König unterband unschickliches Verhältnis
Die Beziehungen zwischen Friedrich II. und seinem Bruder Heinrich waren gespannt, vielleicht weil sie ähnlicher waren als sie es mochten



Im Schloss Rheinsberg residierte Prinz Heinrich von Preußen über
ein halbes Jahrhundert. Die Preußische Schlösserstiftung hat es
in den vergangenen Jahren außen und innen mustergültig restauriert.



Überall ist Prinz Heinrich im Rheinsberger Schloss präsent,
hier durch ein Gemälde und seine Büste.






Nach 1945 als Diabetikersanatorium genutzt, überstand Heinrichs
Residenz alle Gefahren. Zum Glück konnten die Innenräume weitgehend
wiederhergestellt werden, oben die Schlafkammer der Amalienwohnung
und darunter der Muschelsaal, der gerade restauriert wird.




Die Grabpyramide unweit des Schlosses birgt hinter einer Inschriftentafel
die sterblichen Überreste des Prinzen Heinrich. (Fotos: Caspar)

So liebenswürdig Prinz Heinrich, der Schlossherr von Rheinsberg, gegenüber Günstlingen und Gästen sein konnte, so eindrucksvoll er sich auf diplomatischem Parkett bewegte, so heldenmütig er sich an den Fronten der Schlesischen Kriege bewährte, so gefühlskalt war er zu seiner eigenen Gemahlin Wilhelmine von Hessen-Kassel. Wie Friedrich II., der mit seiner Frau, der Königin Elisabeth Christine, ähnlich herzlos verfuhr und alles tat, um sie nicht sehen zu müssen, hielt sich auch Heinrich die Gattin vom Leibe, wobei die beiden äußerlich natürlich immer den Schein zu wahren verstanden. Beide Brüder waren nicht der "Frauenliebe" verfallen, wie ein Beobachter schrieb, sondern der Männerliebe. Mit anderen Worten, beide Brüder waren homosexuell, ein Faktum, das in der borussischen Geschichtsschreibung tabu war, denn einen preußischen König und einen ebensolchen Prinzen, die sich Männern zugeneigt fühlen, konnte, ja durfte es nicht geben.

Theodor Fontane, dem wir in den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" eindrucksvolle Schil-derungen des Lebens am Hof zu Rheinsberg verdanken, notierte, der Prinz habe "Gefallen" an Christian Ludwig von Kaphengst, einem Offizier seines Regiments, gefunden und ihn nach dem Friedensschluss von 1763 nach Rheinsberg mitgenommen. "Als Adjutant des Prinzen, eine Stellung, die zu der ihn seine geistigen Gaben keinesfalls befähigten, stieg er zum Capitain und bald danach zum Major auf und beherrschte nun den Hof und den Prinzen selbst, dessen Gunstbezeugungen ihn übermütig machten." Selbstverständlich erhielt der König in seiner, wie Fontane schrieb, Sanssouci-Einsamkeit von dem unschicklichen Verhältnis Kenntnis und machte ihm ein Ende. Um seinem Bruder die Tren-nung von Kaphengst zu erleichtern, ließ Friedrich II. ihm 10 000 Friedrichsd' or (50 000 Taler) überreichen mit dem Befehl, Kaphengst aus seiner Umgebung zu entfernen. Heinrich kam der Aufforderung nach, fügte aber von sich aus die gleiche Summe hinzu und kaufte seinem Favoriten das einige Kilometer von Rheinsberg entfernte Rittergut Meseberg und weitere Ländereien.

Das Geld für solche und andere Sonderausgaben verschaffte sich Heinrich unter anderem durch den Verkauf von Gemälden an die russische Kaiserin Katharina II., die Große, mit der er freundschaftliche Beziehungen pflegte. Major von Kaphengst siedelte nach Meseberg über, was den Prinzen und seinen als verschwendungssüchtig geschilderten Favoriten aber nicht entfremdete. Fontane zufolge habe das gute Einvernehmen der beiden "aus diesen zeitweiligen Trennungen nur neue Nahrung" gezogen. Erwähnt sei, dass das prächtig eingerichtete Schloss Meseberg, das in der DDR-Zeit furchtbar heruntergekommen war, in den vergangenen Jahren nach allen Regeln der Restauratorenkunst zum Gästehaus der Bundesregierung hergerichtet wurde.

