Weltwunder im Wartestand
Umbau des Pergamonmuseums wird teurer als geplant und dauert auch länger





Der Umbau des Pergamonmuseums zieht sich länger hin als geplant und wird
auch teurer. Mit dem vierten Flügel vorn am Kupfergraben soll der Rundgang
geschlossen werden. Der Innenhof ist für Besucher gesperrt. Rechts im
Bild oben erkennt man den Neubau der James Simon Galerie.




Als die Platten aus Pergamon erstmals im Alten Museum auf der Museumsinsel
gezeigt wurden, erregten sie großes Aufsehen.




Da der Raum mit dem Götter- und Gigantenrelief aus Pergamon saniert und
restauriert wird, können Besucher ihn bis auf weiteres nicht betreten.




Zu sehen ist diese antike Rarität aus Bronze mit der Darstellung des
Pergamonaltars in der Ausstellung des Berliner Münzkabinetts im
Bode Museum auf der Museumsinsel. (Fotos/Repro: Caspar)

Die Berliner und nicht nur sie kennen es nicht anders: Welches Bauprojekt von einiger Bedeutung man auch nimmt, die Ausführung dauert länger und wird teurer als geplant. Mal ist es der schwankende Untergrund, der massiv stabilisiert werden muss, mal sind es versteckte Bau- und Materialschäden, mal sind es Firmen, die in Insolvenz gehen, weshalb neue Ausschreibungen und Umplanungen nötig sind. Meistens fallen alle Misshelligkeiten zusammen. Als Beispiel für diese traurige Erfahrung muss man den Flughafen Berlin-Brandenburg draußen in Schönefeld, die Staatsoper und die Staatsbibliothek Unter den Linden sowie die James Simon Galerie auf der Museumsinsel und jetzt auch das benachbarte Pergamonmuseum nennen.

Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hat wegen der Kostenexplosion beim Pergamonmuseum das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung kritisiert. Die Stiftung sei "gelinde gesagt schockiert" gewesen, als sie von dem für das Baugeschehen verantwortlichen Bundesamt und dem Bundesbauministerium über die enormen Kostensteigerungen und Bauverzögerungen informiert wurde. Man erwarte vom Bundesamt "deutlich verbesserte Vorsorgeuntersuchungen erheblich optimierte Zwischenkontrollen", um künftig ähnliche Fehlentwicklungen zu vermeiden. Die Kritik betrifft die Voraussage, dass der erste Sanierungsabschnitt des Pergamonmuseums statt 261 Millionen bis zu 477 Millionen Euro kosten wird. Statt der geplanten Wiedereröffnung 2018 wird jetzt das Jahr 2023 genannt. Interimsbau und Panorama

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist für die fünf Häuser auf der Museumsinsel verantwortlich, hinzu kommt die gerade im Bau befindliche James Simon Galerie als Entree für das Gebäudeensemble. Die aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert stammenden Häuser wurden im Zweiten Weltkrieg durch Bomben schwer getroffen und danach mit Ausnahme des Neuen Museums wieder aufgebaut, so gut es in DDR-Zeiten damals ging. Das nach der Wiedervereinigung begonnene Sanierungsprogramm mit dem Namen "Masterplan Museumsinsel" ist bis auf das Pergamonmuseum absolviert. Die Stiftung ist laut Parzinger nicht die ausführende Institution und auch nicht diejenige, die die Bauprozesse kontrolliert. Federführend ist das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Die technischen und finanziellen Schwierigkeiten bei der Sanierung des Pergamonmuseums hätten eigentlich dort bekannt sein müssen, beklagt der Stiftungspräsident. Zusammen mit der Kulturstaatsministerin Monika Grütters will er an den bisherigen Bauplänen festhalten. Danach erhält das bisher dreiflügelige Pergamonmuseum einen vierten Flügel vorn am Kupfergraben, um einen ungestörten Rundgang durch die Architekturgeschichte zu ermöglichen. Dieser Flügel dürfe nicht zu Disposition stehen.

