Kupfergraben, Unter den Linden und Brüderstraße
Was sich hinter ungewöhnlichen Straßen- und Hausnamen verbirgt und was im Lustgarten vor über 300 Jahren wuchs



Barocke Kanonen aus der Gießerei des Johann Jacobi schmücken
den Innenhof des heute als Museum genutzten Zeughauses.




Ein Deckengemälde mit Putten- und Blumenschmuck blieb im
Erdgeschoss des Galgenhauses Brüderstraße 13 erhalten.



Der Gendarmenmarkt mit Schinkels Schauspielhaus gilt als schönster
Platz Berlins, manche sagen Deutschlands und sogar Europas.




Die Straße Unter den Linden ist derzeit eine große Baustelle. Blick
von der Humboldtbox neben der Schlossbaustelle. (Fotos: Caspar)



In kurfürstlicher Zeit wurden unweit der heutigen Museumsinsel Figuren, Kanonen und Glocken von dem berühmter Bildgießer Johann Jacobi gegossen. Ihm verdanken wir unter anderem das von Andreas Schlüter vor über 300 Jahren enthüllte Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, das ursprünglich die Lange Brücke gleich beim Schloss schmückte und jetzt im Ehrenhof des Schlosses Charlottenburg steht. Einige mit reichem Wappenschmuck und Inschriften aus Jacobis Gießerei versehene Kanonen stehen im Lichthof des Zeughauses Unter den Linden und erinnern daran, dass der heutige Sitz des Deutschen Historischen Museums ursprünglich ein Waffenarsenal der preußischen Könige war. Der Name Zeughaus ist ein Hinweis darauf, dass man früher zu Kanonen und anderen schweren Waffen auch Zeug sagte, weshalb es auch den militärische Rang eines Generalfeldzeugmeisters gab. Die Bauhofstraße, die auf den Kupfergraben zugeht, erinnert daran, dass hier Bauleute tätig waren sowie Holz, Steine und andere Materialien lagerten, die man zur Errichtung der nach der Kurfürstin Dorothea benannten Dorotheenstadt und weiterer Viertel benötigte.

Auf die Arbeit der Bild- und Kanonengießer deuten die beiden Straßennamen Am Kupfergraben und Hinter dem Gießhaus. Im Kupfergraben ankerten Lastkähne, die mit Brennholz und Gussmetall beladen waren. Man brauchte nur wenige Schritte, um diese Güter zur Gießerei zu schaffen. An diese erinnert die Straße "Hinter dem Gießhaus", die Unter den Linden beginnt, am Zeughaus vorbeigeht und in die Bodestraße mündet.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) wurde der sandige Reitweg von der Hundebrücke, der heutigen Schlossbrücke, zum Tiergarten zu beiden Seiten mit jeweils tausend Nuss- und Lindenbäumen bepflanzt. Kurfürst Friedrich Wilhelm setzte damit ein deutliches Zeichen für den Start seiner Haupt- und Residenzstadt Berlin in die Moderne. Während Not und Krankheit das Land und die Residenzstadt in der Folge des bisher schrecklichsten aller Kriege noch heimsuchten, ließ der Herrscher "allerhand außlendische frömbde Bäume und raritaeten von gewechße" kommen. Exotische Blumen und Obstsorten sowie Küchenkräuter für die kurfürstliche Tafel und Küche wurden auf Initiative der aus den Niederlanden stammenden Kurfürstin Luise Henriette im Schlossgarten angepflanzt. Überdies ließ ihr Gemahl den Lustgarten zu Füßen des Renaissanceschlosses - der Ausbau zu einem barocken Palast stand noch bevor - mit kostbaren Figuren und Springbrunnen ausstatten. Erstmals wuchsen hier "Tartuffeln", also Kartoffeln, die in den folgenden Jahrzehnten als Volksnahrungsmittel, von Friedrich II., dem Großen, nachhaltig gefördert, Karriere machen sollten.

