Erinnerungen an Brüder Grimm und Stauffenberg
Was auf dem Alten Sankt-Matthäus-Friedhof im Berliner Ortsteil Schöneberg zu entdecken ist



Zu den vier historischen Grabsteinen kam 2016 ein fünfter hinzu,
der auf weibliche Mitglieder der Familie Grimm aufmerksam macht.



Das Relief einer Trauernden schmückt die neue Stele, die an
Auguste Grimm und weitere Angehörige der Gelehrtenfamilie erinnert.




Schüler haben den Brüdern Grimm ihren Dank für ihre Märchen und
Forschungen zur deutschen Sprache abgestattet.




Der Stein auf dem Alten Sankt-Matthäus-Friedhof ist Stauffenberg und
seinen Mitstreitern gewidmet. Die Stadt Berlin übernahm
die Pflege des Ehrengrabes.




Als Claus von Stauffenberg erschossen wurde, soll er "Es lebe
das heilige Deutschland" gerufen haben. Der gefesselte Mann im
Hof des Bendlerblocks erinnert an alle, die beim "Aufstand
des Gewissens" Freiheit und Leben lassen mussten.
(Fotos: Caspar)

Der Alte Matthäusfriedhof an der Großgörschenstraße im Berliner Ortsteil Schöneberg ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Im Jahr 1856 eingeweiht, gehört er zu der im südlichen Tiergartenviertel gelegenen Sankt-Matthäus-Gemeinde. An dieser Stelle befindet sich das heutige Kulturforum, das bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg als Geheimratsviertel bekannt und während der Kaiserzeit eine der wohlhabendsten Gegenden in der Reichshauptstadt Berlin war. Dass in dieser Gegend reiche Kaufleute sowie Künstler, Wissenschaftler und höhere Beamte wohnten, kann man auch an den zum Teil prächtig geschmückten, vielfach noch gut erhaltenen Grabmälern und Mausoleen ablesen. Im Jahr 2000 ging die Sankt-Matthäus-Gemeinde mit ihrem Kirchhof an die Zwölf-Apostel-Gemeinde über, die seitdem neben ihren eigenen beiden Friedhöfen auch den Alten Sankt-Matthäus-Kirchhof unterhält.

Unlängst wurde auf dem Friedhof an der Großgörschenstraße eine ungewöhnliche Grabstele aufgestellt. Aus hellem Stein gefertigt, steht sie neben den Grabmalen aus schwarzem Marmor, die sich über den Gräbern der Sprachforscher und Märchensammler Brüder Jacob und Wilhelm Grimm sowie von Hermann Grimm erheben, der ein Sohn von Wilhelm Grimm war und als Schriftsteller und Kunsthistoriker bekannt wurde. Das vierte Grabmal ist Rudolf Grimm gewidmet. Mit dem neuen Grabdenkmal wird Auguste Grimm (1832-1919) geehrt, eine Tochter von Wilhelm Grimm. Sie wurde 1919 in einer Urne im Grab ihres Vaters beigesetzt, doch erinnerte bisher keine Inschrift, kein Stein an sie. Dabei hatte sie sich große Verdienste um das Erbe ihres Vaters Wilhelm und ihres Onkels Jacob Grimm erworden. Zugleich ehrt der Stein Augustes Mutter Henriette sowie Gisela Grimm, die Frau von Hermann Grimm, und ein weitere Verwandte namens Albertine Plock. Die Aufstellung des Grabsteins 97 Jahre nach dem Tod von Auguste Grimm holt verdienstvolle Frauen aus der Familie Grimm ins öffentliche Bewusstsein, die bisher viel zu wenig beachtet wurden.

Mit ihrem Testament vererbten sich Jacob und Wilhelm Grimm ihr Erbe gegenseitig. Nach ihrem Tod 1859 und 1863 und bald dem Tod der Witwe von Wilhelm Grimm fiel der Nachlass an dessen Kinder an Herman, Rudolf und Auguste Grimm. Herman und Auguste Grimm ist es zu verdanken, dass die größten Teile des wissenschaftlichen Nachlasses der Brüder Grimm in die Königliche Bibliothek zu Berlin, die heutige Staatsbibliothek, gelangten. Hingegen wurde die Privatbibliothek der beiden Gelehrten der Berliner Universitätsbibliothek übergegeben. Die letzten Schreibtische der Brüder Grimm mit allen darauf befindlichen Gegenständen vermachte Herman Grimm dem Germanischen Nationalmuseum zu Nürnberg.

Wenn man über den Alten Sankt-Matthäus-Friedhof geht, lernt man Grabstätten vieler Prominenter kennen. Einige erfreuen sich als Ehrengräber der Stadt Berlin besonderer Aufmerksamkeit und Pflege. Genannt seien Carl Bolle, der als Begründer des mobilen Milchhandels mit dem Bollewagen in die Geschichte einging, ferner der Komponist und Dirigent Max Bruch, der Sprachwissenschaftler Herausgeber der "Geflügelten Worte" Georg Büchmann, der Bildhauer Friedrich Drake und sein Kollege August Kiß, der Bankier und Finanzminister David Hansemann, der Theologe Adolf von Harnack, der Schriftsteller Franz Kugler, der Architekt Alfred Messel, der Chemiker und Mineraloge Einhard Mitscherlich, der Mediziner Rudolf Virchow und viele andere Berühmtheiten.

Als Ehrengrab deklariert ist eine Gedenkstätte, in der keine Gebeine liegen. Die mit Blumen und kleinen Steinen bedeckte Stele erinnert an die am Abend des 20. Juli 1944 im so genannten Bendlerblock nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler erschossenen Verschwörer Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Ludwig Beck, Friedrich Olbricht, Albrecht Mertz von Quirnheim sowie Werner von Haeften. In aller Eile waren die Toten nach dem 20. Juli 1944 an dieser Stelle auf dem Friedhof bestattet worden. Doch befahl Reichsführer SS Heinrich Himmler sicher mit Billigung des in der Wolfsschanze am Leben gebliebenen, vor Wut rasenden Hitler die Leichen wieder auszugraben und in einem Krematorium zu verbrennen.

Indem die Asche der Erschossenen in alle Winde verstreut wurde, versuchte das NS-Regime jedwede Erinnerung an die Männer zu tilgen, die den "Aufstand des Gewissens" gewagt hatten, aber mit dem Sprengstoffanschlag in der Wolfsschanze tragischerweise gescheitert waren. Im Hof des Bendlerblocks an der Stauffenbergstraße im Bezirk Tiergarten erinnert eine Gedenkstätte an den deutschen Widerstand, dem nicht nur Stauffenberg und seine Freunde, sondern unzählige weitere Männer und Frauen im Deutschen Reich und den von der Wehrmacht besetzten Ländern angehörten. Die im ehemaligen Oberkommando des Heeres, in dem Stauffenberg und weitere Hitlergegner gearbeitet haben, berichtet die Gedenkstätte deutscher Widerstand, was sich zwischen 1933 und 1945 auf diesem Gebiet ereignet hat.

18. Juli 2016

Zurück zur Themenübersicht "Berlin und das Land Brandenburg"