Stolpersteine für verfolgte Juristen
In der Hardenbergstraße weisen Messingplatten auf die Auswirkungen des nationalsozialistischen Rassenwahns hin



Frisch glänzen die drei namhaften Richtern gewidmeten Stolpersteine
vor dem Gerichtsgebäude in der Hardenbergstraße 31.





Das heutige Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ist ein imposanter,
im Stil des Neobarock errichteter Bau aus der Kaiserzeit.



In der Elßholzstraße liegen mehrere Stolpersteine mit den Namen von Juristen
am Kammergericht, die nach 1933 aus ihren Ämtern vertrieben und
ermordet wurden.(Fotos: Caspar)

Vor dem Gebäude des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in der Hardenbergstraße 31 wurden vor kurzem Stolpersteine zur Erinnerung an Richter verlegt, die nach 1933 dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer fielen. Bald nach der Errichtung der Hitler-Diktatur wurden aus dem damaligen Preußischen Oberverwaltungsgericht 14 Richter aus rassischen oder politischen Gründen aus ihrem Amt vertrieben. Die Metallplatten rufen Fritz Citron ins Gedächtnis zurück, der sich 1938 das Leben nahm, Ernst Isay starb 1943 im brasilianischen Exil, und Wilhelm Kroner wurde 1942 im KZ Theresienstadt ermordet. Acht andere Richter wurden 1933/4 auf Regierungsratsstellen in der Provinz versetzt. Drei weitere gingen in den Ruhestand, um ihre Degradierung abzuwenden.

Bei der Verlegung der Messingplatten mit den Lebensdaten der Juristen sprach OVG-Präsident Joachim Buchheister. Er verwies darauf, dass ein Viertel der Richterschaft am damaligen OVG ihres Amtes enthoben und damit auch ihrer Existenzmöglichkeiten beraubt wurden. Die drei Opfer des Naziregimes seien entschiedene Verteidiger von Demokratie, Recht und Freiheit gewesen, und sie hätten sich mit all ihren Mitteln für die Beachtung der Weimarer Verfassung eingesetzt. Kroner war Vorsitzender des Republikanischen Richterbundes und Herausgeber der Zeitschrift "Die Justiz", der Völkerrechtler Isay war unter anderem Kommentator des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes, und Citron genoss als Fachmann auf dem Gebiet des Genossenschaftsrechtes einen guten Ruf.

Unter den Teilnehmern der Feierstunde vor dem Portal des aus der Kaiserzeit stammenden Gerichtsgebäude, das wenige Schritte vom Bahnhof Zoologischer Garten entfernt und gegenüber dem Amerikahaus und der Berliner Landeszentrale für politische Bildung steht, war auch eine Enkelin des Richters Citron, Renate Citron-Piorkowski, anwesend. Die 1949 geborene Richterin war von 1990 bis 2000 am Oberverwaltungsgericht Berlin und danach bis 2014 als Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Berlin tätig. Gemeinsam mit dem Juristen Ulrich Marenbach hat sie unter dem Titel "Verjagt aus Amt und Würden" Lebensbeschreibungen jener 14 aus dem damaligen Preußischen OVG vertriebenen Juristen verfasst. Sie und unzählige andere nicht ins rassistische und politische Konzept der Nationalsozialisten passende Personen waren vom "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" betroffen. Es legte unter anderem fest, dass Beamte "nichtarischer Abstammung" in den Ruhestand zu versetzen sind. Soweit es sich um Ehrenbeamte handelt, seien sie aus dem Amtsverhältnis zu entlassen.

Die Studie schließt eine Lücke, die bisher mit Blick auf den Ausgrenzungsprozess in der preußischen Verwaltungsgerichtsbarkeit bestand. Unter Auswertung einer Vielzahl von Akten und privater Dokumente werden die Einzelschicksale nicht nur der Betroffenen nachgezeichnet, sondern auch die Akteure benannt, die in der Leitung des Gerichts und im preußischen Innenministerium die Ausgrenzung betrieben. Das Buch von Renate Citron-Piorkowski und Ulrich Marenbach "Verjagt aus Amt und Würden - Vom Naziregime 1933 verfolgte Richter des Preußischen Oberverwaltungsgerichts" hat 120 Seiten und 20 Abbildungen. Es kostet 14,90 und erschien im Verlag Hentrich & Hentrich Berlin (ISBN 978-3-95565-177-0).

Nach Angaben der Koordinierungsstelle Stolpersteine erinnern in Berlin mehr als 7000 der kleinen Betonquader mit Messingplatte an Menschen, die zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. Solche Stolpersteine liegen auch in der Elßholstraße vor dem Eingang des Kammergerichts und erinnern ebenfalls an Juristen, die dem Rassenwahn der Nazis zum Opfer gefallen waren. In dem markanten Gerichtsgebäude fanden nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 grauenhafte Schauprozesse statt, in den der Gerichtspräsident Roland Freisler die Angeklagten auf das Übelste beleidigte und schikanierte. Seine unausweichliche Hinrichtung voraussehend, sagte Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben an Freisler gewandt: "Sie können uns dem Henker überantworten. In drei Monaten zieht das empörte und gequälte Volk Sie zur Rechenschaft und schleift Sie bei lebendigem Leib durch den Kot der Straßen." Unmittelbar nach dem Urteil wurde Erwin von Witzleben im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee auf ausdrücklichen Befehl Hitlers durch Hängen, statt wie sonst bei Militärangehörigen üblich durch Erschießen hingerichtet. Freisler wurde Anfang 1945 bei einem Bombenangriff tödlich verletzt. Zahlreiche Juristen, die Hitler als eifrige Vollstrecker gedient hatten, konnten nach dem Ende der Naziherrschaft nahezu ungeschoren ihre Arbeit fortsetzen und sogar noch Karriere machen.

19. November 2016

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