Rotes Gold für die Hoftafel
Kurfürst Friedrich Wilhelm wies dem Chemiker und Glasmacher Johann Kunckel die Pfaueninsel als Ort für seine Experimente zu



Johann Kunckel erwarb sich als Chemiker und Glasmacher in Sachsen,
Kurbrandenburg und Schweden einen hervorragenden Ruf.






Viele leuchtend rote Glasgegenstände gingen mit der Zeit verloren,
diese Rubingläser sind im Märkischen Museum (oben) und
im Kunstgewerbemuseum Schloss Köpenick ausgestellt.




Das Schloss auf der Pfaueninsel ist auf einer Prunkvase
im Märkischen Museum abgebildet. (Fotos/Repro: Caspar)

Bei ihren Mühen um künstliches Gold gelangten Alchemisten mitunter zu Erkenntnissen, welche das Arzneiwesen, das Färben von Textilien, die Metallurgie, die Pharmazie, die Materialkunde und andere Wissenschaften voran brachten. So konnte der berühmte Chemiker und Experimentator Justus von Liebig feststellen, unter den Alchemisten habe sich stets ein Kern echter Naturforscher befunden. Mit seinem Urteil dachte Liebig unter anderem an den aus dem heutigen Schleswig-Holstein stammenden Glastechnologen und Chemiker Johann Kunckel. Seine Leistungen könnten "den größten Entdeckungen unseres Jahrhunderts gleichgestellt werden", meinte Liebig. Indem der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg 1685 Kunckel die in der Havel zwischen Berlin und Potsdam gelegene Pfaueninsel als Ort für Experimente mit Glas zuwies, erhielt die in Brandenburg florierende Glasmacherei einen spürbaren neuen Aufschwung.

Das rohstoffarme Kurfürstentum besaß Sand als Grundstoff für die Glasschmelze, aber auch Holz als Brennstoff und Pottasche als Zuschlagstoff in Hülle und Fülle. Bereits im 16. Jahrhundert hatten die Hohenzollern Glashütten eingerichtet, in denen man Flaschen und andere, meist einfache Gefäße für den Hausgebrauch, aber auch Fensterscheiben, Spiegel, Behänge für Lampen und bunte Perlen produzierte. Kunckel gab der Glasindustrie eine andere Wendung in Richtung Luxusartikel, vergleichbar den edlen und teuer bezahlten Gläsern, die aus Böhmen und Italien teuer eingeführt wurden. Der Sohn eines Alchemisten und Glasmachers hatte sein Gewerbe quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Er arbeitete zunächst für das holsteinische Herzogshaus, verdingte sich aber bald beim Herzog Franz Carl von Lauenburg als Laborant und Alchimist. Seinen beruflichen Aufstieg begann Kunckel in Sachsen als "Geheimer Kammerdiener und Chymicus" des Kurfürsten Johann Georg II. Hinter dem Titel verbarg sich die Bestallung als Goldmacher. Mit dieser Aufgabe wurde Kunckel nicht glücklich, und so sah er sich nach einem anderen Arbeitgeber um und fand ihn in Brandenburg.

Dessen Große Kurfürst Friedrich Wilhelm ernannte seinen neuen Schützling ebenfalls zum "Geheimen Kammerdiener" und stellte ihm ein Privileg zum Verkauf von selbst fabriziertem Kristallglas aus. Obwohl Kunckel der fragwürdige Ruf eines Goldmachers anhing, vermied es der Herrscher klugerweise, seine Fähigkeiten in dieser Richtung zu testen. Ihm reichte es schon, wenn er edles Glas für die Hoftafel bekam. Wie sehr diese Kostbarkeit geschätzt wurde, bewies der sächsische Kurfürst und polnische König Friedrich August I./August II., genannt August der Starke. Er verfügte, dass besonders kostbare Stücke dieses "roten Goldes" im Grünen Gewölbe, der mit Arbeiten aus Gold, Silber, Elfenbein, Bernstein und anderen Materialien bestückten sächsischen Schatzkammer im Dresdner Schloss, ausgestellt werden sollen, wo man sie heute wieder betrachten kann.