Bereits im frühen 18. Jahrhundert war das wasserreiche Berlin eine wichtige Hafen- und Werftstadt. Am Schiffbauerdamm direkt an der Spree bauten Zimmerleute Schiffe für die Handels- und Kolonialflotte der Hohenzollern sowie Luxusliner für den königlichen Hof. Ihrer Tätigkeit ist es zu verdanken, dass die vormalige Dammstraße in Schiffbauerdamm umbenannt wurde. Eine ältere Bezeichnung lautete Treckschuyten-Damm, weil die Hofgesellschaft gelegentlich von hier zu so genannten Lustfahrten auf der Spree nach Charlottenburg aufbrach und dafür Treckschiffe oder -schuten benutzte. Diese Wasserfahrzeuge fuhren nicht aus eigener Kraft, sondern mussten an langen Leinen gezogen oder getreckt beziehungsweise getreidelt werden.

Berühmt wurde der von der Weidendammer Brücke bis zur Reinhardtstraße in elegantem Schwung verlaufende Schiffbauerdamm als Namensgeber eines Theaters, das als Berliner Ensemble weltberühmt ist. Das in der Kaiserzeit von dem Architekten Heinrich Seeling errichtete Haus hieß ursprünglich Neues Theater am Schiffbauerdamm und wurde von dem großen Regisseur Max Reinhardt geleitet. 1928 wurde hier Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" uraufgeführt. Er und seine Frau Helene Weigel machten nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem nunmehrigen Berliner Ensemble eine Spielstätte von internationaler Bedeutung. Ein von Fritz Cremer und Peter Flierl geschaffenes Bronzedenkmal direkt vor dem Berliner Ensemble erinnert seit 1988 an den berühmten Dichter und Regisseur.

Bedeutende Bauwerke haben in der Vergangenheit immer weder als Namensgeber von Straßen gedient, denken wir an die Bellevueallee, die den Tiergarten durchquert, oder die Monbijoustraße sowie den Monbijoupark und die Monbijoubrücke im Bezirk Mitte, die die Spree an der Spitze der Museumsinsel überspannt. Bezieht sich die Bellevueallee auf das vom Bundespräsidenten als Amtssitz genutzte Schloss Bellevue ("Schöne Aussicht"), so existiert das königliche Lustschloss Monbijou ("Mein Schmuckstück") nicht mehr. Im Zweiten Weltkrieg bombardiert, wurde die Ruine 1959 abgetragen. Der Standort direkt gegenüber dem Bodemuseum wurde in einen Park mit einem öffentlichen Bad für Kinder darin verwandelt. Im frühen 18. Jahrhundert war das prächtig ausgestattete Schloss Monbijou Sommersitz von Sophie Dorothea, der Gemahlin des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. und Mutter Friedrichs II., des Großen, und danach königlicher Witwensitz. Im Jahre 1877 hat man in dem Gebäude das Hohenzollernmuseum eingerichtet, in dem die auf dem preußischen Königs- und dem deutschen Kaiserthron sitzende Dynastie monarchische Selbstdarstellung betrieb.

In der Mohrenstraße unweit des Gendarmenmarkts hat das Bundesjustizministerium seinen Sitz. Der Straßenname bezieht sich auf Afrikaner, die im frühen 18. Jahrhundert in der preußischen Armee als Militärmusiker dienten. Nach einer anderen Version soll hier ein "Mohr" gewohnt haben, der vor 300 Jahren in Diensten des mit dem Kurfürsten von Brandenburg verwandten Markgrafen von Schwedt stand und von diesem Mittel für einen Hausbau geschenkt bekam.

