Sportspektakel fiel 1916 ins Wasser
Geschichte des Olympiastdions im Berliner Westen reicht bis in die Kaiserzeit zurück



Am Marathontor erinnert eine Gedenktafel an Viktor von Podbielski
(1844-1916), den Vater des Deutschen Stadions.




Die Medaille mit dem Porträt Wilhelms II. wurde 1912 vom
Reichsausschuss für Olympische Spiele an Athleten vergeben.



Das Kaiserpaar weihte 1913 das Deutsche Stadion ein, in dem drei
Jahre später die Olympischen Spiele stattfinden sollten.




Bei Erweiterungsarbeiten für das gewaltige Olympiastadion
wurden in den 1930-er Jahren Bauten aus der Kaiserzeit beseitigt.
Vor ein paar Jahren fand man dorische Säulen, die zur Erinnerung
an die Frühzeit des Berliner Sports an einem anderen Ort
neu aufgestellt wurden. (Fotos/Repro: Caspar)

Wenige Wochen vor der Eröffnung der XXXI. Olympischen Spiele in Rio de Janeiro lohnt sich ein Blick in die frühe Geschichte des Berliner Olympiastadions. Die Planungen für die Sportanlagen in der Hauptstadt gehen bis in die Kaiserzeit zurück. 1909 wurde auf einem 700 Hektar großen Gelände des Berliner Rennverein im abgelegenen Grunewald von dem Architekten Otto March und dem Gartenarchitekten Albert Brodersen eine Galopp- und Hindernisrennbahn angelegt, aus der sich das spätere Reichssportfeld und Olympiagelände entwickelten. 1913 konnte das Deutsche Stadion anlässlich der Feierlichkeiten anlässlich des 25. Regierungsjubiläums von Kaiser Wilhelm II. eröffnet werden. March hatte die Arena in einer Mulde innerhalb der Rennbahn errichtet. Sie verfügte über Sitz- und Stehplätze für 27 000 Besucher. Namhafte Bildhauer trugen zur künstlerischen Ausgestaltung der neuen Sportanlage bei. Am Rande eines Schwimmbeckens erhob sich eine hohe Säule mit einer geflügelten Victoria ähnlich der Siegessäule, die damals noch vor dem Reichstagsgebäude stand. Am Fuß dieser Säule stand der Meeresgott Neptun als Kut-scher einer Pferdegruppe.

Kaiser Wilhelm II. und seine Frau Auguste Viktoria ließen es sich nicht nehmen, das Deutsche Stadion feierlich einzuweihen und damit auch ihr Interesse an Sport und Unterhaltung zu unterstreichen. Tausende Sportler und Abgesandte von Turnvereinen defilierten am Kaiserpaar und weiteren hochstehenden Persönlichkeiten vorbei, und es gab ein Fußballspiel und militärische Vorführungen. Das durch die Anwesenheit des Reichsoberhaupts "geadelte" Spektakel war wichtig für die weitere Entwicklung des Sports im Deutschen Reich und half, die Meinung von Teilen der Öffentlichkeit zu diesem Thema positiv zu beeinflussen. Denn lange galt der Sport als etwas, mit dem sich "gehobene Kreise" nicht abgeben, vom Reiten und Fechten einmal abgesehen. Kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs Anfang August 1914 fanden noch vereinzelte Wettkämpfe sowie Armeemeisterschaften statt. Doch dann war erst einmal Ruhe im Deutschen Stadion, denn auch die Athleten mussten an die Front, wo viele ihr Leben "für Gott, Kaiser und Vaterland" lassen musste, wie man damals der elende Tod der Soldaten auf den Schlachtfeldern umschrieb.

Es gab zwei vergebliche Bewerbungen, bis der Reichsausschuss für Olympische Spiele unter seinem Vorsitzenden Viktor von Podbielski das Internationale Olympische Komitee dazu bewegte, die Olympischen Spiele 1916, vor genau einhundert Jahren, nach Berlin zu vergeben. Als Präsident des Berliner Rennvereins war es Podbielski gelungen, seine adligen Vereinskameraden zu bewegen, das Grundstück für das geplante Stadion bereitzustellen und auch die Baukosten zu tragen. Eine Station der Berliner U-Bahnlinie 3 vom Heidelberger Platz nach Krumme Lanke trägt den Namen des preußischen Generalleutnants sowie Staats- und Landwirtschaftsministers und Staatssekretärs des Reichspostamts. Die VI. Olympischen Spiele sollten im Deutschen Stadion stattfinden, die damals die größte Sportarena der Welt war. Doch zog der Erste Weltkrieg dem löblichen Plan einen Strich durch die Rechnung, denn niemand wollte hier um sportlichen Lorbeer kämpfen. Nach dem Ersten Weltkrieg durfte das Deutsche Reich, dem man die Hauptschuld am bisher schlimmsten aller Kriege gab und dies im Artikel 231 des Versailler Vertrags festschrieb, an den Olympischen Sommerspielen von 1920 und 1924 nicht teilnehmen. Das änderte sich erst, als deutsche Sportler für die Spiele von 1928 wieder zugelassen und Deutschland als möglicher Ausrichter einer weiteren Olympiade ins Auge gefasst wurde.

Während der Weimarer Republik wurden die Bauarbeiten auf dem Berliner Reichssportfeld fort-gesetzt. 1922 konnte die Deutsche Hochschule für Leibesübungen eröffnet und 1925 der Grundstein zum Deutschen Sportforum gelegt werden. Geplant waren verschiedene Übungs-, Lehr- und Forschungsstätten sowie Unterkünfte für die Studenten. Weitere Planungen mussten in der Spätzeit der Weimarer Republik angesichts fehlender Finanzmittel und der Weltwirtschaftskrise auf Eis gelegt werden, wurden aber wieder hervorgeholt, als 1931 die Olympischen Spiele für das Jahr 1936 nach Berlin vergeben wurden. Dies geschah auch deshalb, weil in der Reichshauptstadt bereits weitläufige Sportanlagen von hohem Standard existierten. Zunächst war geplant, nur das schon bestehende Deutsche Stadion umzubauen. Werner March, der Sohn von Otto March, übernahm den Auftrag. Er plante, das großflächige Stadion tiefer einzudenken und das Schwimmbecken aus der Gegentribüne zu entfernen und es an die Ostkurve zu verlegen. Damit wollte Otto March zusätzliche Plätze gewinnen und die Zuschauer dichter an das Spielfeld zu bringen. Das Stadion wurde für verschiedenste Sportveranstaltungen, aber auch Pferde-, Auto- und Radrennen sowie für Festumzüge genutzt. Filmfirmen nutzten die Kulisse, um römische Zirkusszenen zu drehen. Außerdem veranstaltete die Reichswehr abendliche Konzerte mit Fackelbeleuchtung. 1927 wurde der 80. Geburtstag des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg im Deutschen Stadion begangen. 1931 ahnte noch niemand, dass zwei Jahre später die Nazidiktatur errichtet und 1936 die von Hitler eröffnete XI. Olympiade zu einer gewaltigen Propagandashow zugunsten des um internationale Anerkennung ringenden KZ-Staates missbraucht werden würde.

LITERATURTIPP Stephan Brandt: Von der Pferderennbahn Grunewald zum Olympiastadion 1907 bis 1945, Sutton Verlag Erfurt 2015, 219 S., zahlr. Abb., 19,99 Euro (ISBN 978-3-95400-492-2)
(27. 4. 2016)

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