 als Begräbnisstätte der Französischen Gemeinde angelegt, die aus den Nachkommen der Ende des 17. Jahrhundert nach Berlin und Brandenburg-Preußen geflohenen Hugenotten bestand. Wolf Biermann hat beiden Friedhöfen an der Chausseestraße ein schönes Gedicht gewidmet. "Wir gehn manchmal zwanzig Minuten / Die Mittagszeit nicht zu verliern / Zum Friedhof der Hugenotten / Gleich hier ums Eck spaziern. [...] Wir hakeln uns Hand in Hand ein / Und schlendern zu Brecht seinem Grab / Aus grauem Granit da, sein Grabstein / Passt grade für Brecht nicht schlecht / Und neben ihm liegt Helene / Die große Weigel ruht aus / Von all dem Theaterspielen / Und Kochen und Waschen im Haus. [...] Da liegt allerhand große Leute / Und liegen auch viel kleine Leut / Da stehn riesengroße Platanen / Dass es die Augen freut / Wir gehn auch mal rüber zu Hegel / Und besuchen dann dicht dabei / Hanns Eisler, Wolf Langhoff. John Heartfield / Wohnt gleich in der Nachbarreih' [...] Dann freun wir uns und gehen weiter / Und denken noch beim Küssegeben: / Wie nah sind uns manche Toten, doch / Wie tot sind uns manche, die leben."

LITERATURTIPP Gartendenkmale in Berlin - Friedhöfe. Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin Bd. 27. Michael Imhof Verlag Petersberg 2008; Laurenz Demps: Zwischen Mars und Minerva. Wegweiser über den Invalidenfriedhof. Ein Verzeichnis der auf dem Invalidenfriedhof zu Berlin noch vorhandenen Grabdenkmale. Verlag für Bauwesen Berlin 1998. In einem weiteren Beitrag werden jüdische Friedhöfe in Berlin vorgestellt.

(4. Mai 2016)

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