Das Geheimnis des Galgenbergs
Neues Archäologie-Jahrbuch berichtet über Ausgrabungen in Berlin und Brandenburg von den ältesten Zeiten bis zum 20. Jahrhundert



Dr. Karin Wagner, Prof. Dr. Michael Meyer und Dr. Thomas Kersting
nahmen die Vorstellung des neuen Jahrbuches zum Anlass, über Ergebnisse
und Vorhaben der Archäologie in Berlin und Brandenburg zu sprechen.




Die farbige Miniatur schildert, wie auf einem Hinrichtungsplatz
Verbrechern nacheinander die Köpfe abgeschlagen werden
und wer diesem grausigen Schauspiel zuschaute.






Auf dem Gelände eines schon längst beseitigten Rathauses wurden
Silbermünzen gefunden und im Alten Stadthaus mit weiteren
Relikten aus der Berliner Geschichte der Presse gezeigt. (Fotos/Repro: Caspar)

Seit mehr als 20 Jahren veröffentlicht die Archäologische Gesellschaft in Berlin und Brandenburg e.V. in Zusammenarbeit mit dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege mit Sitz in Wünsdorf und dem Archäologischen Landesmuseum in Brandenburg an der Havel sowie dem Berliner Landesdenkmalamt das Jahrbuch "Archäologie in Berlin und Brandenburg". Der erste Band enthielt Beiträge über die Zeit von 1990 bis 1992 ab und erschien 1995. Die reich illustrierten Jahrbücher enthalten Berichte über die wichtigsten bodendenkmalpflegerischen Vorhaben und geben Ergebnisse der in beiden Bundesländern durchgeführten Ausgrabungen bekannt. Der jüngste, am 30. März 2016 im Bärensaal des Alten Stadthauses in Berlin vorgestellte Band über das Jahr 2014 enthält Beiträge zu allgemeinen Problemen der Archäologie in beiden Bundesländern. Es folgen 13 Aufsätzen zur Ur- und Frühgeschichte und 33 Artikel zum Mittelalter und zur Neuzeit, wobei auch Informationen über archäologisch interessante Fundstellen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in ehemaligen Zwangsarbeitslagern, Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs und Unterkünften der Roten Armee in der Umgebung Berlins zu finden sind. Der im Konrad Theiss Verlag erschienene Band umfasst 178 Seiten mit 187 meist farbigen Abbildungen und kostet 26,50 Euro (ISBN 978-3-8062-3304-9). Eine Karte zeigt die Grabungsorte, und eine Zeittafel hilft, die Funde und Ausgrabungen in ihren geografischen und zeitlichen Zusammenhängen zu erfassen.

Bei der Buchvorstellung würdigte Prof. Dr. Michael Meyer, der Vorsitzende der rund 600 Mitglieder umfassenden Archäologischen Gesellschaft in Berlin und Brandenburg, die Arbeit der haupt- und ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger und betonte, dass die im Land Brandenburg geplante Verwaltungsreform gravierende Folgen für die Archäologie haben können, wenn Aufgaben der Landesdenkmalpflege an die Kreise abgegeben werden, die in der Regel nicht über das dafür geeignete Fachpersonal verfügen. Dr. Karin Wagner vom Berliner Landesdenkmalamt ging auf einige in der Hauptstadt durchgeführte Ausgrabungen ein, die auch im Jahrbuch vorstellt werden. So seien auf dem Großen Jüdenhof Hinweise auf rituelle Schlachtungen von Rindern, Schafen, Ziegen und Federvieh, nicht aber von Schweinen gefunden worden. Ferner seien Reste der in der Kurfürstenzeit angelegten Festungsanlage und auch solche einer von Hugenotten bewohnten Siedlung freigelegt worden. Untersucht wurden im Umkreis der Französischen Kirche auf dem Gendarmenmarkt mehrere Gräber der in der Barockzeit aus Frankreich vertriebenen Glaubensflüchtlinge. An verschiedenen Skeletten wurden Hinweise auf Zahn- und Mangelerkrankungen und schwere körperliche Arbeit gefunden, die vor allem Frauen verrichten mussten. In die älteste Siedlungsgeschichte weisen im Zusammenhang mit der Verlängerung der Autobahn 100 entdeckte Artefakte aus der fünf- bis sechstausend Jahre zurückreichenden "Britzer Kultur".