Kenner der Szene werfen der Preußenstiftung vor, sie hätte von den Problemen beim Umbau und der Sanierung des Pergamonmuseum wissen sollen und müssen. Unter dem Eindruck massiver Kritik auch an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und weil Verzögerungen beim Umbau des Saals mit dem antiken Pergamonaltar und weiterer Räume für die Berliner Museumslandschaft unzumutbar sind, erklärte sich Parzinger bereit, auf dem ehemaligen Kasernengelände gegenüber dem Bodemuseum eine Interimausstellung mit transportablen Skulpturen aus Pergamon und Gipsabgüssen der in die Wände eingelassenen Reliefs vom Altar einzurichten. Dann könnten Berliner und Besucher der Stadt wenigstens ein Hauch von der Aura des schon in der Antike als "Weltwunder" gefeierten Altars erleben. Dieser Interimsbau war zwar schon bei der Schließung des Pergamonmuseums angekündigt worden, doch waren die Stiftung und die Staatlichen Museen bisher nicht geneigt, den Plan praktisch umzusetzen. Jetzt, da die Arbeiten im Pergamonmuseum teurer werden und sich länger hinziehen werden, wird der Ersatzbau wohl doch kommen. Gesprochen wird vom Eröffnungstermin im Frühjahr 2018. Um Besucher auf die Museumsinsel zu locken, wird auch die Wiedererrichtung des 2011 und 2012 gezeigten Pergamonpanoramas von Yadegar Asisi erwogen. Den riesigen Rundbau in den Ehrenhof des Pergamonmuseums zu stellen, ist wegen der dort laufenden Baumaßnahmen nicht mehr möglich, weshalb ein anderer Platz gefunden werden muss.

Sensation unterm Schutthügel

Welche Stadt kann von sich behaupten, in seinen Mauern ein Weltwunder der Antike zu haben? Berlin tut es, und es handelt sich um den aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert stammenden, freilich noch auf Jahre unsichtbaren Pergamonaltar auf der Museumsinsel. Kaum bekannt ist, dass die besten Stücke dieser Sensation unter Ausnutzung nicht ganz klar formulierter Vertragsbestimmungen an die Spree kamen. Als der deutsche Vermessungsingenieur Carl Humann im Auftrag der türkischen Regierung nach Bergama, in das antike Pergamon in Nordwestkleinasien kam, sah er ein Schuttfeld, das von Rasen und Buschwerk bedeckt und von Mauerzügen durchsetzt war. Traurigkeit habe ihn angesichts der kläglichen Reste dieses, wie er schrieb, "stolzen uneinnehmbaren Herrschersitzes der Attaliden" erfasst, berichtet Humann nach Berlin. Er verlegte, von Entdeckerfieber gepackt, seinen Wohnsitz nach Bergama, sorgte für den Schutz der auf der Erdoberfläche verstreuten Altertümer. Er machte die Königlichen Museen in Berlin auf die Fundstücke aufmerksam und übersandte ihnen zwei Reliefs, die "einem durchlaufenden Fries angehört haben, der einen Kampf zwischen Männern darstellte." Der Fries könne nur einem sehr bedeutenden Bauwerk angehört haben, war Humann überzeugt.

Kaum waren die ersten Stücke vom Pergamonaltar entdeckt, wurde darüber spekuliert, ob die Relikte zum Pergamonaltar gehören. Der Direktor der Skulpturensammlung, Alexander Conze, bat Humann weiter zu graben und neue Stücke nach Berlin zu schicken. Zugleich wurden auf diplomatischen Weg Fühler zur türkischen Regierung ausgestreckt, um eine reguläre Ausgrabungslizenz zu erhalten. Da die kaiserliche Regierung in Berlin gute Beziehungen zur Pforte, also zum Hof des Sultans, unterhielt und Humann dort auch kein Unbekannter war, erteilte der türkische Unterrichtsminister Munif Effendi dem deutschen Konsul in Smyrna die Erlaubnis. Das war im Jahre 1878, 14 Jahre nach Humanns erstem Besuch in Bergama.

