Baumschmuck mit Strafgeldern finanziert
Prachtstraße Unter den Linden geht auf einen Plan des Großen Kurfürsten zurück / Ausbau im 19. Jahrhundert zur Via triumphalis



Blick vom Berliner Dom auf die Straße Unter den Linden, im Vordergrund ist
das als Deutsches Historisches Museum genutzte Zeughaus zu erkennen.




Von den Schlossbauplänen Friedrichs des Großen wurde nur das
Prinz-Heinrich-Palais verwirklicht, in das Berliner Universität einzog.



In Bronze gegossen und den Blick nach Osten gereichtet, reitet Friedrich
der Große Unter den Linden. Den Sockel des Denkmals bevölkern Generale
und Offiziere sowie Vertreter des Kunst- und Geisteslebens.




Nach alten Bauplänen und Fotografien wurde das im Zweiten Weltkrieg
zerstörte Kommandantenhaus vor einigen Jahren neu errichtet.
(Fotos: Caspar)

Bescheiden waren die Anfänge der Prachtstraße Unter den Linden, und dünn die Bäume, die hier auf Befehl des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg gepflanzt wurden. Zunächst wurde der sandige Reitweg von der Hundebrücke, der heutigen Schlossbrücke, zum Tiergarten mit jeweils tausend Nuss- und Lindenbäumen bepflanzt. Damit setzte der Landesherr ein Zeichen, und schon bald begannen der Ausbau Berlins und Cöllns als Festung und zu einer prächtigen Residenzstadt. Noch während Not und Krankheit das vom Dreißigjährigen Krieg besonders hart getroffene Land heimsuchten, ließ der Herrscher "allerhand außlendische frömbde Bäume und raritaeten von gewechße" kommen. Exotische Blumen und Obstsorten sowie duftende Kräuter für die kurfürstliche Tafel und Küche wurden im Schlossgarten angepflanzt. Außerdem ließ der Kurfürst den Lustgarten zu Füßen des Renaissanceschlosses - der Ausbau zu einem barocken Palast nach Plänen von Andreas Schlüter und anderen Architekten stand noch bevor - mit kostbaren Figuren und Springbrunnen ausstatten. Erstmals wuchsen hier auch "Tartuffeln", also Kartoffeln, die vor allem als Volksnahrungsmittel Karriere machten.

Seit Frühjahr 1647 zogen Gärtner los, um die Baumreihen auszumessen und Gruben für die Linden auszuheben. Doch den Verlauf der Allee festzulegen, war schneller getan als die Bäume zu beschaffen. Denn so viel geeignetes Gewächs von gleicher Größe und Güte stand nicht zur Verfügung. Kurfürstliche Räte schlugen ihrem Herrn vor, die Pflanzung in den Herbst zu verlegen. Die Bäume könnten jetzt im Frühjahr sowieso nicht anwachsen, und es sei zu befürchten, dass sie vertrocknen. Friedrich Wilhelm zeigte sich einsichtig und befahl den Gärtnern, die Gruben "mit guter Erde" aufzufüllen, "welches dann bey der Einsezung den Bäumen wohl zu Statten kommen und die Bewürzel- und Wachsung umb so viel beßer befördern wirdt".

Die nicht geringen Kosten wurden auf ziemlich dubiose Weise bestritten. Denn der Kurfürst bestimmte, dass "Straffgelder" verwendet werden sollten, also Gebühren, die Missetäter entrichten mussten. Diese Art der Geldbeschaffung hatte jedoch Tücken, denn sie hing davon ab, ob und wie viele Taler die Gerichte eintrieben, und sie verlockte zur Rechtsbeugung, weil die Gefahr bestand, dass jemand nur mit Blick auf Realisierung des landesherrlichen Verschönerungsplans zu einer Geldstrafe verdonnert wird. Unter solchen Umständen konnten die Gärtner natürlich nicht planmäßig arbeiten, und so dauerte es Jahre, bis die Allee komplett bepflanzt war.