Zwei Brüder, zwei Rivalen

Bei allem Lob, das man dem Prinzen schenkte, und aller Liebe, die er sich, wie auch immer, bei seinen Zeitgenossen erwarb - Heinrich wird man kaum einen glücklichen, ausgeglichenen Menschen nennen können. Es sei sein Schicksal, keine Anerkennung zu finden, gestand er seinem jüngeren Bruder und Testamentsvollstrecker Prinz Ferdinand, "wie es das Schicksal Friedrichs ist, gelobt zu werden, selbst für Dinge, die er nicht getan hat". Friedrich II. ertrug es offenbar nicht, seinen Ruhm mit anderen zu teilen, auch nicht mit Heinrich, der für ihn im Siebenjährigen Krieg so viel geleistet hatte. Für seinen jüngeren Bruder hielt sich das königliche Lob in Grenzen. Das höchste war wohl die Bemerkung, dass Heinrich im ganzen Krieg keinen einzigen Fehler gemacht hat. Damit spielte Friedrich II. wohl auf die unglückliche Rolle seines anderen Bruders und potenziellen Nachfolgers, Prinz August Wilhelm, zu Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) an, wie im vorhergehenden Kapitel dargelegt wurde. Die Erinnerung an die in seinen Augen ungerechte Behandlung August Wilhelms war für Heinrich in den folgende Jahrzehnten überaus schmerzlich, und er hat diesem Gefühl in Rheinsberg sichtbar Ausdruck gegeben, allerdings erst nach Friedrichs Tod.

Zeitgenossen loben Heinrich als einen Mann von großer Weitsicht, ja als militärisches Genie. Mit der von ihm befehligten, zahlenmäßig unterlegenen Armee stieß er in jenem Krieg bei der Verteidigung des von Preußen besetzten Kurfürstentums Sachsen tief in das feindliche Hinterland, unterbrach rückwärtige Verbindungslinien und ließ die Depots der gegen Friedrich II. angetretenen Reichsarmee sowie der Russen und Franzosen zerstören. Wenn der im Range eines Generals stehende Prinz Gelände aufgeben musste, hinterließ er verbrannte Erde. Das war üblich, denn der Feind sollte keine Vorteile gewinnen. Als 1759 Friedrich II. bei Kunersdorf eine schwere Niederlage, ja sogar Gefangenschaft drohte, eilte Heinrich herbei, sich und seinen Truppen kaum eine Pause gönnend, und kam dem bedrängten und verzweifelten Bruder zu Hilfe. Wo es möglich war, verschanzte sich der Prinz mit seinen Soldaten in befestigten Orten und hielt dort lange aus. Es gelang ihm sogar, seine Truppen besser zu verpflegen, als es dem König möglich war. Natürlich hob das die Moral der unter Heinrichs Kommando stehenden Soldaten und sein eigenes Ansehen bei der Truppe.

Späte Rache am Großen König

Jeder der miteinander rivalisierenden Brüder hatte seinen eigenen Kopf, beide waren talentierte Heerführer, doch mit dem Unterschied, dass der eine den Oberbefehl hatte und der andere parieren musste. Das führte zu großen Spannungen, und so trug sich Heinrich 1760 mit dem Gedanken, vom Kommando über die ihm unterstellten Truppen zurückzutreten. Immer wieder versuchte er, den König zur Umkehr zu bewegen, weil die militärische Lage Preußens aussichtslos war. Friedrich II. trug sich zeitweilig mit Selbstmordgedanken und dachte daran, nach dem frühen Tod des Prinzen August Wilhelm die Regentschaft an Heinrich abzutreten, solange August Wilhelms ältester Sohn Friedrich Wilhelm noch unmündig ist. Das Kriegsglück wendete sich 1762 durch den Tod der Zarin Elisabeth, worauf Russland als Gegner ausschied und Preußen spürbar entlastet wurde. Da Heinrich für eine milde Behandlung des Kurfürstentums Sachsens eintrat, das Friedrich II. abgrundtief hasste, wurde er kurzerhand seines Kommandos über die dort stationierten Besatzungstruppen entbunden. Heinrichs Gesuch, ihn gleich ganz aus der Armee zu entlassen, wurde abgelehnt, was dieser als weitere Demütigung empfand. Zwar belohnte der König ihn im und nach dem Siebenjährigen Krieg für seine militä-rischen Leistungen mit den üblichen Gratifikationen - Geld, Brillanten und Ländereien - , ernannte ihn aber nicht zum Generalfeldmarschall. Denn in diesem Rang hätte Heinrich eine stärkere Position gehabt als in der Eigenschaft eines bloßen Generals der Infanterie. Dabei lag dem Prinzen die Würde eines Feldmarschalls besonders am Herzen. Ihn dürfte geärgert haben, dass man ihn nur "Prince Henri Louis, frère du Roi" auf Porträtstichen und Medaillen titelte - Prinz Heinrich Ludwig, Bruder des Königs, mehr aber auch nicht.