Ganz umsonst war die Lizenz nicht zu haben. Sie wurde gegen Zahlung von drei türkischen Gold-Pfunden und Erstattung aller Unkosten für ein Jahr erteilt. Alles, was an "Antiquitäten" gefunden wurde, sollte in einem speziellen Buch fixiert und gegen fremden Zugriff gesichert werden. Sorgsam wurden die tonnenschweren Brocken von dem antiken Weltwunder verpackt und nach Berlin geschafft. Dank geschickter Auswahl der Relikte wurden vor allem die künstlerisch wertvollen Teile verschifft, während die ebenfalls aus Marmor bestehenden, weniger interessanten Architekturgliederungen, Säulen und Kleinfunde am Ort blieben. Damit war dem türkischen Ausgrabungsgesetz Genüge getan, und Humann konnte die Preziosen seiner in drei Kampagnen zwischen 1878 und 1886 veranstalteten Grabungen ungestört ausführen. Obwohl der Burgberg von Pergamon noch längst nicht erforscht ist, rechnen Fachleute nicht mehr mit archäologischen Sensationen. Sollte das eine oder andere Figurenstück dennoch ans Tageslicht kommen, weil der Burgberg immer noch nicht vollständig ausgegraben ist, bleibt es in Bergama. Eine Bronzemünze aus der römischen Kaiserzeit bildet den mit reichem Figurenschmuck und ganz oben mit einem Baldachin versehenen Pergamonaltar ab. Geprägt zwischen 193 und 211 nach Christus und versehen mit dem Doppelbildnis des Septimius Severus und der Iulia Domna, ist das Geldstück die einzige antike Darstellung, die von dem berühmten Siegesmonument überliefert ist.

Kampf der Götter und Giganten

Die von Carl Humann und weiteren Spezialisten freigelegten Funde von Pergamon gehören zu einem Siegesmonument, das der pergamenische Königs Eumenes II. (197-159 vor Christus) zur Erinnerung an seinen Kampf gegen die Galather errichten ließ. Dargestellt ist in dramatischen Szenen das Ringen der Götter und mit furchterregenden Giganten. Solche Szenen, die die Auseinandersetzungen zwischen Göttern und Menschen um die Herrschaft auf der Erde symbolisieren, waren im alten Griechenland beliebt und verbreitet. Bald wurde klar, dass die großartigen Reliefs ein eigenes Museum benötigen. Von 1901 bis 1908 hat man sie in einem bescheidenen und dann recht schnell baufällig gewordenen Haus auf der Museumsinsel aufgestellt. Nach seinem Abriss wurde von 1910 bis 1930 nach Plänen von Alfred Messel das heutige Pergamonmuseum erbaut. Hier konnten die Reliefteile in einem riesigen Saal mit steil ansteigender Treppe ihrer Bedeutung angemessen präsentiert werden.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Götter- und Gigantenfries sicherheitshalber abgebaut und eingelagert. Die Rote Armee nahm ihn als "Beutekunst" in die Sowjetunion mit. 1958 wurden die schweren Kisten der DDR übergegeben. Damals hatte man keine Zeit, den Zustand des in Einzelstücke zerlegten Bildwerkes zu prüfen und schon gar nicht zu restaurieren. Weil man das nach den Kriegsschäden notdürftig reparierte Pergamonmuseum und den Altar 1959 zum 10. Jahrestag der Gründung der DDR sehr schnell der Öffentlichkeit präsentieren wollte, wurden die Platten in grau gestrichene Betonwände eingefügt. Erst die Vereinigung der Staatlichen Museen zu Berlin West und Ost (1990) ermöglichte eine umfassende Bestandsaufnahme der Schäden sowie die Reinigung und Konservierung des empfindlichen Kunstwerks, das eindeutig zu "dem" Besuchermagneten auf der Berliner Museumsinsel ist und hoffentlich nach Ende der langwierigen und teuren Umbau- und Sanierungsarbeiten im Pergamonmuseum sein wird.

1. November 2016

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