Bronzeriese schmückt den Washingtonplatz

Vom Hauptbahnhof blickt ein "Reisender" auf die Spree, das Reichstagsgebäude und das Bundeskanzleramt



Mit einem Koffer in der Hand und wehenden Haaren steht ein Reisender zwischen
Hauptbahnhof und Spree und ist auch vom Regierungsviertel gut zu erkennen.




Ob man die 35 Tonnen schwere Skulptur des "Rolling Horse" vor dem Hauptbahnhof
zum Wiehern oder zum Weinen findet, muss jeder für sich entscheiden. (Fotos: Caspar)

Die Gegend um den Berliner Hauptbahnhof mausert sich langsam. Leere Flächen werden bebaut und begrünt, und auch die Kunst hat am ehemaligen Lehrter Bahnhof Einzug gehalten. Eine auf dem Washingtonplatz südlich des Hauptbahnhofs aufgestellte überlebensgroße Bronzefigur stellt einen Mann dar, der gerade auf Reisen ist. Mit einem Koffer in der Hand, ist er sichtbar in Eile, sein Schlips fliegt aus dem Mantelkragen in die Höhe, die Haare sind zerzaust. Der Blick des 3,5 Meter hohen Riesen ist in Richtung Spree und hinüber zum Reichstagsgebäude und zum Bundeskanzleramt gerichtet. Mit der neuen Bronzestatue ging für Talani ein lange Zeit gehegter Wunsch in Erfüllung, nämlich ein weiteres Kunstwerk für Berlin zu schaffen. Vorangegangen war zum Jahrestag des Mauerfalls 2014 eine Installation, die der Künstler auf Einladung des Berliner Abgeordnetenhauses an der East Side Gallery aufgestellt hatte.

Geschaffen von dem italienischen Maler und Bildhauer Giampaolo Talani, trägt die Skulptur den Titel "Partenza", was auf deutsch so viel wie Abreise bedeutet und den Hauptbahnhof als Ort der Abfahrt und Ankunft kennzeichnet. Nachdem die Figur über zwei Jahre entworfen und modelliert worden war, übernahm eine Firma in Vicenza den Guss. Danach wurde sie nach Berlin gebracht, um auf dem Washingtonplatz zwischen den Bäumen und Sitzbänken auf einer etwas erhöhten Freifläche aufgestellt zu werden. Finanziert wurde der "Reisende" von einem Unternehmen für Kanzlei-Software und der Deutschen Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft, die auch die Bauarbeiten im Regierungsviertel koordiniert. An dem Projekt waren ferner die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die Kommission für Kunst im Stadtraum sowie das Straßen- und Grünflächenamt des Bezirks Mitte beteiligt.

Auf dem nördlich des Hauptbahnhofs gelegenen Europaplatz steht die Skulptur "Rolling Horse", eine von Jürgen Goertz geschaffene Kombination von Mensch, Pferd und Eisenbahnrad. Als das Bildwerk 2007 eingeweiht wurde, gab es einen Aufschrei des Entsetzens. Indem es der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn vor Berlins größtem Bahnhof aufstellen ließ, habe er sich ordentlich vergaloppiert, hieß es. Das Werk sei von einer nicht zu überbietenden Provinzialität, ein Schlag ins Gesicht eines jeden Kunstfreundes. Außerdem wurde dem Gestalter vorgehalten, er habe nur sein "Sprinting Horse" wiederholt, das er bereits für den Hauptbahnhof in Heidelberg geschaffen hatte, weshalb es im Grunde nichts Neues darstellt. Der Ärger hat sich gelegt, das Alu-Pferd ist ein beliebtes Fotomotiv und stellt im Übrigen ein weiteres Beispiel dafür dar, dass auch Skulpturen im öffentlichen Raum heute wie früher öffentlicher Kritik ausgesetzt sind. Die Debatte über das springende Pferd am Hauptbahnhof hatte indes ihr Gutes - sie sicherte ihm und seinem Schöpfer, aber auch dem Bahnchef einige Aufmerksamkeit.

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