Prinz Heinrich, der nach eigenem Bekunden an elf Feldzügen seines Bruders teilgenommen hatte und seinen Gipfel als Befehlshaber in der Schlacht von Freiberg gegen die Reichsarmee und österreichische Truppen (1762) erklomm, rächte sich für die Zurücksetzung durch seinen Bruder, indem er 1791, fünf Jahre nach Friedrichs Tod, im Rheinsberger Schlosspark eine Pyramide zum Gedenken an preußische Militärs errichten ließ, die wie er unter der Despotie des Großen Friedrich zu leiden gehabt hatten. Das "Denkmal, allen preußischen Helden gewidmet, die durch Tapferkeit und Kenntnisse verdient haben, dass man sich ihrer ewig erinnere", so der Beginn der ins Deutsche übersetzten langen französischen Inschrift, erwähnt zahlreiche Offizieren und hebt dabei an erster Stelle August Wilhelm mit einem Bildnis besonders hervor. Pikanterweise ist auf dem Monument der Name Friedrichs II. nicht erwähnt. Bei der Weiherede bemerkte Heinrich ironisch, dessen selbst verfasster Lebensgeschichte und den Elogen anlässlich seines Todes sei nichts mehr hinzuzufügen. Friedrich-Verehrer haben es dem Prinzen angekreidet, dass er seinen königlichen Oberbefehlshaber auf der Säule nicht erwähnte, und schalten ihn, ein undankbarer Querulant zu sein. Viele auf der 2002, zum 200. Todestag des Prinzen Heinrich, restaurierten und durch Anbringung der verlorenen Buchstaben nun wieder kompletten Gedenksäule genannten Offiziere unterstanden im Siebenjährigen Krieg Heinrichs Befehl. Indem er sie ehrte, setzte er sich noch zu Lebzeiten ein eigenes Denkmal.

Nach dem Siebenjährigen Krieg betätigte sich Heinrich, der nun General außer Dienst war, vor allem als Diplomat. In dieser Rolle besuchte er einige europäische Höfe, wo man ihn freundlich und ehrenvoll aufnahm. Hier konnte er endlich einmal zeigen, was in ihm steckt und erhielt großen Beifall. Heinrich verhandelte im Auftrag seines Königs unter anderem mit Russland und Österreich um die "Befriedung Polens". Damit war nichts anderes als die Teilung des Nachbarlandes zwischen diesen Staaten und Preußen gemeint. Die Polnischen Teilungen führten zur Vergrößerung Preußens und den Ausbau seiner Stellung im Konzert der europäischen Mächte. Skrupel drückten den sonst so feinsinnigen und sensiblen Prinzen offenbar nicht, das Nachbarland nach und nach auszulöschen. Das hat ihm Kritik eingetragen, doch ist zu bedenken, dass er nur die Befehle seines Bruders ausführte.

Wenn Prinz Heinrich nicht in seinem geliebten Rheinsberg residierte oder sich auf Reisen befand, wohnte er in seinem Palais Unter den Linden in Berlin, das 1766 fertig gestellt und prunkvoll eingeweiht wurde. Friedrich II. hatte es für seinen Bruder nach Plänen von Johann Boumann dem Älteren errichten lassen. 1810 wurde in der barocken Dreiflügelanlage die neu gegründete Friedrich-Wilhelms-Universität untergebracht, denn Heinrich war 1802 verstorben, und das Haus stand seitdem leer. Eigentlich hatte sich Friedrich II. an dieser Stelle, dem Forum Fridericianum, ein eigenes Residenzschloss bauen wollen, kam aber davon ab, weil er sich nach Potsdam orientierte.

