Kolonnade statt Wippe?
In die Pläne für das Einheitsdenkmal auf der Berliner Schlossfreiheit kommt wieder Bewegung



Wie die Fläche auf dem Sockel des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals
gefüllt wird, ist nach wie vor unklar.



Die Zeichnung zeigt Wilhelm II. im Jahr 1897 bei der feierlichen Weihe des
Denkmals seines Großvaters Wilhelm I. Im Hintergrund ist die geschwungene
Säulenreihe zu sehen. Die Forderung des Enkels, man möge seinen Vorvorgänger
wie Friedrich den Großen Wilhelm den Großen nennen, setzte sich nicht durch.



Als 1950 das Berliner Schloss auf Befehl des SED-Chefs Walter Ulbricht gesprengt
wurde, hat man auch das Kaiserdenkmal und die flankierenden Säulenbauten beseitigt.




Die mächtigen Löwenfiguren konnten in den Berliner Tierpark gerettet werden.
Weitere dort aufgestellte Menschen- und Tierfiguren sollen aus der
Bronze vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal bestehen. (Fotos/Repros: Caspar)

Längere Zeit war es still um das auf der Berliner Schlossfreiheit geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal. Jetzt wurden Pläne bekannt, nach denen statt der schon lange projektierten "Einheitswippe" die historischen Kolonnaden rekonstruiert werden sollen, die das 1897 durch Wilhelm II. eingeweihte Nationaldenkmal für seinen Großvater Kaiser Wilhelm I. umgeben haben. Die Idee ist absurd, denn von der nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissenen Säulenhalle existiert nichts mehr. Ebenfalls ist alles vom bronzenen Reiterdenkmal des greisen Kaisers Wilhelm I. und seinen flankierenden Figuren bis auf vier mächtige Löwen im Berliner Tierpark und einem Adler im Märkischen Museum dem damaligen Bildersturm geopfert worden.

Nach Medienberichten hat eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten der CDU und SPD einen Antrag an den Haushaltsausschuss gestellt, 18,5 Millionen Euro zu bewilligen, um die schon so lange aus dem Stadtbild verschwundene Kolonnade auf dem erhalten gebliebenen Sockel des ehemaligen Nationaldenkmals wieder aufzubauen. Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), der sich mit einer ganzen Autorität für die Einheitswippe nach Plänen von Johannes Milla einsetzt, ist empört. "Damit zeigt der Haushaltsausschuss seine abgrundtiefe Verachtung für den Beitrag der Ostdeutschen zur Freiheits- und Demokratie-Geschichte unseres Landes", sagt er. Statt der friedlichen Revolution in der DDR 1989/90 zu gedenken, würden die Abgeordneten "des Kaisers Kolonnaden zurück". Dabei habe niemand deren Bau gefordert, weder der Bauausschuss des Bundestags noch der Kulturausschuss, und auch nicht der Berliner Senat und schon gar nicht die Öffentlichkeit.

Wolfgang Thierse glaubt zu wissen, dass ein paar Leute das Freiheits- und Einheitsdenkmal mit allen Mitteln verhindern wollen. Mehrkosten von knapp vier Millionen Euro hatten im April 2016 die Haushälter veranlasst, das Einheitsdenkmal zu stoppen. Jetzt würden sie 18 Millionen Euro für Kolonnaden rund um die geräumte Plattform aus geben, das viel Geld für einen absurden Vorschlag.

In einem Beschluss des Deutschen Bundestags aus dem Jahr 2008 heißt es, das Denkmal für Freiheit und Einheit "soll als nationales Symbol in der Mitte der deutschen Hauptstadt seinen Platz finden. Aussagekraft und Wirkung sollen sich über die Gestaltung entfalten. Auf andere Orte wie vor allem auf Leipzig, das eine herausragende Rolle bei der friedlichen Revolution spielte, soll Bezug genommen werden. Das Denkmal kann nicht die vertiefende Beschäftigung mit den vielfältigen Fragestellungen ersetzen, die sich aus der Diskussion um Freiheit und Einheit in Europa ergeben. Hierfür ist ein Verweis auf bereits vorhandene und vor allem museale Einrichtungen, Forschungsinstitute und Erinnerungsorte sinnvoll. Das Denkmal kann im engen Umfeld ergänzt werden durch einen räumlich klein dimensionierten Informationsort. Dort kann z. B. der Einsatz von Medienstationen mit Redeausschnitten zur vertiefenden Beschäftigung mit dem Thema anregen. Signifikante Redeausschnitte und Bilddokumente aus dem 19. und 20. Jahrhundert können dabei den Willen zu Freiheit und Einheit in Deutschland in besonderer Weise zum Ausdruck bringen." Sollte die kaiserzeitliche Kolonnade rekonstruiert werden, könnte sie kaum diesen Anforderungen gerecht werden.

Der heftig diskutierte Entwurf für das Freiheits- und Einheitsdenkmal "Bürger in Bewegung" besteht aus einer Schale in den Maßen 51 mal 22 Meter. Versehen mit dem Ruf "Wir sind das Volk - Wir sind ein Volk" ist es begehbar und will zur Diskussion über Freiheit, Demokratie, Frieden und gesellschaftliche Widersprüche in einem öffentlichen Raum voller historischer Bezüge und umgeben von Kulturbauten von Weltrang einladen. Allerdings war die sich sanft unter dem Gewicht der Besucher bewegende Schale nicht jedermanns Sache, und es wird auch ihr Standort gegenüber dem im Bau befindlichen Humboldt Forum in Zweifel gezogen.

Jetzt mehren sich Stimmen, das Brandenburger Tor, das seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert "das" Schicksalstor der Deutschen war und ist und wenige Tage nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 wieder durchlässig wurde, durch geeignete künstlerische Mittel als Einheits- und Freiheitsdenkmal besser als bisher kenntlich zu machen und seine kommerzielle Nutzung für alle möglichen Events zurückzufahren. Jene für die Kolonnaden auf der Schlossfreiheit bereit gestellten 18,5 Millionen Euro wären für andere Projekte im Zusammenhang mit dem Gedenken an die Überwindung der SED-Diktatur besser angelegt.

6. Dezember 2016



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