Mit der Anlage der "Linden" hatte der Große Kurfürst ein Zeichen gesetzt - die Errichtung der "Newen Stadt", an deren Beginn das Zeughaus als kurfürstliches und königliches Waffenarsenal errichtet wurde. Der barocke Prachtbau beherbergt das Deutsche Historische Museum und war in der Kaiserzeit eine preußisch-deutsche Ruhmeshalle. Schon bald folgten weitere barocke Prunkbauten sowie nach Vertretern des Herrscherhauses benannte Stadtviertel. Friedrich der Große hatte den Plan, Unter den Linden ein neues Königsschloss und weitere Bauten des Hofes zu errichten. Realisiert wurden allerdings nur die heutige Staatsoper, das Prinz-Heinrich-Palais (Humboldt-Universität), die Hedwigskirche und die Königliche Bibliothek, beide am Opern- und heutigen Bebelplatz gelegen.

Heinrich Heines Beobachtungen

Die zum Tiergarten damals verlaufenden Baumreihen waren anfangs knapp einen Kilometer lang und führten zunächst von Hundebrücke, der heutigen Schlossbrücke, bis etwa zur heutigen Schadowstraße. Unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. wurden die Baumreihen bis an das Viereck vor dem Brandenburger Tor, damals Quarree und heute Pariser Platz genannt, verlängert. Stiche aus dem 18. Jahrhundert zeigen einen reichhaltigen Baumbewuchs und regen Publikumsverkehr auf Berlins prächtigster Straße, die schnurstracks auf das Brandenburger Tor zuläuft. Wer in Berlin Rang und Namen hatte und wer zu den Reichen und Schönen gehörte, wohnte Unter den Linden oder ließ sich zumindest dort sehen. Heinrich Heine, der von 1821 bis 1823 in Berlin studierte, an der 1810 gegründeten Universität Vorlesungen von Hegel und anderen hörte und ein gern gesehener Gast in Berliner Salons war, hat treffende, auch heute noch zitierbare Worte über das rege Treiben auf der Straße mit den schönen Baumreihen in der Mitte hinterlassen.

Im 19. Jahrhundert haben die preußischen Könige den Prachtboulevard mit einer Serie von Standbildern besetzt. Das von Christian Daniel Rauch geschaffene und 1851 Unter den Linden eingeweihte Reiterdenkmal Friedrichs des Großen ganz aus Bronze sticht besonders ins Auge. Der Monarch blickt auf die Marmormonumente der Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt und weitere Gelehr-tenstandbilder vor der nach ihnen benannten Universität. Schinkels Neuer Wache gegenüber stehen die Marmordenkmäler der Generale der Befreiungskriege Scharnhorst und Bülow, und weiter hinten im Prinzessinnengarten halten die Feldmarschälle Blücher, Gneisenau und Yorck Wache, in Bronze gegossen und auf hohen Sockeln stehend.

In den vergangenen Jahren erhielt die Straße Unter den Linden weitgehend ihre alte Form zurück. Während der Rekonstruktion wurden die hässlichen Peitschenlampen durch kaiserzeitliche Kandelaber ausgetauscht und ein Parkplatz zwischen Universität und Staatsoper beseitigt. Außerdem sieht der Pariser Platz, den man auch Berlins gute Stube nennt, mit seinen beiden Springbrunnen und den Blumenrabatten fast so aus wie in der Kaiserzeit. Die Bauwerke, die ihn umschließen, passen sich zumindest in den Dimensionen den im Zweiten Weltkrieg zerstörten und danach abgetragenen Palais, Botschaften und Hotels, über den Baustil mag man streiten. Dass vor dem Brandenburger Tor in "Mauerzeiten" ein schwer bewachtes Niemandsland und auch für Normalsterbliche kein Durchkom-men war, muss man sich beim Besuch dieses geschichtsträchtigen Ortes hinzu denken. Aktuell finden auf Abschnitten der Straße umfangreiche Bauarbeiten wegen der Anlage der U-Bahn 55 statt, die vom Hauptbahnhof am Roten Rathaus vorbei bis zum Alexanderplatz führt.

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