Antwort auf Fragen der Baugeschichte erhofft
Archäologen suchen nach Resten des mittelalterlichen Berliner Rathauses





Die Ansichten des alten Berliner Rathauses mit Turm und Gerichtslaube
stammen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts und aus dem 19. Jahrhundert,
wie man an den biedermeierlichen Kostümen der Passanten erkennen kann.



Die 2009 begonnenen Grabungen vor und neben dem Roten Rathaus gehen
langsam ihrem Ende gegeben. Archäologen vom Berliner Landesdenkmalamt haben
alle Hände mit der Auswertung zu tun. Repros/Foto: Caspar



Im Zusammenhang mit dem Bau der U-Bahnlinie 5 vom Brandenburger Tor zum Alexanderplatz wurden im Herbst 2009 archäologische Untersuchungen in der Rathausstraße begonnen. Die Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes fanden bemerkenswerte Reste uralter Bebauung und interessante Zeugnisse für die Lebensweise und die Wirtschaft im alten Berlin. Die Grabungen umfassen die westlichen Abschnitte des im 19. Jahrhundert erbauten Roten Rathauses und den Standort der ehemaligen Gerichtslaube an der Spandauer Straße. Jetzt haben sich Archäologen auf die Suche nach den Überresten des alten Berliner Rathauses begeben, das Mitte des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem monumentalen Neubau des Roten Rathauses abgerissen wurde. Er war nötig geworden, weil der aus dem Mittelalter stammende Verwaltungsbau nicht mehr den Anforderungen der Moderne entsprach.

Von der Grabung erhoffen sich die Archäologen nach Information des Landesdenkmalamtes die Klärung noch offener baugeschichtlicher Fragen, so nach dem Alter eines bereits nachgewiesenen Vorgängerbaus des gotischen Rathauses oder nach dem Alter der Gerichtslaube und des Rathausturms. Auch soll Klarheit darüber gewonnen werden, ob der Umbau des Souterrains in eine vierschiffige gotische Halle vor oder nach dem Stadtbrand von 1380 erfolgt ist. Die Baubefunde des alten Rathauses bleiben am Ort erhalten und sollen in wenigen Jahren restauriert werden. Es ist geplant, in der ehemaligen Halle eine kleine Ausstellung über die Archäologie und Geschichte des Rathauses und der Rathausstraße zu zeigen. Mit der diesjährigen Kampagne finden die archäologischen Ausgrabungen in der Rathausstraße ihren Abschluss. Erste Grabungsergebnisse sollen im Herbst 2016 der Öffentlichkeit präsentiert werden. Dann wird auch berichtet, wie die Fundstücke aus den Grabungen der vergangenen Jahre ausgestellt werden.

Im Erdreich gut zu erkennen sind Reste des historischen Rathauses, das dem heutigen Verwaltungsbau mit dem riesigen Turm vorausging. Da Löcher im Erdreich und Keller schon immer auch als Abfallgruben für Glas und Keramik, Speisereste und Schutt benutzt wurden, konnten die Spezialisten vom Landesdenkmalamt zahlreiche Relikte dieser Art freilegen. Das tun sie vorsichtig mit Pinsel und Spachtel, und was zutage tritt, wird sorgsam zeichnerisch und fotografisch dokumentiert sowie restauriert. Dass man im alten Berlin gern und viel getrunken hat, verraten zahlreiche zerborstene Flaschen und Gläser. Ihre Herkunft aus märkischen Manufakturen kann man gut an den Glasmarken erkennen.

Interesse verdient der Fund von etwa 90 Münzen aus dem 15. bis Mitte des 17. Jahrhunderts. Sie wurden an verschiedenen Stellen und in unterschiedlichen Schichten entdeckt und sind nach Aussage des Grabungsleiters Michael Hofmann ein interessanter Hinweis darauf, dass im alten Berliner Rathaus vor Jahrhunderten auch eine rege Handelstätigkeit stattgefunden hat. "Wir nehmen an, dass die Räume, in denen Kaufleute ein- und ausgingen, keinen Steinfußboden besaßen, sondern nur eine Holzdielung, in deren Ritzen die kleinen Geldstücke gefallen sind. Aufmerksamkeit verdient laut Hofmann der Fund von Stecknadeln, die auf den Handel mit Textilien und Stoffballen deuten.

9. August 2016



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