Mit modernsten Methoden dem Verbrechen auf der Spur
Was Berlin und Deutschland dem Berliner Kripochef Ernst Gennat zu verdanken hat



Der Regierungs- und Kriminalrat Ernst Gennat war ein innovativer Mann,
wegen seiner Körperfülle nannte man ihn " Buddha der Kriminalisten".
Auf der Scherzpostkarte kümmert sich seine Sekretärin mit
dem Spitznamen Bockwurst-Trudchen liebevoll um ihren Chef.



Mehr als 30 Jahre lang war Gennat einer der begabtesten und erfolgreichsten
Kriminalisten Deutschlands. Das Foto zeigt das von ihm entwickelte Mordauto.





Was die Berliner Polizei bei Mördern und Dieben sichergestellt hat,
kann man in verschiedenen Vitrinen betrachten.




Wie Polizeifotografen gearbeitet haben und wie die Bilder ausgesehen
haben, kann man ebenfalls in der Ausstellung sehen. (Fotos: Caspar)

Die Berliner Kriminalgeschichte kennt unzählige Morde, Überfälle, Diebstähle, Betrügereien und andere Verbrechen, und die Zeitungen waren voll mit sensationell aufgemachten Berichten über sie und die Täter. Nach dem Ersten Weltkrieg sorgten spektakuläre Mordserien, aber auch Bankeinbrüche der Brüder Sass für großes Aufsehen. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, hatten Franz und Erich Sass schon als junge Burschen Bekanntschaft mit der Polizei gemacht. Sie verlegten sich Mitte der 1920-er Jahre auf die Geldbeschaffung mit Hilfe modernster Technik. Im Polizeihistorischen Museum am Platz der Luftbrücke 6 wird gezeigt, wie sie Schneidbrenner zum Öffnen von Banktresoren benutzten, was damals noch neu war. Anfang 1929 gelang dem Diebesduo, in die Stahlkammer der Diskontobank am Wittenbergplatz einzudringen. Nachdem sie unbemerkt einen Tunnel von einem Nachbarhaus zum Keller der Bank gegraben hatten, gelangten sie durch einen Luftschacht in den Tresorraum, wo sie fast alle Schließfächer ausräumten. Die Beute soll über zwei Millionen Reichsmark betragen haben, damals eine ungeheure Summe.

Zwar wurde das auf das Knacken von Panzerschränken spezialisierte und daher Schränker genannte Brüderpaar von der Polizei beobachtet, doch konnte man ihm nichts nachweisen. 1932 gingen die Einbrecher nach Dänemark, wo sie weitere Raubzüge unternahmen. Nachdem man sie geschnappt hatte, wurden sie 1934 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt und nach der Haftentlassung 1938 an das Deutsche Reich ausgeliefert, in dem die sich als Saubermänner gebärdenden Nazis an der Macht waren. Sie machten den Verbrechern den Prozess, in dem sie zu 13 beziehungsweise 11 Jahren Zuchthaus verurteilt wurden. Doch sie kamen nicht in den Knast, sondern ins Konzentrationslager Sachsenhausen, wo sie am 27. März 1940 ermordet wurden. Eine Zeitungsnotiz behauptete, sie seien auf der Flucht erschossen worden, dabei waren sie auf Hitlers Befehl umgebracht worden.

Als Ernst Gennat zur Kriminalpolizei kam, gab es noch keine Mordkommission im eigentlichen Sinne. Erst am 25. August 1902 wurde der Mordbereitschaftsdienst innerhalb der Kriminalpolizei eingerichtet, damit zu jeder Tages- und Nachtzeit sofort Beamte an den Tatort geschickt werden kann. Bis dahin hat es mitunter Stunden gedauert, bis die Beamten am Tatort eintrafen. Durch Gennats Bemühungen wurde aus der Mordbereitschaft eine organisatorisch fest eingerichtete "Zentrale Mordinspektion" gegründet, die am 1. Januar 1926 unter seiner Leitung die Arbeit aufnahm. Seine für einen preußischen Beamten ungewöhnlich demokratische Grundeinstellung und seine Bereitschaft, an Missständen unmissverständlich Kritik zu üben, hatten sich trotz seiner unbestreitbaren Erfolge hinderlich auf seine Karriere ausgewirkt.

Die Berliner Kriminalpolizei bediente sich ungewöhnlicher Methoden bei der Verbrechensbekämpfung und -aufklärung. Sie hatte überall ihre Spitzel und Zuträger postiert und galt den Verfolgungsbehörden anderer Länder als Vorbild. Auf Gennat geht ein "Mordwagen" genanntes Kriminallabor auf vier Rädern zurück, mit dessen Hilfe Tatorte genau und effektiv untersucht werden konnten. Das Polizeimuseum widmet Gennat eine spezielle Vitrine und dokumentiert darüber hinaus, welcher Tatwerkzeuge und Methoden sich Mörder, Einbrecher, Diebe und andere Personen bedienten und wie die Polizei ihnen auf die Spur kam und kommt. Ernst Gennat setzte die exakte Spurensicherung am Tatort durch, denn vor seiner Amtszeit war es durchaus nicht ungewöhnlich, dass die zuerst eintreffenden Schutzmänner am Tatort erst einmal "Ordnung" schafften oder die Leiche pietätvoll hinbetteten. Um solch laxen Umgang zu verhindern, legte der Kripochef Richtlinien für das Vorgehen am Tatort fest und setzte als unverbrüchliches Prinzip durch, dass vor dem Eintreffen der Ermittler nichts angefasst oder verändert werden darf.

Neben den Fortschritten in der Organisation und Ermittlungstechnik sowie ungewöhnlich hohe Aufklärungsraten bei Mordfällen waren es nicht zuletzt Gennats Hartnäckigkeit und Ausdauer, ein phänomenales Gedächtnis und großes psychologisches Einfühlungsvermögen, die ihn so erfolgreich werden ließen. Er betrieb Profiling, lange bevor der Begriff erfunden war und vertrat den Grundsatz "Unsere Waffen sind Gehirn und Nerven". Gewaltanwendung bei polizeilichen Vernehmungen und Befragungen lehnte er ab, und er prägte den Begriff "Serienmörder", von denen es in Berlin und anderswo damals mehr als genug gab, wie das Polizeimuseum ebenfalls dokumentiert. Nicht zuletzt war er sich der Wirkung von Kapitalverbrechen auf die Öffentlichkeit bewusst, weshalb er auch die Presse für die Ermittlungsarbeit nutzte.

Ernst Gennat, der schon zur Kaiserzeit eine Unzahl von Tötungs- und anderen Verbrechen aufgeklärt hatte, avancierte in der frühen Weimarer Zeit zu einem Medienstar. Wenn berühmte Personen wie Charly Chaplin und Edgar Wallace ihn besuchten, war das für die immer nach neuen Sensationen suchende Presse eine ausführliche Berichterstattung wert. Das Polizeimuseum geht auch auf solche medialen Events ein. .

12. Juli 2016

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