Martin Luther bald wieder am alten Ort
Bronzemonument aus dem späten 19. Jahrhundert wird zum Reformationsjubiläum 2017 neben der Berliner Marienkirche aufgestellt



Das 1989 neben der Marienkirche aufgestellte Lutherdenkmal kommt im Laufe
des kommenden Jahres zurück auf den Neuen Markt, allerdings ohne die
im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzenen Assistenzfiguren.



Die historische Aufnahme des bekannten Berliner Fotografen Max Missmann zeigt,
wo das Monument mit seinen Assistenzfiguren bis zum Abbau im Zweiten Weltkrieg stand.







Die Umgestaltung des Areals an der Marienkirche geht in die letzte Runde.
Auf der Fläche neben dem Gotteshaus wird die Lutherfigur samt
erklärenden Tafeln neu aufgestellt. (Fotos/Repro: Caspar)

Die Umgestaltung des Umfeldes der Berliner Marienkirche findet nach über 30jähriger Bauzeit langsam ihren Abschluss. Nach Planungen der Landschaftsarchitekten Levin Monsigny wurde das Areal großzügig und barrierefrei neu gestaltet. Dorthin kehrt das aus dem 19. Jahrhundert stammende Lutherdenkmal wieder zurück. Da der Siegerentwurf für einen 2016 durchgeführten Wettbewerb zur Neugestaltung der Fläche noch überarbeitet werden muss und das Bronzestandbild nicht für unbestimmte Zeit eingelagert werden soll, wird es anlässlich des feierlichen Gottesdienstes in der Marienkirche zum fünfhundertjähriigen Reformationsjubiläum am 31. Oktober 2017 wieder würdiger, allerdings provisorischer Form präsentiert.

Zugewinn für einen unwirtlichen Ort

"Bei allem, was wir hier in der Stadtmitte planen und gestalten, stellt sich uns die Frage, wie wir verlorene Orte und Ereignisse lebendig machen können, ohne sie zu rekonstruieren. Zusammen mit dem neu gestalteten Umfeld der Kirche St. Marien, dem erst vor wenigen Monaten eingeweihten Denkmal für Moses Mendelsohn und dem zunächst provisorisch aufgestellten Lutherdenkmal hat der bisher eher unwirtliche Ort an der Karl-Liebknecht-Straße nun wieder an Bedeutung und Inhalt gewonnen", sagt Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Die Rückführung des Lutherdenkmals an seinen ursprünglichen Standort enthalte einen weiteren Hinweis auf die Geschichte der Stadt. "Wir freuen uns, dass rechtzeitig zum Reformationsjahr das Umfeld der Marienkirche wunderbar erschlossen und der Rest des Lutherdenkmals am historischen Standort wieder aufgestellt wird", ergänzt Bertold Höcker, der Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Stadtmitte.

Bei den archäologischen Grabungen im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Areals an der Marienkirche wurden die Reste einer ehemaligen Bebauung freigelegt, kartiert und wieder mit Erde verfüllt. Die Konturen der alten sind im Boden durch farbige Markierungen zu erkennen. Überdies werden fünf Informationstafeln aufgestellt, die die Geschichte des Ortes erzählen. Eine weitere Tafel wird neben dem Lutherdenkmal dessen Entstehung und Schicksal sowie Aufgaben und Ergebnisse des Wettbewerbs erläutern. Das Projekt wird im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) und aus Mitteln der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt zur Umgestaltung von Stadtplätzen finanziert wurden. Die temporäre Aufstellung des Lutherdenkmals und die dauerhafte Aufstellung der nebenstehenden Informationstafel werden etwa 20 000 Euro betragen.

Asyl in Weißensee

Die Lutherfigur wurde Ende Oktober 1989, kurz vor dem Fall der Mauer, an der Marienkirche, nicht weit vom Fernsehturm entfernt, auf einem Sockel aus rotem Granit aufgestellt. Sie bildete einst den Mittelpunkt einer eindrucksvollen Denkmalsanlage auf dem Neuen Markt gleich neben dem Gotteshaus im Herzen der Stadt. Die Heimkehr der Skulptur von ihrem Verbannungsort, der Stephanusstiftung in Weißensee, rückte ein wichtiges Werk deutscher Bildhauerkunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts wieder ins öffentliche Bewusstsein. Während anderswo Martin Luther schon auf Denkmalssockeln stand, so in Wittenberg, Eisenach, Dresden, Eisleben, Hamburg, Hannover oder Worms, hatte man in der preußischen Haupt- und Residenzstadt, einem Hort des Protestantismus in Deutschland, lange gezögert, dem Reformator ebenfalls ein Erinnerungsmal zu setzen.

