"Reiner und einfach würdiger Styl"

Im Berliner Museum für Kommunikation kann man alte und neue Geräte und Techniken kennenlernen, um per Schrift, Wort und Bild Ländergrenzen zu überwinden



Eine Postkarte aus der Kaiserzeit verbindet das Bildnis
Heinrich von Stephans mit der Ansicht des
von ihm gegründeten Postmuseums an der Leipziger/Ecke Mauerstraße.




Mit großem Feingefühl wurde nach alten Plänen und Fotos die
Innenausstattung des Lichthofs des heutigen Museums für
Kommunikation zurück gewonnen. Die Roboter
sind vor allem bei Kindern sehr beliebt.




Zahlreiche historische Apparate zum Telefonieren und
Telegrafieren, aber auch alte Radios, Fernseher und weitere
Errungenschaften ziehen neugierige Blicke auf sich.




Wer möchte, kann das Modell einer Rohrpost zum Versenden von
Briefen zwischen zwei Stationen benutzen. (Fotos/Repro: Caspar)

Neben philatelistischen und postgeschichtlichen Kostbarkeiten werden in den Prunkräumen des Museums für Kommunikation, die sich über drei Etagen um einen Lichthof gruppieren, zur Freude der Besucher alte und neue Medien und Kommunikationstechniken vorgeführt. Schönstes Exponat ist das in alter Pracht wiedererstandene Eckgebäude selbst, dessen Bau auf eine Idee des Reichspostmeisters Heinrich von Stephan (1831-1897) zurückgeht, der damit auch die Technikbegeisterung seiner Zeit reflektierte. In dem errichteten Neorenaissance-Bau wurden um 1900 historische und aktuelle Zeugnisse der Post- und Verkehrsgeschichte einschließlich Einrichtungen von Poststationen und Telegrafiebüros, Briefkästen und natürlich Postwertzeichen, Briefe, Formulare und ähnliches einem "anständig gekleideten Publikum" gezeigt. Damit wurde das Berliner Postmuseum die erste Einrichtung dieser Art auf der Welt.

Das Museum für Kommunikation, volkstümlich auch Postmuseum genannt, gehört zu den schönsten und prunkvollsten Museumsbauten der wilhelminischen Ära in Berlin, errichtet von 1893 bis 1897 nach Plänen von Ernst Hake, wieder ins öffentliche Bewusstsein. Kaiser Wilhelm II., der sich oberster Kunstwart des Deutschen Reiches empfand und die Entwürfe zu solchen Staatsbauten beurteilen musste, meinte, der Museumsbau repräsentiere einen "reinen und einfach würdigen Styl". Im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, entging der Säulenbau zwar dem Abriss, dem zahlreiche andere Kriegsruinen im Ost- und Westteil Berlins zum Opfer fielen, wurde aber nach dem Wiederaufbau als DDR-Postmuseum genutzt. Dabei hat man das Innere weitgehend seines üppigen Zierrats beraubt, was damaligem Trend zur stilistischen "Bereinigung" historischer Bauten und vor allem der Kaiserzeit entsprach, die diesen "Kitsch" überaus liebte, wie man zur Begründung zu sagen pflegte. Seit den achtziger Jahren haben Restauratoren den historischen Zustand außen und innen nach und nach rekonstruiert. So tragen die nach einem kleinen Modell aus Kupferblech neu geschaffenen Giganten auf der Attika wieder die Erdkugel auf den Schultern und symbolisieren damit weltumspannende Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen. Im repräsentativen Lichthof wurden nach Befunden, Zeichnungen und Fotografien die alten Säulen, Gesimse, Stuckaturen und Reliefs rekonstruiert, während man auf die Wiederherstellung der Türme auf dem Dach aus Kostengründen verzichtete.

Die wegen der Lichtempfindlichkeit der Exponate stark abgedunkelte Schatzkammer im Kellergeschoss unter dem Lichthof zeigt, was Philatelisten und solche, die es werden wollen, in Wallung bringt - historische Briefe sowie Postwertzeichen wie die Blaue Mauritius oder bundesdeutsche Olympiamarken, die offiziell nie ausgegeben wurden, sowie besonders kostbares technische Gerätschaften, die bei der Übertragung von Signalen aller Art eingesetzt waren. Eine Vitrine vor dem Eingang für die Schatzkammer ehrt den kaiserlichen Generalpostmeister Heinrich von Stephan (1831-1897), den Gründer des heutigen Museums für Kommunikation. Sicherlich wären Postkarte und Paketkarte, Telefon und Telegrafie, einheitliche Posttarife, die Rohrpost und andere Errungenschaften auch ohne ihn eingeführt worden, doch war es seiner Energie und Zähigkeit zu danken, dass diese Errungenschaften schon frühzeitig in Deutschland eine Chance bekamen und bald Allgemeingut auf allen Kontinenten wurden. Bei der Regierung in Berlin, die die Bedeutung gut funktionierender Münz-, Verkehrs- und Postverhältnisse wohl zu schätzen wusste, besaß der technikbegeisterte Stephan großes Ansehen. 1870 zum Generalpostmeister des Norddeutschen Bundes ernannt, wurde der emsige Beamte schon sechs Jahre später, nach der Verschmelzung des Reichstelegrafenwesens mit der Reichspost, zum Generalpostmeister befördert, ein Titel, der schon bald in die Bezeichnung Staatssekretär des Reichspostamtes umgewandelt wurde. 1885 wurde dem er bürgerlich geborenen Stephan von Kaiser Wilhelm I. der Adelstitel verliehen.

