"Die Jäste, die sind knille" -
Anwohner und Geschäftsleute wollen das Nikolaiviertel unter Denkmalschutz stellen



Im Nussbaumhaus gegenüber der Nikolaikirche wird das Andenken an Heinrich Zille, den Zeichner des Berliner "Milljöhs", gepflegt. (Foto: Caspar)

Das Berliner Nikolaiviertel gilt als ältestes Wohngebiet der Stadt. Das stimmt, und das stimmt auch nicht, weil die meisten Bauten nur etwas mehr als ein Vierteljahrhundert alt sind. Errichtet wurden sie um die Nikolaikirche herum im Vorfeld der 750-Jahrfeier Berlins 1987 im Stil hanseatischer Giebelhäuser aus vorgefertigten Betonteilen. Nur wenige Bauwerke hatten den Zweiten Weltkrieg überstanden, unter ihnen nur als Ruine die Nikolaikirche, das älteste noch erhaltene Gotteshaus der Hauptstadt, und das als Museum der Biedermeierzeit genutzte Knoblauchhaus ein paar Schritte weiter. Wer das Nikolaiviertel besucht und die Vorgeschichte nicht kennt, wird kaum wissen, dass der Brunnen zwischen Kirche und Knoblauchhaus aus DDR-Zeiten stammt und auch die Gerichtslaube sowie das Nussbaumhaus nur Kopien längst vergangener Bauten sind. Auch das Ephraimpalais, das man Berlins schönste Ecke nennt, ist ein Nachbau, der unter Verwendung historischer Bauteile und Figuren am heutigen Standort errichtet und 1987 als Dependance des Märkischen Museums eröffnet wurde.

Dass das Nikolaiviertel, die Mischung von Alt und Neu und Ziel unzähliger Touristen, nicht schon längt als Flächendenkmal unter Schutz gestellt ist, was es vor willkürlicher Veränderung bewahrt, verwundert. Der Akt soll jetzt vollzogen werde, Anträge und Unterschriftenaktionen laufen schon. Dass sich unzufriedene Bürger mit diesem Wunsch zu Wort melden, hat mit Plänen der zuständigen Wohnungsbaugesellschaft Mitte zu tun, die aus den 1980-er Jahren stammenden Arkaden zuzubauen und dadurch Fläche für Ladenbesitzer und Gaststättenbetreiber dahinter zu gewinnen. Dazu sagt der Architekt Günter Stahn, der vor über 35 Jahren einen städtebaulichen Wettbewerb zum Wiederaufbau des Viertels rings um die 1230 errichtete Nikolaikirche gewonnen hatte, die Arkaden sollten unverändert als ein Werk der modernen Architektur erhalten bleiben. Er weigere sich, jeglichem Umbau der Arkaden entlang der Rathaus-, Post- und Propststraße zu Innenräumen mit großen Fenstern zuzustimmen.

Das Bezirksparlament Mitte hat jetzt beschlossen, das Nikolaiviertel von der Oberen Denkmalschutzbehörde als Flächendenkmal eintragen zu lassen. Die Initiative wird von Bewohnern, Besuchern und Geschäftsleuten begrüßt, findet aber auch Widerspruch mit dem Hinweis, es handle sich um gebaute Ödnis, die den Denkmalstatus nicht verdiene. Um dem Antrag Nachdruck zu verleihen, sammelt der Verein Nikolaiviertel Unterschriften für den Erhalt der typischen Arkaden. Jetzt wird sich zeigen, ob sich die Denkmalbehörde gegen die Umbaupläne der Wohnungsbaugesellschaft durchsetzt. Wer das kleine Nussbaumhaus im Schatten der Nikolaiviertels besucht, mag sich an Heinrich Zille erinnern. "Im Nussbaum links vom Molkenmarcht, / Da hab' ick manche Nacht verschnarcht, / Da malt der Vater Zille! / Die Jäste, die sind knille!", sang in den zwanziger Jahren die Kabarettistin und Chansonsängerin Claire Waldorff. Das Altberliner Wirtshaus auf der Fischerinsel musste DDR-Hochhäusern weichen. Es hat im Nikolaiviertel eine originalgetreue Zweitauflage erhalten, in der es sich gemütlich tafeln und bechern lässt.

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