Nachdem im Jahre 1885 ein "Comité für die Errichtung eines Luther-Denkmals in Berlin" zusammengetreten war, bekam der Plan langsam Kontur. Preisträger eines künstlerischen Wettbewerbs war der in Rom lebende Bildhauer Paul Otto, dem wir das unter anderem das Denkmal Wilhelm von Humboldts (1886) vor der gleichnamigen Universität verdanken. Für Otto war offensichtlich das von Ernst Rietschel für die alte Reichsstadt Worms geschaffene mehrfigurige Lutherdenkmal vorbildlich, eine Anlage aus den Jahren zwischen 1858 und 1868. Nach Ottos Tod im Jahre 1893 vollendete sein Berliner Bildhauerkollege Robert Toberentz das Lutherdenkmal. Am 11. Juni 1895 wurde es mit dem damals üblichen zeremoniellen Gepränge auf dem Neuen Markt an der Kaiser-Wilhelm-Straße enthüllt, der heutigen Karl-Liebknecht-Straße.

Voll heiliger Überzeugung

Wie das Monument ursprünglich ausgesehen hat, ist heute nur noch schwer nachzuvollziehen. In einer Beschreibung von 1905 heißt es: "Zu der von einer Balustrade umgebenden Plattform steigt man auf zehn Stufen empor. Aus der Mitte der zahlreichen, in charakteristischen Stellungen den Sockel umgebenden Gestalten, die Gehilfen Dr. Martin Luthers darstellend, erhebt sich die hochragende Gestalt des kühnen Reformators. In der Linken die aufgeschlagene Bibel haltend, mit der Rechten, voll heiliger Überzeugung auf die Schrift weisend".

Nach Ottos Konzeption fanden zu Luthers Füßen treue Gehilfen Platz. Philipp Melanchthon, Luthers engster Mitstreiter in Wittenberg, und Johannes Bugenhagen, der Reformator von Pommern, standen ihm zur Seite. An der vorderen linken Ecke des Granitsockels sah man Justus Jonas und Caspar Cruciger, Luthers Gehilfen bei der Bibelübersetzung, und an der rechten Ecke Johannes Reuchlin und Georg Spalatin. Um das Werk zu krönen, nahmen zwei weitere Persönlichkeiten der Lutherzeit Aufstellung - Franz von Sickingen, der kampfentschlossen ein Schwert über das Knie gelegt hat, und Ulrich von Hutten, der als Humanist und Dichter sein Wort für die geistige Wende erhob. Diese von Robert Toberentz geschaffenen Figuren wurden von der zeitgenössischen Kritik als bemerkenswert in ihrer kraftvollen Bewegung und scharfen Charakteristik gelobt.

Ursprünglich hatte das Lutherdenkmal bescheidener ausfallen sollen. Man plante eine Sandsteinfigur, ging aber auf Bronze und Granit über, was später böse Folgen haben sollte. Denn wegen des Metalls wurde das Lutherdenkmal im Verlauf des Zweiten Weltkriegs seines vielfigurigen Schmucks beraubt, in einer Zeit, als auch bronzene Glocken und andere für die Rüstungsindustrie verwertbare Objekte eingeschmolzen wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Stadt in Trümmern lag, bot das von seinem Skulpturenschmuck entblößte Denkmal mit dem hoch in den Himmel aufragenden Reformator ein Bild des Jammers und der Hoffnung zugleich. Im Jahre 1952 kam die Figur in die Turmhalle der Marienkirche, wo ein bedeutendes mittelalterliches Wandgemälde, der Totentanz, erhalten ist. Die Bilder und Texte entstanden etwa in der Zeit, als Luther ein Kind war. Für die Turmhalle war die Lutherfigur zu wuchtig, weshalb sie zwischen 1967 bis 1989 in der Stephanusstiftung Asyl erhielt.

26. Oktober 2016



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