Am 7. Januar 1831 im pommerschen Stolp geboren, hatte sich der wissbegierige, sprachbegabte Sohn eines Schneidermeisters von ganz unten hoch gearbeitet. Nach "vorzüglich" bestandener Reifeprüfung arbeitete er 1847 zunächst als Schreiber im Postbüro seiner Heimatstadt und sammelte in den folgenden Jahren in diesem Metier Erfahrungen in Marienburg, Danzig, Magdeburg, Köln, Frankfurt (Oder) und Potsdam. 1859 wechselte Stephan ins Generalpostamt nach Berlin. Obwohl er schon 1865 das "Postblatt" entwickelt hatte, dauerte es noch fünf Jahre, bis der rechteckige Karton mit aufgedrucktem Postwertzeichen zu einem halben Silbergroschen auf der Vorderseite und Raum für Mitteilungen auf der Rückseite als "Correspondenzkarte" ausgegeben wurde und schon bald ihren Siegeszug in alle Welt antrat. Noch vor der Gründung des Kaiserreiches im Jahr 1871 sorgte der Postmeister für die Ablösung der 350 Jahre alten Thurn und Taxis'schen Postverwaltung. Er war auch dabei, als über die Überwindung von Binnen- und Außengrenzen, die Vereinheitlichung von Münzen, Maßen und Gewichten, von Zöllen, Post- und Transporttarifen verhandelt wurde. Stephan forderte im Interesse der Entwicklung von Handel, Wirtschaft und Gedankenaustausch die Überwindung postalischer Schranken. "Die Taxen müssen möglichst billig, einfach, leicht anwendbar und dem Publikum verbindlich sein und im richtigen Verhältnis zur Leistung (der Post) stehen", verlangte er.

Die Vereinheitlichung des Postwesens im Norddeutschen Bund mit der Einführung der Briefgebühr von einem Silbergroschen und einheitlichen Gebühren für den Paket-, Geld- und Zeitungsverkehr war Modell für die Vereinheitlichung der Landesposten. In ländlichen Bereichen wurde das übliche Briefzustellgeld abgeschafft, statt dessen richtete Stephan Poststellen ein, die den Zustellverkehr erheblich vereinfachten. Außerdem wurde der Post die traditionelle Personenbeförderung abgenommen. Unter Stephans Federführung wurde 1873 in Berlin der Entwurf eines internationalen Postvertrags ausgearbeitet. Der Generalpostmeister nutzte dabei deutsche Erfahrungen im Postverkehr mit Österreich, Dänemark, Spanien und anderen Ländern. Wichtig war die Einführung international geltender einheitlicher Posttarife für Briefe, Drucksachen, Warenproben und Geschäftspapiere. Klarheit, Übersichtlichkeit und vor allem niedrige Preise waren in Stephans Verständnis Voraussetzungen, um Handel und Verkehr wirkungsvolle Impulse zu vermitteln. Um den Eindruck zu vermeiden, das kaiserliche Deutschland sei Vormund anderer Staaten, wurde der von Stephan vorbereitete internationale Postkongress nicht in Berlin, sondern im schweizerischen Bern veranstaltet. Am 9. Oktober 1874 konnte der "Allgemeine Postvertrag" unterzeichnet werden. 1878 gaben sich die mittlerweile 33 Mitgliedsstaaten den Namen Weltpostverein, und der Allgemeine Postvereins-Vertrag hieß von nun an "Weltpostvertrag".

Im Lichthof über dem Kellergeschoß bewegen sich Roboter über den in den kaiserlichen Reichsfarben schwarz, weiß und rot gehaltenen Fußboden, und auf den Galerien sowie in den angrenzenden Schauräumen kann man sich in Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Kommunikation vertiefen und selber mit anderen Besuchern in Verbindung treten. Von den obersten Galerien schauen überlebensgroße Figuren in den Hof, die lange verschollen waren. Die Postbedienstete aus dunkelrotem Kupferblech, unter ihnen ein Postillon, ein Telegrafist und ein Mann, der Kabel verlegt, wurden nach kleinen Vorlagen überlebensgroß modelliert. Neben Wappendarstellungen und allegorischen Figuren wurden "exotische" Köpfe im Deckenbereich wiederhergestellt. Sie symbolisieren jene Erdteile, mit denen das Deutsche Reich vor über einhundert Jahren als Kolonial- und Wirtschaftsmacht durch Bahnlinien und Kabel verbunden war. Verloren sind das Denkmal des Museumsgründers Heinrich von Stephan im Mittelpunkt des Lichthofs und die Büste seines kaiserlichen Gönners Wilhelm II. einer Galerie. Das gilt auch für die historische Deckenmalereien und das bunte Glasdach, die dem hell gestrichenen Vestibül ursprünglich eine einzigartige Färbung gegeben haben. Sonst aber wurde das Haus anhand erhaltener Reste weitgehend so wiederhergestellt, wie es zur Erbauungszeit aussah, allerdings ergänzt durch moderne Zutaten und zeitgemäße Ausstellungstechnik. Insgesamt kostete die Sanierung des Hauses 60 Millionen DM und die Einrichtung der Ausstellung 15 Millionen DM (ca. 30 bzw. 15 Millionen Euro), wobei keine öffentliche Mittel, sondern nur solche der Deutschen Post AG und der Deutschen Telekom von der Museumsstiftung Post und Telekommunikation eingesetzt wurden.

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