Die Brüderstraße verlief ursprünglich vom Petriplatz bis zum Schlossplatz, ist heute aber nur noch halb so lang, denn in DDR-Zeiten wurde an ihrem Ende das Staatsratsgebäude wie ein mächtiger Riegel errichtet. Die Straße erinnert an die Mönche des Dominikanerklosters, das hier vor langer Zeit stand und Grablege brandenburgischer Kurfürsten und anderer hochgestellter Personen war, wie Ausgrabungen ergeben haben. Prominenter Bewohner des Hauses Brüder-straße 13 war der Schriftsteller, Verleger, Buchhändler und Aufklärer Friedrich Nicolai. Er führte einen literarischen Salon und war bestens mit dem Philosophen Moses Mendelssohn, dem Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing und vielen anderen Geistesgrößen seiner Zeit bekannt. Nicolai war ein humanistisch gebildeter Mann von enzyklopädischem Wissen. Da der unermüdlich schreibende und publizierende Aufklärer mit "modernen" Tendenzen des Sturms und Drangs und solchen der Romantik wenig anfangen konnte, legte er sich mit Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller und anderen Zeitgenossen an. Indem er sie mit beißendem Spott übergoss, musste er jene Giftpfeile ertragen, die seine Kontrahenten auf ihn abschossen.

Das Nicolaihaus und das benachbarte Galgenhaus Brüderstraße 10 stellen in der Berliner Innenstadt, die im Zweiten Weltkrieg so unendlich viele Verluste bei ihrer historischen Bausubstanz hinnehmen musste, architektur- und kulturgeschichtliche Kostbarkeiten ersten Ranges dar. Bis Ende 1990 waren in beiden Gebäuden das Institut für Denkmalpflege der DDR und weitere Einrichtungen untergebracht. Die anschließende Verwendung für Ausstellungen etwa über die Berliner Theater- und Literaturgeschichte eröffnete den weitgehend im Originalzustand erhaltenen Häusern neue Perspektiven. Doch da sie etwas abseits der Touristenpfade gelegen sind, ließ der Zuspruch durch Besucher zu wünschen übrig. Nachdem die Stiftung Stadtmuseum aus dem Nicolaihaus ausgezogen war, stand es einige Jahre leer. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat das Bürgerhaus mit Seiten- und Hinterflügeln rund um einen malerischen Hof in den vergangenen Jahren umfassend saniert und restauriert. Im Februar 2016 eröffnet, strahlt der erstklassige Gedenk- und Kulturstandort positiv auf das ganze Quartier und darüber hinaus aus. Im Erdgeschoss des Galgenhauses Brüderstraße 10 blieben ein Deckengemälde mit Putten und Blumen und eine elegant geschwungene Treppe aus der Barockzeit erhalten. Dergleichen findet man in der Berliner Innenstadt nicht noch einmal. Der Name des Galgenhauses bezieht sich auf die Hinrichtung einer Hausmagd im frühen 18. Jahrhunderts wegen angeblichen Diebstahls. Als Standort einer Galerie erblühte das Haus es in den vergangenen Jahren zu neuem Leben.

Der Gendarmenmarkt wird zu den schönsten Plätzen Deutschlands, wenn nicht gar Europas gezählt, und er ist einer mit vielen verwirrenden Namen dazu. In DDR-Zeiten hieß der Raum zwischen dem Deutschen und dem Französischen Dom Platz der Akademie wegen seiner Nähe zur Akademie der Wissenschaften. Doch schon bald nach der Wiedervereinigung 1990 erhielt er seinen seit dem späten 18. Jahrhundert gebräuchlichen Namen Gendarmenmarkt nach dem Regiment Gens d'armes zurück, das hier als königliche Leibwache stationiert war. Auf Karten des 17. und 18. Jahrhunderts findet man kaum noch bekannte Bezeichnungen wie Lindenmarkt, Mittelmarkt und Neuer Markt. Nachdem 1871 das von Reinhold Begas geschaffene Schillerdenkmal vor Karl Friedrich Schinkels Schauspielhaus aufgestellt war, kam ein weiterer Name hinzu: Schillerplatz. Diese Bezeichnung galt allerdings nur für das unmittelbare Umfeld eines Schillerdenkmals hat sich nicht eingebürgert.

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