Kritik an Umbauplänen für St. Hedwig
Erzbischof Koch will Innenraum der Kathedrale am Bebelplatz radikal verändern



Die Hedwigskathedrale wurde unter Friedrich dem Großen für die Berliner Katholiken
erbaut und ist dem Pantheon in Rom nachempfunden. Die lateinische Inschrift
im figurenreichen Giebelfeld nennt das Gotteshaus ein "Denkmal der Güte" des
preußischen Königs. Der Zeitungstitel zeigt das Gotteshaus vor der Zerstörung.



Gegen den Umbau des Gottesdienstraums der Hedwigskathedrale auf dem früheren
Opern- und heutigen Bebelplatz läuft die Öffentlichkeit vergeblich Sturm.



Der Weg von der Oberkirche in die als Gedenkstätte und Gebetsraum gestaltete
Unterkirche soll versperrt werden, wenn es nach Wünschen von Erzbischof Koch geht.




Das Modell zeigt den Gottesdienstraum mit kreisförmig aufgestellten Stühlen.




Die Tafel erinnert daran, dass der 1943 von den Nazis ermordete Dompropst
Bernhard Lichtenberg 1996 von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen wurde.
(Fotos: Caspar)

Was kümmern den Bischof Bitten seiner Gemeinde, was scheren ihn auch die Proteste der Öffentlichkeit gegen den geplanten Umbau der Sankt-Hedwigs-Kathedrale in der Mitte Berlins zwischen Staatsoper und Alter Bibliothek. Erzbischof Heiner Koch, seit 2015 im Amt, hat sich für den etwa 60 Millionen Euro teuren Umbau des Gotteshauses aus der Zeit König Friedrichs II., des Großen, und einiger angrenzender Baulichkeiten entschlossen und lässt sich nicht erweichen. Er habe viel nachgedacht und hunderte Briefe, Mails und öffentliche Äußerungen in seine Überlegungen einbezogen, sagt er. Ungeachtet der zumeist kritischen Stimmungen zu dem geplanten Umbau des Gottesdienstraums sei er überzeugt, dass die Schließung einer aus der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichteten Öffnung des Gottesdienstraums ins Untergeschoss eine richtige Entscheidung war und ist. Wenn diese Einsenkung beseitigt sein wird und der Altar in der Mitte steht, könne man die Liturgie besser als bisher feiern. "Nach gründlicher Überlegung und Erwägung im Gebet bin ich entschlossen, die Umgestaltung unserer Kathedrale auf der Grundlage des Entwurfs der Preisträger mit Freude und Tatkraft in Angriff zu nehmen", teilte der Erzbischof der Gemeinde mit.

Er könne verstehen, sagte Erzbischof Koch, dass es Menschen gibt, die den jetzigen Zustand beibehalten wollen. Seine Entscheidung sei nicht als Geringschätzung des Bestehenden zu verstehen, doch die Kathedrale sei die Kirche der Bundeshauptstadt und dazu die einzige Kathedrale in Deutschland in der Form einer Rundkirche. Ihm gehe es darum, dem "Raum Raum zu geben und die Liturgie weiterzuentwickeln". Der Kirchenraum werde keine Öffnung mehr nach unten haben, so wie es Siegerentwurf von Sichau & Walter Architekten mit dem Künstler Leo Zogmayer vorsieht.

Beim Wiederaufbau der Kirchenruine von 1956 bis 1963 wurde die barocke Außengestalt aus dem 18. Jahrhundert wiederhergestellt. Die Kuppel erhielt eine vereinfachte Form ohne die hohe Laterne aus der Kaiserzeit. Im Inneren schuf der Architekt Hans Schwippert eine Ober- und eine Unterkirche, die durch eine offene Stelle und eine Treppe verbunden sind. Die Unterkirche dient als Begräbniskapelle für Berliner Bischöfe, und hier wird auch des 1943 von den Nazis wegen seines Widerstandes ermordeten Dompropstes Bernhard Lichtenberg gedacht. Der Geistliche hatte den Massenmord der Nationalsozialisten an Kranken und so genannten Lebensunwerten verurteilt und war der Verbreitung von Gräuelpropaganda und des Kanzelmissbrauchs bezichtigt worden.

Gegen die Um- und Rückbaupläne wenden sich Gemeindemitglieder, Denkmalschützer, Kunsthistoriker und Architekten. Ihnen liegt der Erhalt der Kathedrale als Meisterwerk der Baukunst der fünfziger Jahre, als Manifest der Einheit der katholischen Kirche im Kalten Krieg und darüber hinaus als Manifest gesamtdeutschen Handelns. In einem Leserbrief an die Berliner Zeitung vom 17. Dezember 2016 schreibt der Kunst- und Bauhistoriker Adrian von Buttlar, der zwischen 1996 und 2009 Vorsitzender der Berliner Landesdenkmalrates war, Erzbischof Koch sei im "postfaktischen" Zeitalter angekommen, wenn er behauptet, dass St. Hedwig "nach den ursprünglichen Plänen" wiederaufgebaut werde, so, als ginge es um Friedrich den Großen. "Diese Irreführung soll darüber hinwegtäuschen, dass die Amtsträger gegen alle Argumente der Vernunft im Konkurrenzkampf auf dem Markt des Glaubens mit Spenden und Steuergeldern eine spektakuläre kirchliche Event-Location und nebenbei ein Denkmal ihrer selbst errichten wollen. Sie nehmen in Kauf, dass der Umbau zur ,zeitgemäßen Hauptstadtkathedrale' (was immer das sein soll) dieses einzigartige Zeugnis der deutsch-deutschen Geschichte und die anschauliche Gestaltung einer politisch reflektierten, auf das 2. Vatikanische Konzil vorausweisenden Theologie ausmerzt".

Obwohl das Bistum Berlin eine arme Diözese ist und eigentlich andere, dringendere Aufgaben zu bewältigen hat als den Umbau des Innenraums von St- Hedwig, sieht es nicht so aus, als würde Heiner Koch von den Plänen abrücken. Zu ihrer Realisierung stehen 40 Millionen Euro aus eigenen Mitteln zur Verfügung, der Rest soll durch private Geldgeber sowie durch Zuschüsse von Land und Bund aufgebracht werden. Entsprechende Förderanträge werden jetzt gestellt. Der Umbau wird nicht vor 2018 beginnen und soll mindestens zwei Jahre dauern. Zeitgleich wird die Sanierung des Bernhard-Lichtenberg-Hauses in Angriff genommen. Es ist Sitz des Erzbischofs und des Dompfarramtes.



18. Dezember 2016



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