Dr. Thomas Kersting, Dezernatsleiter Archäologische Denkmalpflege des Brandenburgischen Landesamtes, beschrieb aktuelle Forschungsthemen, so Einsichten der Archäobotanik und der Archäozoologie in den Ackerbau und die Viehzucht unserer ältesten Vorfahrten, sowie Ergebnisse der noch recht jungen Richtstättenarchäologie. Ziel ist es bei diesem Thema, eines Tages einen brandenburgischen Richtstättenatlas zu erstellen. Was sich auf solchen in der Landschaft hervorgehobenen Orten des Grauens abspielte und wie man mit den hingerichteten Verbrechern und solchen, die man dafür hielt, umging, zeigt ein interessanter Beitrag im neuen Jahrbuch über Grabungen auf dem Galgenhügel bei Bad Belzig. Wie mittelalterliche und neuzeitliche Beschreibungen und Bilder zeigen, hat man die Delinquenten geköpft, erhängt, gerädert, ertränkt, verbrannt und auf andere Weise vom Leben zum Tod befördert. Zur allgemeinen Abschreckung ließ man die Hingerichteten mitunter am Galgen hängen oder auf dem Rad angekettet liegen, bis die Leichname zerfallen waren, oder man spießte die abgeschlagenen Köpfe auf Holzpfähle. Stets sollten Vorübergehende erkennen, dass sie das gleiche Schicksal erleiden, wenn sie sich gegen die Gesetze vergehen oder wenn die Gerichte meinen, jemand habe gestohlen, einen Brand gelegt, einen Menschen getötet, ein Neugeborenes ertränkt, Münzen gefälscht oder einen Meineid geleistet haben, um ein paar Beispiele aus der langen Liste der mit der Todesstrafe belegten Delikte zu nennen. Die auf dem Galgenberg schmählich geendeten Menschen erhielten kein christliches Begräbnis. Die Archäologen fanden Gräber, in denen die oft vor ihrem Ende noch gefolterten Menschen gleich beim Galgen in Erdlöchern verscharrt wurden, sofern man sie nicht der Anatomie oder in seltenen Fällen den jeweiligen Familien übergeben hatte. Manche Individuen zeigten Spuren von Fesseln, die von den Verurteilten getragen werden mussten.

Das neue Archäologiejahrbuch macht mit Ergebnissen archäologischer Grabungen in großen und kleinen Städten und solche auf dem flachen Land bekannt, die im Vorfeld von Bauarbeiten und der Verlegung von Versorgungstrassen und Verkehrswegen notwendig wurden. Bezahlt werden sie nach dem geltenden Verursacherprinzip von den jeweiligen Auftraggebern und Bauherren, den Archäologen obliegt die Auswertung der Untersuchungen und die Präsentation charakteristischer Fundstücke in örtlichen und überregionalen Museen. Eine kleine Auswahl dessen, was in Berlin ans Tageslicht befördert wurde, konnte man im Zusammenhang mit der Buchpräsentation sehen. Unter den Schaustücken befanden sich auch einige Münzen, die in der Umgebung des Roten Rathauses in Berlin entdeckt und demnächst mit weiteren Grabungsergebnissen publiziert werden sollen. Da die im Zusammenhang mit dem U-Bahn-Bau freigelegten Reste ursprünglicher Bebauungen so bedeutsam sind für die Berliner Geschichte, sollen sie mithilfe eines archäologischen Fensters sichtbar und erlebbar gemacht werden. Wie das geschehen soll, wird Thema eines weiteren Jahrbuchs und von Ausstellungen sein.

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