Erlesene Kunstsammlungen

Heinrich, der von sich gesagt haben soll, dass er sich die Hälfte seines Lebens nach Paris sehnte und die andere Hälfte damit in der Erinnerung an Paris verbrachte, bewahrte sowohl in seinem Berliner Palais als auch im Rheinsberger Schloss erlesene Kunstsammlungen auf. Viele Stücke waren Staatsgeschenke, die der Prinz von befreundeten Monarchen erhalten hatte. Indem er sie zur Schau stellte, tat er auch einiges für die eigene Imagepflege, wie wir heute sagen würden. Obwohl der auf großem Fuß lebende Heinrich von Friedrich II. gelegentlich mit hohen Beträgen unterstützt wurde, weil die eigenen Einkünfte nicht ausreichten, und von ihm neben Rheinsberg auch das Palais Unter den Linden erhielt, hatte er Grund, seinem königlichen Bruder und der ganzen Hohenzollern-Sippe zu grollen, fühlte er sich doch verkannt und unter seinem Wert behandelt. Als Friedrich II. 1786 starb, versuchte "Onkel Henry" vergebens bei dessen Nachfolgern, Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III., jene Stellung einzunehmen, die ihm der Große Friedrich verweigert hatte. Beide Könige verzichteten, vielleicht auch weil sie glaubten, dass Heinrich auch ein ziemlicher Intrigant sein konnte. Zwar wurde der Prinz, der Friedrich Wilhelm II., den Nachfolger Friedrichs des Großen, vor einem Feldzug gegen das revolutionäre Frankreich gewarnt hatte, in Friedensverhandlungen mit dem Gegner einbezogen, hatte aber in der preußischen Politik nichts zu melden. Die Spitzen, die Heinrich als "Frondeur von Rheinsberg", also als eine Art Rebell, nach Berlin abfeuerte, blieben wirkungslos. Man nahm ihn nicht mehr ernst. So zog sich der Prinz nach Rheinsberg in sein freiwilliges Exil zurück, ein kleiner dünner und auch als hässlich geschilderter Mann mit großartigen Eigenschaften, der zur lebenden Legende geworden war.

Opfer von Ungerechtigkeit

Die abgebrochene Spitze der Grabpyramide unweit von Schloss Rheinsberg ist ein Sinnbild für Heinrichs Leben, das unvollkommen und unvollendet bleibt. Das noch zu Lebzeiten des Prinzen nach seinen Angaben erbaute Mausoleum war im 19. Jahrhundert bereits verfallen, was auch Theodor Fontane in den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" registrierte. Bei einer grundlegenden Instandsetzung 1884 wurde der ursprünglich geputzte Bau mit einer hart gebrannten Klinkerschicht verkleidet. Dies hat sich ungünstig auf das empfindliche Mauerwerk ausgewirkt. Mit Blick auf das Gedenkjahr 2002 wurde die Grabstätte restauriert und erhielt dabei ihre ursprüngliche Gestalt zurück. Nur in Resten ist der von dem Berliner Zinngießer Sierks geschaffene, ursprünglich reich verzierte Paradesarg erhalten. Seine Bestandteile wurden in einer Berliner Metallrestaurierungswerkstatt zusammengesetzt. Die Wände des Sargs waren stark verbeult und seiner Verzierungen beraubt, weil er schon im 19. Jahrhundert von Unbekannten aufgebrochen worden war. In aller Stille wurde der Sarg mit den sterblichen Überresten des Prinzen in der Grabpyramide neu beigesetzt. Anschließend hat man den Eingang mit jener Inschriftentafel verschlossen, mit der eine eigenartige Lebensbilanz eines Mannes gezogen wird, dessen Glück nach eigenen Worten darin bestand, "dem Vaterlande oder der leidenden Menschheit durch seine Dienste Nutzen" gebracht zu haben.

Da Prinz Heinrich kinderlos starb, fiel der größte Teil seines Grundbesitzes und auch das Palais Unter den Linden in Berlin an den preußischen Staat. Seine Witwe Wilhelmine blieb in Berlin und mied Rheinsberg. Heinrichs großartigen Sammlungen von Gemälden, Antiken und Büchern gingen testamentarisch an den jüngeren Bruder Ferdinand und dessen Sohn Louis Ferdinand, der 1806 bei Saalfeld fiel. Der Kunstbesitz wurde zwischen 1803 und 1806 öffentlich versteigert und dadurch in alle Winde verstreut. Große Teile der in Rheinsberg und Berlin nach dem Vorbild Friedrichs II. angelegten Büchersammlung, die ein Schlaglicht auf die vielseitigen Interessen des Prinzen werfen, kamen in die Königliche Bibliothek zu Berlin, die heutige Staatsbibliothek. Die Preußische Schlösserstiftung hat mit das eine oder andere Stück aus Heinrichs Kunstsammlung zurück gekauft und zeigt es nun, zusammen mit Porträts und Büsten, im köstlichen Ambiente des von zahllosen Kunst- und Geschichtsfreunden besuchten Rheinsberger Schlosses.

(3. Juni 2016)

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