Glückspilz und Pechvogel

Mit kurfürstlichen Privilegien "begnadet", ging es mit Johann Kunckel langsam bergauf. Zunächst pachtete er eine Glashütte in Drewitz und dann eine andere auf dem Hakendamm bei Potsdam, wo wohl auch jene Experimente stattfanden, die zur Erfindung des tiefrot gefärbten Rubinglases führten. Hervorragende Arbeitsbedingungen fand Kunckel auf dem abgelegenen Kaninchenwerder in der Havel zwischen Berlin und Potsdam, das später wegen der dort lebenden Vögel und weiterer exotischer Tiere Pfaueninsel genannt wurde. Wie Theodor Fontane in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" berichtete, verpflichtete sich der Glasmacher im Gegenzug für die Übereignung der Insel 1685, alljährlich für fünfzig Taler Kristallgläser an seinen kurfürstlichen Herrn abzuliefern. Außerdem war er gehalten, die von ihm hergestellten bunten Glasperlen ausschließlich der Guinea-Kompagnie zu verkaufen, die mit Hilfe solcher Nichtigkeiten einen schwunghaften Handel mit afrikanischen Sklaven, Elfenbein und Gold betrieb.

Nach dem Tod seines kurfürstlichen Gönners 1688 sank Kunckels Stern. Der Nachfolger Friedrich III., der sich 1701 zum König "in" Preußen krönte, zeigte geringes Interesse an der Glasmacherei auf der Kanincheninsel. Kunckel hatte hohe Schulden angesammelt, und Neider bezweifelten seine Rechtschaffenheit. Als zu allem Unglück Kunckels Laboratorium und Glashütte auf der Pfaueninsel ab-brannte, stand der Pechvogel vor dem Ruin. Er verkaufte allen Besitz, beglich seine Schulden, verließ Kurbrandenburg und fand in Schweden freundschaftliche Aufnahme. Dort sogar in den Adelsstand erhoben, war Johann Kunckel von Löwenstern, wie er jetzt hieß, bis zu seinem Tod im Jahr 1703 als Bergrat zwei schwedischen Königen zu Diensten. Kurbrandenburg aber hatte ohne Not einen begnadeten Naturwissenschaftler und Experimentator verloren.

Kunckels berühmtes Werk "Ars vitraria experimentalis" wurde lange Zeit als Lehrbuch der Glasmacherkunst verwendet und erlebte mehrere Auflagen. Auf der Pfaueninsel erinnert ein Gedenkstein an Johann Kunckel. Die Inschrift erwähnt, dass er hier Phosphor und Rubinglas hergestellt hat. Archäologen haben an der Stelle, wo die Glashütte stand, Schlacken- und Glasreste gefunden. Nicht ganz entschlüsselt wurde das Verfahren, mit dem es dem Experimentator gelang, das berühmte rote Glas zu erzeugen. Angeblich soll der Chemiker Goldstaub in die Masse getan haben, die nach Erkalten und Bearbeitung das Aussehen von rot leuchtenden Rubinen annahm. Die Verwendung des Edelmetalls machte die auch für viel Geld ins Ausland gelieferten Glaswaren zu ausgesprochenen Luxusobjekten, die sich nur reiche Leute leisten konnten.

König Friedrich Wilhelm II., der Neffe und Nachfolger Friedrichs des Großen, gab ein Jahrhundert nach Kunckel der Pfaueninsel eine neue Aufgabe, als er hier ein Sommerschloss erbauen ließ, in das er mit seinen Mätressen zurückziehen konnte. Auch andere Hohenzollern wohnten gern auf der Pfaueninsel. Die hier in Volieren und in Gehegen lebenden Vögel und Tiere kamen in den 1844 gegründeten Berliner Zoo (siehe dazu einen weiteren Beitrag auf dieser Internetseitze). Geblieben sind auf dem Eiland außer dem kleinen Schloss und weiteren Bauten des königlichen Hofes zahlreiche Pfauen, die den Besuchern in wärmeren Jahreszeiten laut kreischend und ein Rad schlagend über den Weg laufen.

(23. Mai 2016)

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