Das Kaiserreich und seine Kolonien
Sehenswerte Ausstellung bis Mai 2017 im Deutschen Historischen Museum Berlin



Erschreckende Bilder und Dokumente über die Ausbeutung und Unterdrückung
der Kolonien, aber auch manche Beispiele "schwarzer" Kunstwerke und jede Menge
Mitbringsel aus Übersee werden im Berliner Pei-Bau präsentiert.



Wie die aufständischen Herero und Nama von deutschen Kolonialtruppen im ersten Genozid
des 20. Jahrhunderts niedergemacht wurden, zeigt diese zeitgenössische Illustration.



Die in Deutsch Südwestafrika kämpfenden Kolonialtruppen konnten sich diese Medaille mit
einer wehrhaften Germania sowie Waffen unter der Reichskrone an die Brust heften.




Der Tropenhelm und die rote Kappe mit dem Reichsadler sowie der Hut mit breiter
Krempe gehörten zur Ausstattung der Kolonialtruppen.




Bei Sammlern beliebt sind die mit einem Paradiesvogel geschmückten Münzen für die
deutsche Kolonie Neuguinea.




Die in der Ausstellung gezeigte Prunkvase verherrlicht Kaiser Wilhelm II., der seinem
Volk einen Platz an der Sonne versprach und ein teures Flottenbauprogramm auflegte.
Die Schiffe hielten die Verbindung zu den Kolonien und nach anderen
Gegenden der Welt. (Fotos/Repros: Caspar)

Das Deutsche Historische Museum (DHM) Unter den Linden 2 in Berlin beschäftigt sich in seiner bis zum 14. Mai 2017 laufenden Ausstellung "Deutscher Kolonialismus - Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart" zum erstenmal in dieser Form und Breite mit einem lange vergessenen und verdrängten Thema unserer neueren Vergangenheit. Vorangegangen waren kleinere Ausstellungen sowie Symposien in dem Museum mit Beteiligung von Fachleuten aus Ländern, über die vor hundert Jahren zum deutschen Kolonialbesitz gehörten.

Das 1871 gegründete Kaiserreich verfügte von 1884 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 über einen bedeutenden Kolonialbesitz in China, Afrika und in der Südsee. Es zog mit seiner Aneignung erst spät gegenüber anderen Staaten gleich, die sich wie Großbritannien, die Niederlande, Belgien, Frankreich und Spanien weitaus früher mit List und Tücke, mit Feuer und Schwert fremde Länder angeeignet hatten und ihren Wohlstand nicht zuletzt aus deren Ausbeutung bezogen. Unter Kaiser Wilhelm II. wurde ein riesiges Flottenbauprogramm aufgelegt. Der Monarch war davon überzeugt, dass Deutschlands Zukunft "auf dem Wasser" liegt, und so wurden mit immensen Summen eine bedeutende Kriegs- und Handelsflotte gebaut, von der ein großer Teil im Ersten Weltkrieg aufgrund des Versailler Friedensvertrags von den Gegnerstaaten requiriert beziehungsweise verschrottet wurde. Der 1919 abgeschlossene Vertrag verbot dem unterlegenen Deutschen Reich den Besitz von Kolonien, für die eigene Münzen und Geldscheine hergestellt worden waren.

Die Ausstellung im Erdegeschoss des Pei-Baus neben dem barocken Zeughaus legt die koloniale, von germanischem Rassen- und Herrenmenschendenken geprägte Kolonialideologie dar und zeigt, wie die vielfältigen Herrschaftsbeziehungen zwischen den Kolonialverwaltungen und den lokalen Autoritäten ausgesehen haben. Öffentliche Auspeitschungen, Todesstrafen und Terroraktionen waren tägliche Herrschaftspraxis und dienten der Disziplinierung der "Eingeborenen". Wer sich beim Kampf gegen "Rebellen" hervor tat, erhielt Orden und andere Auszeichnungen. Wie es dabei zuging, wurde in den damaligen Medien breit diskutiert, und es kam auch zu Protestaktionen gegen das weiße Kolonialregime, das zwar christliche Werte verkündete, sie aber nicht praktizierte. Liebesbeziehungen zwischen den weißen Kolonialherren und der indigenen Bevölkerung waren verboten, ließen sich aber nicht vermeiden, ist in der Ausstellung zu erfahren, und es wird auch gezeigt, wie Kolonialwaren aller Art und koloniale Themen im Alltag der Deutschen präsent waren und ihr Denken beeinflussten.

Die sehenswerte Schau dokumentiert, wie tagtäglich Gewalt, aber auch Lug und Betrug den Alltag in den Kolonien geprägt haben und wie kaiserliche Kolonialtruppen erst in China und dann in Namibia, von Wilhelm II. und seinen Militärs angefeuert und mit Orden ausgezeichnet, mit Waffengewalt gegen die ansässige Bevölkerung vorgingen. Im Krieg von 1904 bis 1908 hatten Kolonialtruppen im damaligen Deutsch-Südwestafrika mindestens 85.000 Angehörige der aufständischen Herero und Nama ermordet. Die Anführer der Mördertruppen gerierten sich als Helden, die das Abendland in Afrika verteidigen. Dieser erste Genozid des 20. Jahrhunderts spielt in der Ausstellung ebenso eine Rolle wie Versuche, aus den Kolonien Profit in Form von Bodenschätzen, Baumwolle und andern Produkten zu schlagen.

Die Ausstellung dokumentiert das Ende der deutschen Kolonialherrschaft im Ersten Weltkrieg und wie während der Weimarer Republik und in der Nazizeit koloniale Träume weiter gepflegt wurden. Sie beleuchtet die Motive von deutschen Missionaren, Beamten, Militärs, Siedlern und Kaufleuten ebenso wie die Hoffnungen und Leiden der von ihnen beherrschten Bevölkerung. Es wird der Frage nachgegangen, welche Rolle die deutsche Kolonialherrschaft in der historischen Überlieferung der jeweiligen Länder spielte und spielt und wie der Kolonialismus im Bewusstsein der Deutschen zwischen dem Ende des Kaiserreiches (1918) und dem der Naziherrschaft (1945) lebendig ist und wie er heute gesehen und aufgearbeitet wird. Dazu bietet das Rahmenprogramm der Ausstellung mit Vorträgen und Filmvorführungen weitere Informationen. Die Dokumentation schöpft aus den Beständen des DHM, das nach der Wiedervereinigung 1990 aus dem Museum für Deutsche Geschichte der DDR hervorgegangen ist, sowie aus anderen Sammlungen und Archiven.

Neben Texten in deutscher und englischer Sprache bietet die Ausstellungen ihre Informationen auch in Blindenschrift sowie in Leichter Sprache sowie als Gebärdenvideos auf Monitoren an. Geöffnet ist das Deutsche Historisches Museum Unter den Linden 2 in 10117 Berlin täglich von 10 bis 18 Uhr (außer am 24. Dezember), der Eintritt ist bis 18 Jahre frei und kostet sonst 8, ermäßigt 4 Euro. Das Begleitbuch aus dem Theiss Verlag - WBG zur Ausstellung mit Aufsätzen und Beschreibungen der Exponate kostet 29,95 Euro (ISBN 978-3-8062-3369-8).

15. Oktober 2016

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